Ziel Brüssel: Der IS rühmt sich der Terror-Anschläge

Fahndungsfoto

Belgische Ermittler fahnden nach Verdächtigen; das Netzwerk belgischer und französischer Dschihadisten ist groß; rechte Politiker finden Erklärungen in der Identitätskrise der Europäer

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der IS hat sich über die Amaq Agency zu den heutigen Anschlägen in Brüssel bekannt. In der Mitteilung wird das Ziel Belgien damit erklärt, dass das Land an der internationalen Koalition gegen den IS beteiligt ist.

Bei der Amaq Agency - die auch bei der Terror-Attacke im kalifornischen San Bernardino im Dezember letzten Jahres (San Bernardino: Todeschützen "auf einer Mission") als Propaganda-Lautsprecher des IS in Erscheinung trat -, ist von Schüssen der Attentäter die Rede, bevor "einige von ihnen" ihre Sprengstoffgürtel zündeten. Der Anschlag im U-Bahnzug bei der Metrostation Maelbeek wird ebenfalls einem Selbstmordattentäter zugeschrieben. Als Bilanz gibt AA "230 Tote und Verletzte" aus.

Ein Bekennerschreiben des IS in französisch. Mit ein paar Abweichungen zum Text der Amaq Agency und der typischen Schablone vom Kampf gegen die Kreuzzug-Nationen, denen weitere "dunkle Tage" prophezeit werden

Das Krisenzentrum der belgischen Regierung, das heute Nachmittag in der Rue de la Loi in Brüssel tagte, teilte heute Nachmittag die Zahl von 10 Toten beim Anschlag am Flughafen und 20 Tote bei dem Anschlag in der Metro mit (Quelle: der öffentlich-rechtliche Sender RTBF). Die Zahl der Verletzten wird auf etwa 200 beziffert, darunter 17 in einem kritischen Zustand.

Erwähnt wurde in den RTBF-Beiträgen auch, dass eine Kalaschnikow am Flughafen gefunden wurde. Von Schüssen war bislang aber nicht die Rede. Gefunden wurde auch eine dritte Bombe, ob es ein Sprenggürtel war ist noch nicht bestätigt, wird aber vermutet.

Der dritte Mann

Veröffentlicht wurde ein Fahndungsfoto, das drei Männer mit Gepäckwagen am Flughafen zeigt. Zwei davon, die beiden Männer links auf dem Foto, sollen sich in der Abflughalle des Flughafens Zaventem in die Luft gesprengt haben. Der dritte Mann sei flüchtig, so der Fernsehsender. Möglicherweise.

Um den dritten Mann ranken sich die Spekulationen: Ob er möglicherweise einen weiteren Anschlag plant oder ob er für den anderen Anschlag in der U-Bahn verantwortlich ist. Zwischen dem Bomben-Anschlag auf dem Flughafen und dem in der U-Bahn lag mehr als eine Stunde. Zeitlich wäre das möglich, so Experten.

Möglich wäre auch, dass der Mann ähnlich wie Saleh Abdeslam im letzten Moment vor dem Selbstmord zurückscheute und das Weite suchte. Vermutet wird, dass es sich bei dem Mann, dessen Gesicht auf dem unscharfen Foto der Überwachungskamera wegen seiner Mütze und des Bartes schlecht zu erkennen ist, möglicherweise um Soufiane Kayal aka Najim Laachraoui handelt. Er gilt als Bombenbauer und hatte enge Kontakte zu Salah Abdeslam.

Die beiden wurden in einem Auto zusammen am 9.September letzten Jahres an der österreichisch-ungarischen Grenze kontrolliert. Dritter Mitfahrer war ein Algerier namens Mohamed Belkaïd, der am vergangenen Dienstag bei einer Polizeiaktion in Belgien erschossen wurde.

DNA-Proben von Kayal wurden in mehreren Unterschlupf-Wohnungen gefunden, die einmal mit den Attentaten in Paris im November in Verbindung stehen und zum anderen mit der Flucht von Salah Abdeslam, in einem Appartement in Schaerbeek, worauf sich auch heute die Fahndung konzentriert wurden Spuren von Najim Laachraoui und Bombenmaterial gefunden.

Najim Laachraoui, der 2013 nach Syrien gereist ist, gilt als Bombenbauer, weil seine DNA auch auf dem Bombenmaterial gefunden wurde, das bei den Pariser Anschlägen im November verwendet wurde.

Das sind bis dato Spekulationen, die noch mit Mutmaßungen darüber angereichert werden, inwieweit der festgenommene Saleh Abdeslam eine Hilfe bei der Fahndung sein kann. Die Anschläge in Brüssel hat die Kooperation, die man ihm kürzlich noch ausgewiesen hatte, jedenfalls nicht verhindert.

Mehrere Zellen, ein bereits vorbereiteter Aktionsplan

Das bestätigt die ersten Erkenntnisse aus seiner Festnahme: das Unterstützer-Netzwerk der Dschihadisten in Belgien ist größer als angenommen. Offensichtlich gilt dies auch für operative Zellen, wie der französische Dschihad-Experte Wassim Nasr zu Bedenken gibt. Anschläge, wie sie heute in Brüssel ausgeführt wurden, brauchen eine Planung, die nicht in 48 Stunden zu machen sei, und eine "Zelle", die unabhängig von Saleh Abdeslam operieren konnte.

So folgert Nasr, dass die Festnahme von Abdeslam die Umsetzung eines bereits vorbereiteten Aktionsplans beschleunigt haben könnte, um den Polizeiermittlungen zuvorzukommen. An einen Racheakt glaubt er wegen der nötigen Vorbereitungen nicht. Immerhin galt in Belgien Sicherheitsstufe 3 und insbesondere für Bahnhöfe und Flughäfen galten besondere Sicherheitsvorkehrungen.