Syrien: Kämpfe zwischen Oppositionsgruppen

Waffenruhe: Die syrische Armee rückt gegen Palmyra vor. Al-Nusra räumt von den USA unterstützte FSA-Einheit aus dem Weg und erobert Waffen

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Als "Moment der Wahrheit" bezeichnet der UN-Sonderbeauftragte de Mistura die Fortsetzung der Genfer Gespräche zum syrischen politischen Prozess, die heute wieder aufgenommen werden.

Das ist hoch gehängt, wie es auch die Ziele der Gespräche sind: die Formierung einer Übergangsregierung, eine neue Verfassung und Parlamentswahlen innerhalb von 18 Monaten. So lautet der Fahrplan, der in der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats niedergelegt wurde.

Wieder Streit über Assad

Vor dem Auftakt gab es die üblichen Streitigkeiten zur Zukunft des syrischen Präsidenten Assad. Schon die Genfer Gespräche I und II führten zu keinen relevanten Ergebnissen, weil sich die Parteien in diesem Streitpunkt verfahren hatten. Die Positionen sind klar: Die syrische Regierung ist der Auffassung, dass der Verbleib wie auch der Abschied von Baschar al-Assad eine rein innersyrische Angelegenheit ist, Wahlen haben darüber zu entscheiden.

Der saudi-arabische Außenminister al-Jubeir wird dagegen nicht müde, die Bedingung, dass Assad schon zu Beginn des "Übergangsprozesses" sein Amt verlassen muss, immer wieder neu auf den Tisch zu bringen. Sein verlängerter Arm bei den Genfer Gesprächen ist der Hohe Verhandlungsrat der Opposition (HNC), die Vertreter wurden bei einer Konferenz in Riad bestimmt. Das HNC machte sich am Wochenende erneut zum Sprachrohr der Saudis und drängte darauf, dass Baschar al-Assad keinen Platz in einer Übergangsregierung haben dürfe.

Die Reaktion des syrischen Außenministers Walid Muallem erfolgte schnell und sie war unmissverständlich: Man werde die Gespräche nicht fortsetzen, wenn es um den Posten des Präsidenten geht. Baschar al-Assad sei eine rote Linie.

Weiteren Streit gibt es über die Teilnahme der Kurden an den Gesprächen. Die Türkei sperrte sich dagegen. Jetzt zeichnet sich ab, dass Vertreter der Kurden möglicherweise als Beobachter teilnehmen können.

"Kein Plan B"

Nein, er habe keinen Plan B, so de Mistura. Wenn auch Genf III scheitert, dann sei die Alternative die Rückkehr zum Krieg. Sobald er erkennen müsse, dass die Gespräche nicht weiterführen, würde er das Thema an die beiden führenden Mächte der Internationalen Syrien Unterstützungsgruppe (ISSG), an die USA und Russland, zurückgeben.

So sieht einiges nach der Wiederkehr des Ewiggleichen aus, wäre es nicht so, dass die Waffenruhe seit Ende Februar doch für etwas Hoffnung gesorgt hat. Es wurde etwas erreicht, die Intensität der Kämpfe ließen nach, so der Tenor vieler Berichte. Der IS und al-Nusra waren von der Waffenruhe ausgeschlossen, die Kämpfe waren nicht wirklich eingestellt waren.

Militärisch war das nicht zum Nachteil der syrischen Armee. Es gelang ihr Richtung Palmyra, das vom IS kontrolliert wird, deutlich vorzurücken. Begleitet wurde der Vormarsch von russischen Luftangriffen auf Stellungen des IS.

Geisterstadt Palmyra

Nach Informationen einer der Opposition zur syrischen Regierung nahestehenden Webseite, die sich u.a. auf Angaben des Revolutionary Coordination Council in Palmyra beruft, sei Palmyra zu einer "Geisterstadt" geworden. Seit der Übernahme der Stadt sei der Großteil durch den IS sei der Großteil der Bevölkerung geflohen - die Seite nennt dazu den schier unglaublichen Anteil von 97%. Die dort nicht freiwillig verbliebenen Bewohner würden nun zum Ziel von Luftangriffen, so der Vorwurf.

Indessen verzeichnete auch die al-Qaida-Gruppe al-Nusra einen militärischen Erfolg: die Eroberung eines strategische wichtigen Ortes in Idlib, Maarat al-Numan. Was dieser Nachricht Aufmerksamkeit in vielen Medien verlieh, war der Gegner und dessen Waffenarsenal.

Das letzte Ende der "Moderaten"?

Es war eine Einheit der sogenannten freien Syrischen Armee (FSA), mit dem Namen "Division 13", die von den USA unterstützt wurde und mit TOWs und anderen begehrlichen Militär-Equipment ausgestattet war, das sich nun in den Händen der Dschihadisten befindet.

Laut dem russischen Medium RT soll sich sogar ein Panzer darunter befunden haben. Bestätigt ist das allerdings nicht. Das Ergebnis, dass nun die "letzte der ‚moderaten‘ Oppositionsgruppen" von den Kampfgebieten in Syrien verschwunden ist, wird allerdings von vielen Medien geteilt.

Wie ein Kenner der militanten Opposition, der schwedische Journalist Aron Lund in einem Artikel für Syria Deeply (einem Medium mit ausgeprägter Sympathie für oppositionelle Gruppen) ausführt, hat die Waffenruhe ideologische Streitigkeiten zwischen al-Nusra und Ahrar al-Sham vertieft. Man könnte böse bemerken, dass die Waffenruhe den Dschihadisten und Salafisten die Möglichkeit gab, ihre gegenseitigen Unterschiede zu diskutieren.

Anlass dazu war, dass al-Nusra von der Waffenruhe ausgenommen wurde, dagegen die von Saudi-Arabien und der Türkei wie auch von der CIA unterstützte Ahrar al-Sham nicht. Das führte zu Disputen über Loyalitäten, taktischen Opportunismus, Rechtgläubigkeit u.ä.. Das Ergebnis vorderhand bestärkt die Ansichten der syrischen Regierung und ihrer Alllierten: Die bewaffnete syrische Opposition bleibt von al-Qaida bestimmt.