USA verhaftet Erdogans Schützling Reza Zarrab

Damit gerät eine Schlüsselfigur des türkischen Korruptionssumpfs ins Visier

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Samstag wurde der türkisch-iranische Geschäftsmann Reza Zarrab am Flughafen von Miami verhaftet. Ihm und Kamelia Jamshidy und Hossein Najafzade wird vorgeworfen, das Iran-Embargo gebrochen, Geldwäsche und Bankbetrug begangen zu haben. Das Pikante: Er stand unter Erdogans Schutz.

Zarrab gilt als wichtige Schlüsselfigur im Korruptionsskandal in der Türkei im Jahr 2013, in den die Familie Erdogan direkt verwickelt ist und den Erdogan stets zu vertuschen suchte. Vielleicht wird jetzt ein Deckel zum türkischen Korruptionssumpf und zur türkischen Mafia geöffnet - das könnte für Erdogan ziemlich unangenehm werden.

Am 17. Dezember 2013 gab es umfangreiche Razzien bei Geschäftsleuten und AKP-Politikern, auch Erdogans Sohn Bilal stand damals im Focus. Mehr als 50 Personen wurden festgenommen, darunter Reza Zarrab, der als Hauptverdächtiger galt. Ihm warf man Bestechung von Ministern und hohen Beamten in Höhe von 34 Millionen Euro vor.

Als größter Goldhändler habe er den Ministern zudem großzügige Geschenke zukommen lassen, um seine Geschäfte mit dem Iran am US-Embargo vorbei tätigen zu können. Mit einem Netzwerk von Tarnfirmen soll er das Öl- und Gasembargo gegen den Iran umgangen haben. Bezahlt wurde in Gold. Istanbul ist bei Kennern bekannt als Goldschwarzmarkt, wo problemlos Geldwäsche betrieben werden kann.

In die Geschäfte verwickelt waren der Sohn des damaligen Innenministers Muammer Güler, der Sohn des Wirtschaftsministers Zafer Çağlayan, Bauminister Erdoğan Bayraktar und der Minister für europäische Angelegenheiten, Egemen Bağış. Alle 4 Minister mussten damals ihren Hut nehmen und zurücktreten. Auch Erdogans Sohn war in Geldwäsche involviert, wie damalige Telefonmitschnitte zwischen Erdogan und seinem Sohn belegten.

Bringe alles weg, was in deinem Haus ist", sagt die Stimme des älteren Gesprächsteilnehmers in einem Telefonat…. "Dein Geld ist im Tresor", antwortet die jüngere Stimme. In einem Gespräch.. sagt die jüngere Stimme, 30 Millionen Euro hätten noch nicht "aufgelöst" werden können. Sie fragt dann: "Soll etwas Geld bei dir verbleiben?" In einem fünften und letzten Telefonat warnt die ältere Stimme: "Sohn, du wirst abgehört."

Telefonmitschnitt

Erdogan bestritt die Echtheit der Mitschnitte und beschuldigte seinen ehemaligen Weggefährten Fetullah Gülen (er lebt heute im Exil in den USA), diese in Umlauf gebracht zu haben.

Erdogans Sohn Bilal steckt mittendrin

Kurz darauf tauchte ein weiteres Video von einem Gespräch zwischen Erdogan und seinem Sohn auf. Darin ging es um Ölgeschäfte zwischen der Türkei und dem Iran, die Sitki Ayan, ein Geschäftsmann aus der Ölbranche mit Genehmigung der Regierung tätigen sollte und wofür Bilal 10 Millionen Dollar erhalten sollte. Die Herkunft einer Spende von fast 100 Millionen Dollar für Bilals Stiftung Tüvgef, die im Dunkeln blieb, sorgte ebenfalls für wilde Spekulationen.

Auch soll er Kontakte zum saudischen Unternehmer Yasin al-Kadi gehabt haben, der in den USA wegen angeblicher Nähe zu al-Qaida als "Terrorist" gilt. Die Istanbuler Staatsanwälte, die Bilal Erdogan wegen seiner Kontakte zu al-Qaida zum Verhör vorluden, wurden auf Druck der Regierung Erdogan abgelöst.

