Krücken für die Braunkohle oder schnellstmöglicher Ausstieg?

Die Energie- und Klimawochenschau: Erneuerbare gewinnen global an Bedeutung, Investoren finden Lausitzer Kohlerevier unattraktiv und Ver.di verabschiedet einen zahnlosen Kompromiss

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Die Kohlendioxidemissionen aus dem globalen Energieverbrauch sind drei Jahre in Folge auf annähernd gleichem Niveau geblieben. Das geht aus vorläufigen Zahlen hervor, die die Internationale Energieagentur (IEA) vergangene Woche bekannt gab . "Die neuen Zahlen bestätigen die überraschenden, aber erfreulichen Nachrichten des letzten Jahres: Wir haben nun zwei aufeinander folgende Jahre die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen erlebt", sagte der Exekutivdirektor der IEA Fatih Birol.

2014 emittierte die Menschheit demnach 32,13 Gigatonnen CO2 aus fossilen Brennstoffen, 2015 32,14 Gigatonnen, während die Weltwirtschaft um rund 3% wuchs. Ausschlaggebend für die Entkopplung seien die erneuerbaren Energien. 90% der 2015 installierten Anlagen zur Stromerzeugung nutzten erneuerbare Quellen, wobei alleine Windenergieanlagen die Hälfte der Kapazität ausmachten.

Den weltgrößten CO2-Emittenten USA und China gelang es 2015, ihren Kohlendioxidausstoß zu senken, in beiden Fällen spielte dabei der Rückgang der Kohleverbrennung eine wichtige Rolle. Als positives Signal Chinas wertet das World Resources Institute (WRI) den neuen Fünfjahresplan. Werden dessen Ziele eingehalten, würde China die Kohlenstoffintensität seiner Wirtschaft bis 2020 um 48% gegenüber dem Basisjahr 2005 senken. Erstmals schreibt die Regierung eine Obergrenze für den jährlichen Energieverbrauch von 5 Milliarden Tonnen Steinkohleeinheiten fest.

So positiv die wachsende Bedeutung erneuerbarer Energien ist, so strittig dürfte die Rolle der Wasserkraft im globalen Energiemix sein. So fordern beispielsweise BUND und Euronatur anlässlich des Weltwassertages, "wertvolle Auen und Naturrefugien an Flüssen nicht weiter Staudämmen oder Wasserkraftwerksprojekten zu opfern". Die Nutzung der Wasserkraft sei weltweit mit Naturzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen verbunden.

Nur zwei Gebote für Vattenfalls Braunkohle

Kohle verliert scheinbar auch hierzulande an Attraktivität. Zum Ablauf der Gebotsfrist für Vattenfalls Braunkohlesparte in Deutschland sind zwei von vier Interessenten abgesprungen. Der tschechische Energiekonzern CEZ und die deutsche STEAG haben letztendlich kein Kaufangebot abgegeben.

Gebote sind damit nur von der tschechischen EPH-Gruppe, die bereits die MIBRAG besitzt, sowie von der Czech-Coal-Gruppe eingegangen. Es ist zu vermuten, dass beide nicht den Erwartungen des Verkäufers entsprechen. CEZ hat mitunter wegen des Strompreisverfalls von dem Geschäft abgesehen. Die STEAG schlägt derweil ein Stiftungsmodell vor. Mit Unterstützung des Finanzinvestors Macquarie will das Unternehmen die Lausitzer Braunkohle in eine privatrechtliche Stiftung überführen, die zunächst für den Weiterbetrieb, dann für den sozialverträglichen Ausstieg und Rekultivierung aufkommt. Das Stiftungsmodell böte für die STEAG den Vorteil, dass im zu erwartenden Fall nicht ausreichender Rücklagen doch der Staat eingreifen müsste.

Vordergründig betrachtet schlägt die STEAG einen ähnlichen Weg vor wie Greenpeace, mit dem kleinen Unterschied, nicht sofort aus der Braunkohle aussteigen zu wollen. Greenpeace errechnete einen negativen Wert von zwei Milliarden Euro, den Vattenfall für die Übernahme seiner Braunkohlesparte zuzahlen müsste, die mit dem Verkauf beauftragte Citigroup hatte die Umweltorganisation daraufhin im November vom Bieterverfahren ausgeschlossen. Medienberichten zufolge soll nun auch die STEAG von Vattenfall Geld für die Übernahme der Lausitzer Braunkohle fordern.

An STEAGs Stiftungsvorschlag dürfte der Vorstand der Bergbaugewerkschaft IG BCE Michael Vassiliadis nicht ganz unbeteiligt sein, auch er hatte kürzlich ein ähnliches Modell ins Gespräch gebracht, zusammen mit der Feststellung dass die Kohleverstromung noch mindestens 25 Jahre als Brückentechnologie erhalten bleiben sollte. Reichen die Einnahmen dann trotzdem nicht für die Folgekosten, müsste der Staat einspringen.

Ver.dis ambivalente Position

Zumindest die Gewerkschaft Ver.di, deren Vorsitzender Frank Bsirske Vassiliadis im vergangenen Jahr noch Rückendeckung gab, wagte am vergangenen Freitag ein zahnloses Bekenntnis zum Klimaschutz. Deutschland müsse seine ehrgeizigen Klimaziele einhalten, heißt es in einer Pressemitteilung vom Freitag.

