Die Logik der Grenze besteht in weiteren Grenzen

Flüchtlinge campieren vor der versperrten griechisch-mazedonischen Grenze. Bild: W. Aswestopoulos

Österreichs Außenminister fordert nach der Schließung der Westbalkanroute auch die aller anderen Routen

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Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) macht weiter. Eben hatte Österreich im Verein mit den Visegrad-Ländern die Errichtung nationaler Grenzen umgesetzt und die Balkan-Route gesperrt, worüber sich Bundeskanzlerin Merkel und die Regierung im Landtagswahlkampf klammheimlich gefreut haben dürften. Nun sagte Kurz gegenüber Bild am Sonntag: "Schlepperei lässt sich nicht ganz verhindern. Wir werden daher alles, was wir jetzt an der Westbalkanroute tun, auch entlang der Italien-Mittelmeer-Route tun müssen, damit klar ist, die Zeit des Durchwinkens der Flüchtlinge nach Mitteleuropa ist vorbei - egal auf welcher Route." Derweil haben die österreichische Innenministerin und der Verteidigungsminister schon einmal die bulgarisch-türkische Grenze besucht. Dort soll der Grenzzaun auf 160 km verlängert werden.

Es gibt also noch viel zu tun, um Österreich und Mitteleuropa abzudichten, denn tatsächlich wäre auch nach dem Ende des Syrienkriegs nicht zu erwarten, dass sich niemand mehr aus dem Nahen und Fernen Osten und aus Afrika auf den Weg nach Europa macht.

Es ist nur daher konsequent, wenn das Heil in der Schließung der Grenzen und im Aufbau der Festung gesucht wird, das unvollendete Projekt weiter zu verfolgen. Das alles erinnert ein wenig an die Erzählung "Der Bau" von Franz Kafka Wenn eine Möglichkeit blockiert wird, in ein Land zu gelangen, das sich der Idee der gated nation in Anakogie zur gated community verschrieben hat, effektiv blockiert wurde, entsteht die berechtigte Befürchtung, dass sich die Flüchtlinge, die in ihrer Masse als Invasoren gelten, andere Löcher suchen werden.

Die Balkanroute ist gesperrt, auch wenn wie in Serbien noch Flüchtlinge hängengeblieben sind oder sie sich wie in Idomeni an der mazedonischen Grenze stauen. Erst nach dem Bau des Zauns an der griechisch-türkischen Grenze hatte schließlich dazu geführt, dass die Route über die griechischen Inseln gewählt wurde.

Eine ähnliche Verdrängung ist nun auch zu erwarten, wenn die Möglichkeiten für Flüchtlinge weiter bestehen, in die Türkei zu gelangen. Mittlerweile herrscht in der Türkei, auch wegen der Versuche, den Vormarsch der syrischen Kurden zu verhindern, keine Politik der offenen Türen mehr für Syrer. Von der letzten Fluchtwelle nach Beginn der russisch-syrischen und kurdischen Offensive in der Provinz Aleppo hatte die Türkei bereits den Großteil nicht mehr ins Land gelassen, sondern an der Grenze auf der syrischen Seite Camps eingerichtet. Das geschah wohl auch aus dem Grund, die Forderung nach der Einrichtung von Schutzzonen in Syrien zu verstärken und die Schließung des noch bestehen Korridors zwischen den von den Kurden kontrollierten Gebieten Kobane und Afrin zu verhindern. Auch Jordanien und den Libanon haben ihre Grenzkontrollen verstärkt. Gut möglich also, dass der Zustrom direkt aus dem syrischen Kriegsgebiet abnimmt, indem die Menschen dort eingeschlossen und ihrem Schicksal überlassen werden. Aber es sitzen noch Millionen Syrer in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon fest

Mit der Schließung der Balkanroute und dem beginnenden Frühjahr ist zu erwarten, dass sich Flüchtlinge und Schleuser neue Routen suchen werden. Denkbar wäre der Weg über Bulgarien und eine Ostroute via Rumänien, Moldawien oder die Ukraine, möglicherweise auch über das Schwarze Meer, aber auch über Albanien nach Italien. Hier fand bereits einmal eine Massenflucht statt. Dazu dürfte die Route Libyen-Italien wieder wichtiger werden, womöglich könnte auch versucht werden, von Algerien nach Frankreich oder von Marokko nicht in die Enklaven Ceuta und Melilla, sondern über das Mittelmeer an die spanische Küste zu gelangen.

Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verlangt hingegen von Angela Merkel eine Beendigung des "Flüchtlingswettlaufs" nicht unbedingt durch den Ausbau der Festung, sondern durch eine Festlegung von Obergrenzen, wie das Österreich gemacht hat. Für Deutschland nennt Faymann eine vergleichbare Obergrenze von 400.000 Flüchtlingen. Solange dies Deutschland nicht mache, könne eine Verteilung von Flüchtlingen nicht funktionieren, sagte er der Kronen-Zeitung und OE24.at.

Erst wenn es eine Obergrenze gebe und Deutschland Flüchtlinge direkt aus den Krisenregionen holt, werden "die Logik der ungeordneten Migration" durchbrochen: "Wer mit Schleppern an die EU-Außengrenze kommt, wird zurückgeschickt. Und zwar alle. Europa lässt in Zukunft nur noch eine geordnete Einreise für Flüchtlinge zu, die dann auf ganz Europa gerecht verteilt werden müssen."