In God's own Country schwindet der Glauben

Immer noch ist in den USA Religion wichtig, aber immer weniger Amerikaner beten, gehen in die Kirche und glauben an Gott

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Schon länger wurde durch Umfragen der Trend belegt, dass die bislang hochreligiösen Vereinigten Staaten, in denen eigentlich eine Trennung von Kirche und Staat besteht, allmählich in dieser Beziehung ins Zeitalter der Aufklärung kommen. Man war bislang oft davon ausgegangen, dass zwar die Kirchen als Institutionen und der von ihnen gelehrte Glaube an Bedeutung verlieren, aber durch eine freiere Spiritualität ersetzt werde. Aber auch damit scheint es nun zu Ende zu gehen, die Religion erodiert, wie eine neue Umfrage verdeutlicht.

Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Bernie Sanders repräsentieren vermutlich diesen Trend, während Hillary Clinton, eine Methodistin, zu suggerieren sucht, dass sie religiös ist. Das nehmen ihr auch viele Anhänger der Demokratischen Partei und fast die Hälfte der aller Amerikaner in einer Umfrage ab. Allerdings sehen noch mehr Barack Obama als religiös an. Für die Anhänger der Republikaner gilt sie jedoch mehrheitlich als nicht religiös. Dass solche Fragen, wie religiös Präsidentschaftskandidaten sind, im Vorfeld der Wahlen doch ziemliches Interesse auf sich ziehen, belegt die weiterhin vorhandene Kultur, die religiös grundiert ist.

Interessanter ist, dass ausgerechnet Donald Trump bei den Republikanern so gut ankommt, obgleich er als am wenigsten religiös gilt und in seiner Wahlkampagne auch kaum mit seinem Glauben punkten will. Mit Ben Carson und Marco Rubio sind bereits zwei Präsidentschaftskandidaten ausgeschieden, die sehr religiös sind. Noch im Rennen ist Ted Cruz, von dem in einer Umfrage im Januar 65 Prozent sagten, er sei religiös, darunter gingen 25 Prozent davon aus, dass er sehr religiös sei.

Aber was früher noch als Pluspunkt bei den konservativen Republikanern gegolten hat, hat diese Kraft verloren. Donald Trump sehen gerade 30 Prozent als religiös an (5% als sehr religiös), aber 60 Prozent sind der Meinung, er habe mit Religion nichts oder nicht viel zu tun. Letzteres sagen nur 43 Prozent von Clinton und 37 Prozent von Sanders, der ein säkularer Jude ist, der zwar für Religionsfreiheit eintritt, aber selbst von sich sagt, er sei nicht sonderlich religiös. Allerdings spielt Religion weiterhin für Republikaner-Anhänger eine Rolle. Je schlechter Trump eingeschätzt wird, desto höher gilt er als nicht-religiös, was auch heißt, Trump wäre für die meisten noch besser als Präsident geeignet, wenn er religiös wäre.

20-Dollar-Schein. Bild: gemeinfrei

Für die in Sage Open erschienene Studie über die Religiosität der Amerikaner werteten die Wissenschaftler fast 59.000 Angaben einer repräsentativen Umfrage zwischen 1972 und 2014 aus und stellten fest, dass die Zahl der Amerikaner, die beten, an Gott glauben, die Bibel wörtlich nehmen, Gottesdienste besuchen oder sich als religiös bezeichnen in den letzten Jahrzehnten - mit einem bemerkenswerten Anstieg Anfang der 1990er Jahre und besonders seit 2006 - drastisch geringer wurde. Das sei ein Problem des Glaubens, nicht der ebenfalls verbreiteten Skepsis gegenüber großen Institutionen wie der Regierung oder dem Kongress. Vor allem die jungen Menschen fallen reihenweise vom Glauben ab, nur ganz wenige mehr als 1998 bezeichnen sich als spirituell, und sowieso nur diejenigen, die älter als 30 Jahre sind. Einen Anstieg gab es überraschenderweise nur bei denjenigen, die an ein Leben nach dem Tod glauben. Das will man sich trotz Religionsverweigerung nicht nehmen.

2014 bezeichnete sich ein Drittel der 18-29-Jährigen als säkular, ein Fünftel wollte sich nicht einmal als spirituell verstehen. Bei den 18-22-Jährigen ist die Veränderung noch stärker. IN den 1970er Jahren sagten 11 Prozent, sie seien nicht religiös, 2014 machen 36 Prozent. Es bricht also, so die Autoren, nicht nur die institutionell bezogene Religiosität, sondern auch die private ein. Achtmal mehr aus dieser Altersgruppe sagten 2014, sie würden nicht beten, als Anfang der 1980er Jahre. Ende der 1980er Jahre sagten nur erstaunliche 13 Prozent, sie hätten Zweifel an der Existenz Gottes, 2014 sagten dies 22 Prozent (unter den 18-29-Jährigen 30 Prozent). Das ist für europäische Verhältnisse noch immer wenig, aber doch eine signifikante Zunahme. 14 Prozent nahmen in den 1980er Jahren die Bibel nicht als Wort Gottes wahr, 2014 sind es 22 Prozent.

Natürlich gibt es in den USA große Unterschiede. Während die Weißen zunehmend ihren Glauben verlieren, halten die Schwarzen an ihm fest. Im Westen der USA ist man deutlich weniger religiös als etwa im Mittleren Westen. Auch die Männer werden weniger religiös, die Frauen sind da noch zögerlicher oder konservativer. Und die Bildung spielt eine Rolle, wie man das "Opium für das Volk" betrachtet. Die Autoren sehen eine erhebliche Veränderung in der "religiösen Landschaft". Vor allem "Gruppen mit einer relativ hohen sozialen Macht sehen sich weniger bedürftig nach Religion oder Gott als in früheren Jahren". Eine wachsende Minderheit werde "entschieden nicht-religiös".

Leider wird in der Studie nicht gefragt, welche Folgen die schwindende Religiosität für die amerikanische Politik haben könnte. Wird sie isolationistischer, wie sich bei Trump andeutet, also weniger missionarisch und interventionistisch? Würde sie weniger neoliberal und dafür sozialstaatlicher?