"Flexible, schnell regelbare Kraftwerke auf Basis fossiler Energieträger werden noch für eine Übergangszeit benötigt, um die wetterabhängige Stromerzeugung von Wind- und Solarkraftwerken zu ergänzen", sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Andreas Scheidt. "Sollte sich herausstellen, dass es möglich ist, aus der Kohleverstromung schneller aussteigen zu können als bislang vorgesehen, muss die notwendige soziale Absicherung der Beschäftigten mit staatlichem Flankenschutz erfolgen", so Scheidt.

Der Gewerkschaftsrat hatte sich in der vergangenen Woche mit einem Änderungsantrag zu Ver.dis klimapolitischer Position befasst, den mit der Pro-Kohle-Politik ihrer Gewerkschaft unzufriedene Mitglieder gestellt hatten. Nachdem Bsirske im April 2015 die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagene Klimaabgabe scharf angegriffen hatte, drückten Tausende von Mitgliedern ihren Protest in Briefen und Unterschriftenaktionen aus, zuletzt auf der Plattform WeAct. In dem Änderungsantrag wurde ein Bekenntnis zum schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bei gleichzeitiger Absicherung der Beschäftigten gefordert, sowie ein Bekenntnis gegen die Erschließung neuer Tagebaue und zur Überprüfung der bestehenden.

Bei der Sitzung des Gewerkschaftsrats herausgekommen ist nun ein in sich widersprüchlicher Kompromiss. Zum einen heißt es: "Der Einsatz von Gas als Brennstoff hat Vorrang vor anderen fossilen Brennstoffen" und: "Der Strukturwandel hin zu einer CO2-armen Energiegewinnung und damit die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist unter Berücksichtigung der sozialverträglichen Umgestaltung der Arbeitsplätze, der Sozialverträglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, der Energieversorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit schnellstmöglich zu vollziehen." Zum anderen sollen Braunkohle und Steinkohle auch in den "kommenden Jahrzehnten" zur Sicherung der "unterbrechungsfreien Stromversorgung in der Übergangszeit" beitragen.

Für die Verfasser des Änderungsantrags ist unverständlich, warum von "Jahrzehnten" die Rede ist, da den Gewerkschaftsratsmitgliedern während der Sitzung die Kompromissformulierung "in den kommenden Jahren" angeboten wurde. Sie wollen sich aber nicht geschlagen geben und weiter für echten Klima- und Umweltschutz bei ver.di und auch bei anderen Gewerkschaften kämpfen.

Noch keine Lösung für Bürgerwindprojekte

Wir haben an dieser Stelle mehrfach darüber berichtet, dass Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach seine Klimaziele verfehlen wird (Abschied von den Klimazielen?). Gleichzeitig soll mit dem EEG 3.0 auch der Zubau von Windkraftanlagen deutlich beschränkt werden.

Auf dem Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende am 15. März in Berlin stolperte BMWi-Staatssekretär Rainer Baake dennoch nicht über die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen. Zum einen machte er deutlich, dass der erneuerbare Stromsektor wachsen muss, da die Dekarbonisierung im Wärme- und Verkehrssektor wahrscheinlich über Strom gedeckt werden würde, zum anderen verteidigte er die bescheidenen Ausbaukorridore der Bundesregierung.

Im Vordergrund der Diskussion stand aber die Frage, ob Bürgerenergiegenossenschaften an den ab 2017 geltenden Ausschreibungen für Windparks teilnehmen könnten, ohne zu große finanzielle Risiken einzugehen. Zwar werden im jetzigen Gesetzentwurf erstmals Bürgerenergiegesellschaften definiert, die bestimmte Bedingungen für die Ausschreibungen nicht erfüllen müssen, etwa die vorab erteilte Genehmigung des Projekts nach Bundesimmissionsschutzgesetz. Das Risiko, die Projektentwicklungskosten zu verlieren, bleibt aber für kleine Akteure existenziell.

"Energiegenossenschaften müssen nach dieser Regel zwei Jahre vor der Genehmigung ein festes Angebot abgeben, obwohl sie die Kosten ihres Projekts noch gar nicht abschätzen können. Das ist ein großes Risiko, denn da kommen schnell 100.000 Euro zusammen", so Josef Göppel, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Ein Ausweg wäre die De-Minimis-Regelung, nach der kleinere Windenergieprojekte auch ohne Ausschreibung gebaut werden können. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt diese jedoch ab. Bis zu 6 Windenergieanlagen mit insgesamt maximal 18 MW würden nach Europarecht unter die De-Minimis-Regelung fallen. "Wenn wir das anwenden, werden Ausschreibungen de facto nicht mehr stattfinden", so Baakes Einschätzung.

Greenpeace Energy und die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften schlagen ein sogenanntes "Listenmodell" vor, bei dem sich Bürgerenergiegesellschaften nicht direkt an Ausschreibungen beteiligen, aber an die auf diese Weise ermittelten Preise gebunden wären. Geplante Bürgerwindprojekte sollten auf einer Liste bei der Bundesnetzagentur vermerkt werden, bei der Umsetzung innerhalb einer bestimmten Frist erhielten sie dann die in der letzten Ausschreibungsrunde festgestellte Vergütung.