Anschlag in Ankara: Tätersuche mit bekanntem Ergebnis

Ankara,Kizilay-Platz. Bild: Nedim Ardoğa/CC BY-SA 3.0

Auch wenn sich die türkische linke Organisation DHKP-C zum Anschlag in Ankara bekennt - Der Krieg gegen die Kurden wird fortgesetzt. Update

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Am Sonntag sprengte sich um 18.45 Uhr ein Selbstmordattentäter im Stadtzentrum Ankaras am belebten Kizilay-Platz in die Luft und riss 37 Menschen mit in den Tod. Kurz nach dem Anschlag wurde eine Nachrichtensperre verhängt und am Sonntagabend wurden zudem die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook gesperrt. Wenige Stunden später präsentierte Innenminister Efkan Ala schon die Täterin.

Wie beim letzten Anschlag in Ankara sollte es sich um ein PKK-Mitglied handeln. Laut der englischsprachigen Online-Ausgabe von Hurriyet soll es sich um Seher Cagla Demir handeln. Sie soll 1992 in Kagizman in der Provinz Kars geboren und seit 2013 Mitglied der PKK sein. Angeblich soll sie von der syrischen Selbstverteidigungseinheit YPG ausgebildet worden sein, so der Innenminister.

Noch in der Nacht zum Montag, also ebenfalls wenige Stunden nach dem Attentat, wurden 18 Stellungen der PKK im Nordirak in den Regionen Kandil und Gara von 9 F-16 und 2 F-4 Jets bombardiert. Dabei sollen 45 PKK-Mitglieder "neutralisiert" worden sein, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi unter Berufung auf militärische Quellen.

Ebenfalls in der Nacht zum Montag begann die türkische Armee die Städte Nusaybin und Yüksekova im Südosten der Türkei mit Panzern und Artillerie anzugreifen. In den frühen Morgenstunden gab es am Montag zudem auch noch Hausdurchsuchungen in Adana, Mersin, Eskesehir, Mugla, Istanbul und Osmaniye. Im Visier hatten die Behörden hauptsächlich HDP-Mitglieder und ihre Unterstützer. Es sollen mindestens 50 Menschen festgenommen worden sein.

Stutzig macht die zeitliche Abfolge der Ereignisse: Vor wenigen Tagen wurden alle Lehrer von Nusaybin und Yüksekova zwangsbeurlaubt (wie auch im Vorfeld der Angriffe von Diyarbakir und Cizre geschehen). Sonntagabend erfolgte das Attentat. Noch in der Nacht ist die angebliche Täterin ermittelt, was umgehend zu Vergeltungsaktionen im Nordirak und Angriffen gegen weitere kurdische Städte führte.

Türkische DHKP-C bekennt sich zu dem Anschlag

Wieder einmal stellt sich die schnelle Ermittlung der türkischen Regierung mit dem Ergebnis, dass die PKK hinter dem Anschlag steckt, als Falschmeldung heraus. Zum Anschlag vom Sonntag in Ankara bekennt sich die türkische linke Organisation DHKP-C. Wie die Zeitung Sözcü bekannt gab, konnte aufgrund der Analyse der im Auto aufgefunden Körperteile der Attentäter identifiziert werden. Es sollte sich demnach um einen Studenten oder Studentin der Balikesir Universität handeln.

Die DHKP-C ist eine marxistisch-leninistische, türkische militante Organisation in der Türkei. Sie nennt sich "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (türkisch: Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi) und ist seit 1994 die Nachfolgeorganisation von Devrimici Sol. Sie ist bekannt für militante Aktionen gegen Polizeistationen und Militäreinrichtungen, aber nicht gegen Zivilisten.

Von daher ist zu vermuten, dass der Anschlag dem nahegelegenen Polizeistützpunkt gegolten hat und die Autobombe zu früh explodiert ist. Dies berichtete auch die Zeitung Hürriyet unter Berufung auf Sicherheitskräfte.

Im März 2015 nahm die DHKP-C einen Staatsanwalt als Geisel, der dabei umgekommen ist. Der Staatsanwalt war Ankläger im Fall des getöteten Jugendlichen Berkin Elvan bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013. Im April 2015 beschoss ein Mitglied der Organisation die Polizeizentrale in Istanbul und wurde dabei getötet.

Die seit 1998 in Deutschland verbotene DHKP-C hat in Deutschland nur wenige Mitglieder und ist, wie auch in der Türkei, innerhalb des linken Spektrums weitgehend isoliert. Ihre Zeitung Yürüyüs wurde im vergangenen Jahr von Innenminister Thomas de Maiziere verboten.

Auch wenn sich herausgestellt hat, dass die PKK und die kurdische Bevölkerung nichts mit dem Attentat zu tun haben, wird dieser Anschlag propagandistisch und militärisch vor allem gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt. Es gibt Signale aus der Regierung, die befürchten lassen, dass als nächster Schritt die Aufhebung der Immunität der HDP-Abgeordneten auf der Agenda steht.

Merkwürdig nur, dass keiner mehr nachfragt, was aus den Ermittlungen zum Anschlag in Istanbul im Januar 2016 geworden ist, wo viele Deutsche umgekommen sind. Zu diesem Anschlag hat sich bis jetzt nämlich keine Organisation bekannt. Auch Deutschland scheint kein Interesse an einer Aufklärung zu haben, denn wo bleiben denn die Nachfragen? Die Ergebnisse von polizeilichen Untersuchungen?

[Update]: Inzwischen hat ANF seine Meldung zurückgezogen, da sich die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) auf ihrer Internetseite zu dem Anschlag in Ankara bekannt haben. Siehe dazu: Die kurdische Terrororganisation TAK will für den Anschlag in Ankara verantwortlich sein