Tag Eins des EU-Türkei-Deals

Die Flüchtlinge kommen weiter nach Griechenland, die türkische Regierung verspricht, dass nicht mehr Menschen im Land bleiben werden

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Seit Sonntag steht die Drohung im Raum, dass alle von der Türkei nach Griechenland kommenden Flüchtlinge wieder abgeschoben werden und keine Chance haben sollen, in die EU zu gelangen. Der von der deutschen Regierung angeschobene Deal mit der Türkei soll endlich die Entlastung und die lange versprochene europäische Lösung bringen, koste es, was es wolle an Geld und an Glaubwürdigkeit.

Für die EU geht es um die effektive Reduzierung der Flüchtlingszahlen, die Türkei hat ihre Interessen eingebracht - mehr Geld, Aufhebung des Visumzwangs und Beschleunigung des EU-Beitrittsverfahren -, die Regierung muss nun aber die Bevölkerung in ihrem Land beruhigen, dass mit dem Deal nicht noch mehr Flüchtlinge in der Türkei bleiben. Bislang geht man von 2,7 Millionen syrischen Flüchtlingen aus. Die wenigsten sind in Lagern untergebracht.

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu erklärte, der Deal bedeute nicht, dass die Zahl der Flüchtlinge in der Türkei ansteigt: "Wir werden keine Flüchtlinge aus Europa aufnehmen." Wie das gehen soll, dürfte interessant sein. Denn nach dem Deal werden alle Flüchtlinge wieder in die Türkei zurückgeschoben, nur bei den syrischen Flüchtlingen ist vereinbart, dass an Stelle eines Abgeschobenen ein Syrer legal in der EU aufgenommen wird.

Danach würden aber erst einmal Iraker, Afghanen, Pakistaner etc. in der Türkei zurückgenommen werden, auch bei den Syrern würde es wohl eine Weile dauern, bis ein "berechtigter" Syrer in die EU reisen darf, wobei die EU-Staaten nur vereinbart haben, dass sie freiwillig diese aufnehmen werden, bislang gerade einmal etwas mehr als 70.000. Die Zahl war schon einmal vereinbart worden, allerdings zur Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland, Ungarn und Italien.

In der Türkei ist die Rede, dass nach zwei Wochen die ersten Flüchtlinge wieder aufgenommen werden sollen. Offiziell ist der 4. April anvisiert. Es ist noch nicht einmal klar, ob der Deal mit der Türkei überhaupt legitim ist. Offen bleibt auch, ob tatsächliche alle Flüchtlinge registriert werden können. Und offen ist auch, wie man auf die Weigerung von Flüchtlingen reagieren wird, wieder zurück in die Türkei abgeschoben zu werden. Zudem werden Menschen versuchen, den offiziellen Weg zu vermeiden.

Noch sind jedenfalls fast 50.000 Flüchtlinge in Griechenland, um die 12.000 in Idomeni an der mazedonischen Grenze. Tausende befinden sich noch auf den griechischen Inseln. Sie sollen nun möglichst schnell mit Fähren ans Festland gebracht werden - und damit auch in eine ungewisse Zukunft.

EU-Staaten wollen Mitarbeiter nach Griechenland schicken, um bei der Aufnahme bzw. Abweisung der Flüchtlinge behilflich zu sein. 2.300 wurden offenbar zugesagt, gekommen ist noch keiner. Politisch musste alles ganz schnell gehen, praktisch funktioniert das nicht.

Auch am Sonntag kamen weitere Boote auf die griechischen Inseln. Allein auf Lesbos 10 voll besetzte Schlauchboote. Gerettet wurden auf dem Meer 77 Flüchtlinge. Der Abschreckungseffekt des EU-Türkei-Deals wird sich erst zeigen, wenn wirklich konsequent abgeschoben wird. Im Internetzeitalter überzeugen bloße Drohungen nicht. Noch versuchen die Menschen, schnell in die EU zu kommen.

Bislang wird nicht bedacht, was als Folge des Deals in der Türkei geschehen wird. Wenn dort die Panik von Millionen ausbricht, keine Ausflucht mehr zu haben, wird das Nato-Land, sowieso schon heimgesucht von Terroranschlägen und einem Bürgerkrieg, noch weiter im Chaos versinken.