"Ihr werdet vernichtet!"

Abi-Krieg in der Domstadt: So zeigen Kölner Prüflinge 2016, wie es um ihre Reife bestellt ist

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Unter rheinischen Frohsinn kann man das nicht mehr fassen, was sich angehende Kölner Abiturienten nach ihrer Zulassung in mehreren Nächten da in Köln erlaubten. Höhepunkt war die Nacht auf Dienstag: Eine als "Parodie" gedachte "Schlacht" eskalierte - und geriet zur brutalen Fehde mit Verletzten und Schwerverletzten. Nebeneffekt: Ähnlich wie schon nach den Ereignissen von Silvester wird auch jetzt wieder Kritik an der Kölner Polizei laut.

"Fassungslos sei er, total erschüttert", so wird David R. am Tag nach der nächtlichen Straßenschlacht zitiert, die fand statt vor dem traditionsreichen Kölner Humboldt-Gymnasium in der Kölner Innenstadt, das damit seinen guten Ruf wohl erstmal ruiniert haben dürfte. Davids Jochbein gebrochen, sein Gesicht geschwollen, die Ärzte dachten zunächst, sein Augenlicht sei nicht zu retten. Nach bisherigem Kenntnisstand wurde mindestens ein weiterer Schüler schwer verletzt, etliche trugen zum Teil heftige Blessuren davon und mussten ärztlich versorgt werden.

Molotowcocktails, Böller, Glasflaschen, gefüllte Plastikflaschen, Eier und Steine kamen im Kölner Abi-Krieg zum "Einsatz". Vor dem Humboldt-Gymnasium ist es zu den bislang schwersten Abi-Ausschreitungen gekommen. An den Krawallen waren nach bisherigem Ermittlungsstand der Polizei rund 200 bis 300 angehende Abiturienten beteiligt. Eine Schülerin schildert die Krawalle in der Kölner Presse so:

Ich taumelte, bekam (…) noch mit, wie der Mitschüler, bei dem später der Schädelbruch festgestellt wurde, von mehreren Angreifern zu Boden gerissen wurde und wie sie danach noch auf ihn eintraten.

KSTA

Wie Zeugen berichten, waren viele vermummt, rückten mit Sturmhauben an. Als Flaschen und Böller flogen, schaukelten sich die Sache hoch: "Schweinerei" tönten die einen, "Aus Schweinen wird Haxe", grölten die Gegner. Eigentlich als harmlose Späße gedachte Schweine-Pullis und Wasserpistolen verloren alsbald ihre Unschuld. Es wurde gefährlich. Betroffen war aber nicht nur die Kölner Innenstadt.

Die Kölner Polizei, mal wieder machtlos?

"Einsätze mit Abi-Bezug", so die Kölner Polizei in einer vorläufigen Bilanz, "gab es an acht Gymnasien im Linksrheinischen, darunter das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium in Sülz, das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in der Severinstraße". Viele der Schüler seien betrunken gewesen, waren an größeren oder kleineren Aktionen beteiligt. Die Beamten stellten Spraydosen sicher, aber auch Drogen, Baseballschläger, eine zur Waffe umgebaute Fahrradkette und einen selbstgebastelten Speer.

Wir sind fassungslos. Die SCHWEINEREI 2016 bricht mit sofortiger Wirkung ihre abendlichen Mottowochenaktivitäten ab. Wir beenden außerdem ausdrücklich die Teilnahme am Abi-Krieg und raten allen anderen Gymnasien dies auch zu tun und sich von derartigen Gewaltausbrüchen, wie in den letzten Abenden zu distanzieren, da dies nichts mit Abiturienten zu tun hat. Facebookgruppe "Schweinerei 2016"

"Ich finde dieses Verhalten unerträglich", lamentiert der neue Polizeipräsident Jürgen Mathies in einer Stellungnahme, von "Reife kann man da nicht (…) sprechen". Jedoch, Schüler werfen den Beamten Tatenlosigkeit vor, das lässt an die Kölner Ereignisse an Silvester denken. Ein Schüler, der um Hilfe nachsuchte, erhielt seitens eines Beamten im Einsatz offenbar als Antwort: "Was ihr hier veranstaltet, ist Kindertheater. Dafür setze ich nicht mein Leben aufs Spiel."

"Abwarten, ihr Clowns!"

Inzwischen sah sich die Polizei genötigt, Sonderkommissionen einzurichten, die sich mit dem außer Kontrolle geratenen Treiben der Kölner "Schulkrieger" beschäftigen müssen. Dabei könnte helfen, dass sich die Schüler in Sozialen Netzwerken selbst outen und ihre Provokationen selber dokumentieren.

Ein Instagram-Account zum Beispiel, der sich dem stadtbekannten Kölner Leonardo-da-Vinci-Gymnasium zuordnet, zeigt martialische Fotos vermummter Schüler und gibt sich auch sonst kriegerisch. Schlagworte lauten etwa: #leonardoübernimmt, #wirvernichtenalle oder #eskannnureinenköniggeben. Zweiflern wird entgegen gehalten: "Abwarten ihr Clowns!".

Unterdessen wurde bekannt, dass in der Nachbarstadt Düsseldorf während der dortigen Abi-Mottowoche ein Hausmeister offenbar von Schülern niedergeschlagen wurde.