Die kurdische Terrororganisation TAK will für den Anschlag in Ankara verantwortlich sein

Die türkische Regierung hat den Anschlag als Anlass genommen, die PKK im Nordirak anzugreifen, den Militäreinsatz in den kurdischen Gebieten zu erweitern und Sympathisanten als Terroristen zur Rechenschaft ziehen zu wollen

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Die türkische Regierung hatte den Terroranschlag am Sonntag schnell wieder der PKK in die Schuhe geschoben und behauptet, diese sei dabei von der YPG unterstützt worden. So sei die junge Selbstmordattentäterin Seher Çağla Demir, eine der beiden Täter, ein Mitglied der PKK gewesen und von der YPD ausgebildet worden.

Auch beim letzten Anschlag in Ankara auf die Militärbusse hatte die türkische Regierung die PKK und YPG verantwortlich machen wollen (TAK bekennt sich zum Attentat auf Militärkonvoi in Ankara). Behauptet wurde, dass ein syrischer Flüchtling der Attentäter war, bis sich dann die schon vor vielen Jahren von der PKK abgespaltene Terrororganisation TAK zu dem Anschlag bekannte, den ein türkischer Kurde ausgeführt hatte. Mühsam wurde dann versucht, an der zuvor erzählten Geschichte festzuhalten (Türkische Regierung erzählt verwirrende Geschichte vom Ankara-Attentäter) Ob die PKK und TAK völlig getrennte Organisationen sind oder weiterhin bzw. neuerdings nach dem Militäreinsatz in den kurdischen Gebieten kooperieren, ist nicht bekannt. Sie wirbt jedenfalls auch mit dem Bild des in türkischer Gefangenschaft sitzenden PKK-Chefs Öcalan, mit dem die türkische Regierung bis letztes Jahr Friedensgespräche geführt hatte. Nun hat sich die TAK (Kurdische Freiheitsfalken) jedenfalls erneut zu dem Terroranschlag in Ankara bekannt.

Heute veröffentlichte erneut TAK auf der Website der Terrororganisation eine Erklärung, in der sie dem Anschlag "im faschistischen Herz Ankaras" sich zuschrieb und sie als Rache für das brutale Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den kurdischen Gebieten der Türkei zu legitimieren suchte. In Cizre, so TAK, hätten die Sicherheitskräfte Genozid begangen. Dort waren mehrere hundert Kurden verbrannt in Häusern gefunden wurden. Man werde weiterhin Anschläge dort ausführen, wo sich die Vertreter des türkischen Staats sicher fühlen. Die Attentäterin Şehit Doğa Jiyan (Seher Çağla Demir), wird als Mitglied der TAK bezeichnet, über den zweiten Attentäter, der im Auto gewesen sein soll, wird allerdings nichts berichtet.

Hinweise darauf gab es schon deswegen, weil sich die Autobomben ähnelten. In Ankara handelte es sich um eine Mischung aus RDX, TNT und Ammoniumnitrat, mit der die 300 kg schwere Bombe gebaut wurde. Das Auto soll am 19. Februar im Südosten des Landes erworben worden sein. Unbekannt ist weiterhin, wer in der Lage ist, diese Bomben zu bauen. Solange die Organisation hinter den Selbstmordattentätern intakt ist, wird die Bedrohung anhalten. Präsident Erdogan drohte mit einer "eisernen" Faust und kündigte an, dass nun auch Sympathisanten als Terroristen verfolgt würden. Explizit erwähnte er Politiker, Autoren und Journalisten.

Wie üblich wurden nach dem Anschlag Hunderte von angeblich Verdächtigen festgenommen, auch das Vorgehen gegen HDP-Politiker, Intellektuelle, Hochschulprofessoren und Journalisten wurde verstärkt. Dabei geht es nicht nur um Aufrufe, den Krieg in den kurdischen Gebieten zu beenden, die nun als Terrorpropaganda gelten und deren Unterzeichner strafrechtlich verfolgt werden, sondern auch angebliche Beleidigungen des Präsidenten werden erbittert verfolgt. Sofort nach dem Anschlag wurden auch Stellungen der PKK im Nordirak bombardiert und die militärischen Aktionen in den Kurdengebieten verstärkt.

Gestern hatte Erdogan wiederholt, dass die Begriffe Terrorismus und Terrorist verändert werden müssten. Man müsse "alle rechtlichen und technischen Möglichkeiten für unsere Sicherheitskräfte, Staatsanwälte und Richter bereitstellen, um sie imstande zu setzen, effektiv den Terrorismus und die Terroristen zu bekämpfen".

Mitglieder der HDP, die kurdische Interessen vertritt, betrachte er nicht als "legitime politische Akteure", da die Partei angeblich als "Arm der Terrororganisation" PKK fungiere. Wieder einmal richtete sich der Politiker der islamistischen Partei AKP auch gegen Intellektuelle. Man habe sehen können, wie "so genannte Intellektuelle" sich über die Vorfälle äußern, schimpfte er, und das "präsidiale System" kritisieren. Auch Journalisten, Politiker und Akademiker seien vor der Strafverfolgung nicht sicher, Erdogan liegt vor allem daran, dass jetzt schnell die Immunität der HDP-Abgeordneten aufgehoben wird. Dabei identifiziert sich Erdogan mit dem Staat, den er offenbar verkörpert, und sieht schon jede Kritik an ihm als Staatszersetzung an:

Zu sagen "Tayyip Erdoğan sollte zurücktreten", bedeutet zu sagen: "Lasst die Überzeugung sein, eine Nation, eine Nationalflagge, ein Heimatland und einen Staat zu haben, worauf wir unsere gesamte Politik aufgebaut haben".

Erdogan