Die Opposition forderte damals den Rücktritt Erdogans. Dieser bezichtigte indes die Gülen-Bewegung und warf ihr einen Putschversuch vor. In der Folge ließ er Justiz und Staatsapparat säubern: Tausende Beamte, vor allem Staatsanwälte, Richter und Polizeiführer wurden suspendiert, versetzt oder festgenommen - angeblich, weil sie der Gülen-Bewegung angehörten. Einige der Staatsanwälte, die die Hausdurchsuchungen und Verhaftungen angeordnet hatten, mussten sich in den darauffolgenden Monaten im Ausland in Sicherheit bringen. Die unter Korruptionsverdacht verhafteten Politiker und Geschäftsleute kamen nach zwei Monaten Ende Februar 2014 frei - unter ihnen auch Zarrab - ,die Ermittlungen wurden eingestellt. Erdogan stellte ihn unter seinen persönlichen Schutz und bezeichnete ihn als "Philantrophen", dessen Geschäfte dem Land genutzt hätten.

2015 wurde Reza Zarrab vom Vizepremier Numan Kurtulmus und vom Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci mit einem Preis für herausragende Exporterfolge ausgezeichnet. Er und seine iranischen Geschäftspartner Kamelia Jamshidy und Hossein Najafzadeh konnten ihre alten Geschäfte wieder aufnehmen und weitere Netze spinnen.

Auch Erdogans Sohn Bilal blieb nicht untätig. Er wanderte mit seiner Familie und einem Heer an Gefolgsleuten nach Bologna/Italien aus, angeblich, um sein Studium zu beenden. Im Februar 2016 geriet Erdogans Sohn aber erneut ins Visier der Fahnder, diesmal in Italien. Die italienische Polizei bezichtigte ihn der Geldwäsche. Hakan Uzan, ein türkischer Unternehmer, dessen Familie bei Erdogan in Ungnade gefallen ist, meldete den italienischen Behörden, Bilal habe große Geldsummen undeklariert nach Italien geschafft. Und immer wieder tauchte der Vorwurf auf, er mache Ölgeschäfte mit dem IS. Dies konnte ihm allerdings noch nicht nachgewiesen werden. Mittlerweile ist Bilal Erdogan auch aus Italien verschwunden. Mitsamt seinem Gefolge. Es heißt, er sei wieder in die Türkei zurückgekehrt.

Türken setzen große Hoffnung in US-Staatsanwalt Preet Bharara

Das türkische Mafia-Korruptions-Netz ist in vielen Bereichen aktiv: Geldwäsche, Waffenhandel, Goldschmuggel, Ölgeschäfte, Immobilienhandel, nicht zuletzt auch in der Organisation der Schlepperbanden. Zu beweisen ist das freilich sehr schwer, aber hinter vorgehaltener Hand wird dies überall in der Türkei diskutiert. Und dass ranghohe Politiker und Wirtschaftsfunktionäre involviert sind, bezweifelt niemand.

Vielleicht bringt der für den Fall Zarrab zuständige US-Staatsanwalt Preet Bharara Licht ins Dunkel. Er gilt als einer der Experten für die Aufdeckung von Waffenschmuggel und Geldwäsche und wird als der "Sheriff der Wall-Street" bezeichnet. Dann könnte es für einige türkische Regierungsmitglieder unter Umständen ungemütlich werden. In der Türkei ist sein Ansehen stark gestiegen, seit der Festnahme von Zarrab ist die Zahl derjenigen, die seinem Twitter-Account folgen, von 5000 auf 230.000 gestiegen.

Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der Oppositionspartei CHP hofft nun, dass alle schmutzigen Geschäfte ans Licht kommen. Er sagte nach der Festnahme von Zarrab: "Viele Leute werden heute Nacht kein Auge zutun."