Sachsen-Anhalt: Große Koalition verliert Mehrheit

AfD wird mit über 24 Prozent aus dem Stand zweitstärkste Kraft

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Bei der gestrigen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat die Alternative für Deutschland (AfD), die in Umfragen im September noch bei fünf Prozent lag, mit 24,2 Prozent Stimmenanteil nicht nur die SPD überholt (die fast elf Punkte verliert und nur noch auf 10,6 Prozent kommt), sondern auch die Linkspartei, die nach einem Verlust von fast siebeneinhalb Punkten bei 16,3 Prozent landet. In 15 von 43 Wahlkreisen - darunter in der Bauhaus-Stadt Dessau - kommt die erstmals angetretene Partei sogar auf mehr Erststimmen als alle anderen.

Stärkste Partei wurde mit 29,8 Prozent wieder die CDU, obwohl sie gegenüber der letzten Wahl 2,7 Prozentpunkte einbüßte. In absoluten Zahlen gemessen gewann sie jedoch Wähler hinzu, weil die Wahlbeteiligung um mehr als 12,8 Punkte auf 64 Prozent stieg. Die Liberalen scheiterten mit 4,9 Prozent knapp am Parlamentseinzug, den die Grünen, die einen Prozentpunkt verloren, mit 5,2 Prozent knapp schaffen. Ergebnisse aus einzelnen Wahlkreisen deuten darauf hin, dass die Freien Wähler, deren Kandidat Mario Rudolph in Zerbst 11,54 Prozent erreichte, unter den "sonstigen Parteien", die auf insgesamt 7,1 Prozent kamen, eine hervorgehobene Rolle spielen.

Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsidenten Reiner Haseloff hatte sich im Wahlkampf von der Bundespolitik seiner Partei abgesetzt und einer Obergrenze für die Aufnahme von Migranten propagiert, die nicht von der Bundesregierung, sondern aus der Summe der Belastungsgrenzen der Länder errechnet wird (was jedoch in den anderen Bundesländern auf wenig Widerhall stieß).

Kritik an Angela Merkel kam in Sachsen-Anhalt auch vom CDU-Innenminister Holger Stahlknecht, der in der Magdeburger Zeitung Volksstimme dazu aufforderte, "zur Verfassungstreue zurückzufinden" und den "überwiegenden Teil der Flüchtlinge, der jetzt an der deutsch-österreichischen Grenze zu uns kommt, nicht nach Deutschland zu lassen", weil das "geltendes Recht" sei (vgl. Valls fordert Einlassbegrenzung [Update] und Dobrindt: "Es reicht nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen").

AfD-Landeschef gegen "Wirtschaftsliberale" und "Transatlantiker"

Der AfD hatte im Wahlkampf unter anderem mit dem Plakatslogan "Washington spioniert - Brüssel diktiert - Berlin pariert" für sich geworben. Auf Veranstaltungen ließ sie einen griechischstämmigen Bremer Bürgerschaftsabgeordneten über "Patriotismus und Migration" und den Bundessprecher der Schwulen und Lesben in der AfD über das Thema "Homosexuelle gegen den Genderwahn" referieren.

Der örtliche AfD-Spitzenkandidat André Poggenburg gilt als einer der schärfsten Kritiker des ehemaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke - für ihn "wirtschaftsliberal" und ein "Transatlantiker", hinter dem er "viel Geld und eine Menge Macht" vermutet. Unter ihm, so Poggenburg, durfte man die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands "gar nicht thematisieren".

Poggenburg hatte - anders als die Meinungsforscher - schon vor der Wahl "20 Prozent plus x" für seine Partei erwartet. Außerdem hatte er mit Verweisen auf Fälle in Stendal und Bremen vor Manipulationen beim Auszählen gewarnt und Anhänger dazu aufgefordert, diese Auszählungen in den Wahllokalen vor Ort zu kontrollieren.

Der neuen Partei schadete offenbar nicht, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zur Elefantenrunde vor den Landtagswahlen nur die im Parlament vertretenen Parteien CDU, Linke, SPD und Grüne eingeladen hatte. Als Begründung dafür hatte der Gebührensender angeführt, er wolle den Zuschauern mit dieser Runde lediglich einen "Bilanz" der vergangenen Legislaturperiode bieten. Interessanter machte das die Runde wahrscheinlich nicht. Der Zwangszuschauer von Spiegel Online erklärte deshalb keinen Politiker, sondern die "Zuschauer, die bis zum Ende durchhielten" zu den Siegern der Diskussion.

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