De Maizière: "Illegale Migration fast zum Stillstand gekommen"

Die Freude des Innenministers, Showveranstaltungen und rätselhafte "geordnete Verfahren"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Debatte der verantwortlichen Politiker über die Flüchtlingspolitik hat etwas Gespenstisches. Momentan wird von einem wichtigen österreichischen Grenzübergang die Zahl gemeldet, die der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte als Voraussetzung für ein Abkommen mit der Türkei gefordert hat: "nahe Null".

Seit Wochenbeginn verzeichnet der Grenzübergang Spielfeld "null Flüchtlinge". Die deutsche Polizei, so wird von dem österreichischen Medium die presse ergänzend berichtet, meldete am Mittwoch 125 Flüchtlinge. Der Spiegel hat die gleichen Zahlen und dazu den Tagesdurchschnitt der deutschen Bundespolizei im März von knapp 313 Migranten. Auch das ist eine Zahl, die in der Dimension liegt, die Rutte vorgegeben hatte.

"Das war es nicht mit den Flüchtlingen"

Nur, dass sie nicht ursächlich mit Maßnahmen der Türkei zu tun hat, worauf es Rutte ankam, sondern mit der Schließung der Balkanroute durch die von Österreich initiierten Alleingang der Länder auf dieser Route - und nicht zuletzt auch mit der Jahreszeit, der Kälte, der Nässe, den miesen Bedingungen für eine strapaziöse, lange Flucht. Mit dem nahenden Frühling wird sich das ändern, schwant auch dem österreichischen Verteidigungsminister: "Das war es nicht mit den Flüchtlingen."

Für die Einschätzung spricht, dass sich an den "Pushfaktoren" für die Flüchtlinge nichts geändert hat. Doskozil folgert daraus, eine verstärkte Sicherung der grünen Grenzen" und tischt Argumente für eine "Trendumkehr" beim Sparprogramm für das Militärbudget auf.

Die deutsche Kanzlerin Merkel ist Österreich "nicht dankbar" für dessen Sperrpolitik. Die elende Situation der Flüchtlinge in Griechenland, die dort infolge der Schließung der Balkanroute feststecken, ist das Menetekel ihrer Kritik am "einseitigen Vorgehen" der Balkanrouten-Länder.

Ihr Innenminister de Maizière gab sich nach dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag dennoch sehr zufrieden darüber, dass "die illegale Migration fast zum Stillstand gekommen ist". Etwas gespenstisch war seine Begründung. So bemühte er zunächst die EU-weit abgesegnete Phrase von der "Zeit des Durchwinkens, die jetzt vorbei ist", um dem hinterherzuschicken: "allerdings jetzt auf europäischer Basis".

Was heißt, "wir arbeiten daran"?

Ehrlich mag zwar die Freude am Erreichen des beständig wiederholten Ziels der "Reduzierung der Flüchtlingszahlen" sein, aber wenn es um die Übernahme der Verantwortung dafür geht, so wird Tarnung ausgeworfen. Für die Reduzierung hat faktisch das einseitige Grenzregime der Balkanstaaten auf Initiative Österreichs gesorgt. Dazu will sich die deutsche Regierung aber nicht bekennen. De Maizère sagt das nicht und Merkel distanziert sich öffentlich. Dessen ungeachtet hatte sie aber die EU-Gipfel-Erklärung unterschrieben, die besagt, dass die Durchwink-Politik vorbei ist.

De Maizière vereinnahmt die Balkanstaaten-Lösung als "europäische Basis", um Widersprüche mit dieser Sprachregelung verschwinden zu lassen. Das ist zugleich opportun ("Deutschland sucht nach einer gesamteuropäischen Lösung" und will die Reduzierung der Flüchtlingszahlen) wie unverbindlich gegenüber den Ländern ist, die mit ihrer Grenzpolitik dafür sorgen, dass es gerade nach den gewünschten geordneten Zuständen aussieht.

"In Deutschland kommt derzeit nur ein Zehntel an Flüchtlingen an, im Vergleich zum vergangenen Herbst und wir arbeiten daran, dass das auch so bleibt", sagt Maizière dazu. Aber was heißt, "wir arbeiten daran", genau?

Die Türkei soll dazu beitragen. Der Plan, so fasst der Standard die Äußerungen des deutschen Innenministers zusammen, lautet, dass alle Migranten, die über die Ägäis nach Griechenland kommen, umgehend wieder in die Türkei zurückgebracht werden. Und dann kommt die nächste Obskurität:

De Maizière nannte diesen Punkt sogar "zentral", diesbezüglich müsse es jetzt schnell gehen: Syrer, die auf diese Weise abgeschoben werden, hätten keine Chance, später Asyl zu bekommen, an ihrer Stelle würde man "andere in einem geordneten Verfahren nach Europa bringen. Für Deutschland werden die Zahlen niedrig bleiben."