Buback-Mord: Ermittlungen gegen Ex-RAF-Mitglied Stefan Wisniewski eingestellt

Das Attentat auf den Generalbundesanwalt von 1977 bleibt ungeklärt

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Die Akte Buback ist nun endgültig zu. Laut Süddeutscher Zeitung vom Donnerstag (24. März) hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen das frühere RAF-Mitglied Stefan Wisniewski nach mehr als acht Jahren Dauer eingestellt. In dem Verfahren ging es um die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977.

Buback war an jenem Tag, Gründonnerstag, morgens um 9 Uhr in Karlsruhe auf dem Weg zum Dienst von einem Motorrad aus erschossen worden. Mit ihm starben sein Fahrer Wolfgang Göbel und der Begleitbeamte Georg Wurster. Der Dreifach-Mord, mit dem der sogenannte "Deutsche Herbst" begann, bleibt ungeklärt. Fraglich ist, ob die Bundesanwaltschaft die Täter nicht ermitteln konnte oder nicht ermitteln wollte.

Der Fall Wisniewski führt zum Fall Verena Becker zurück und der wiederum zum Verfassungsschutz. Der Komplex zieht sich seit Jahren hin. Nebenbei tun sich erstaunliche Parallelen zum NSU auf.

Geöffnet worden war die Akte Buback im Jahr 2007, als sich der Sohn des Getöteten, Michael Buback, in die Auseinandersetzung um die RAF und die mögliche Begnadigung des inhaftierten Ex-RAF-Mitgliedes Christian Klar einmischte. Michael Buback hatte festgestellt, dass die Bundesanwaltschaft zwar Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts als die drei Täter von Karlsruhe führte, tatsächlich hatte aber nie ein Prozess wegen des Buback-Mordes stattgefunden. Wer die drei Attentäter namentlich waren, wurde nie geklärt. Die drei Genannten waren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden.

Der Verfassungsschutz ist eine Figur in der RAF-Geschichte

Michael Buback wollte wissen, wer der Mordschütze auf dem Motorrad war und setzte mit seinen Recherchen eine Entwicklung in Gang, die zunächst zu dem Ermittlungsverfahren gegen Stefan Wisniewski im Jahr 2007, dann zu dem Ermittlungsverfahren gegen Verena Becker im Jahr 2008 und schließlich zur Eröffnung des Prozesses gegen Becker in Stuttgart-Stammheim im Jahr 2010 führte. Dabei wurde unter anderem erstmals sichtbar, dass der Verfassungsschutz eine Figur in der RAF-Geschichte ist. Die Ermittlungen gegen Wisniewski gingen während des Becker-Prozesses im Hintergrund weiter.

Becker und Wisniewski hängen zusammen. Sie hatte ihn als den Schützen auf dem Motorrad bezeichnet - und zwar im Rahmen einer Vernehmung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Jahre 1981. Umgekehrt ist der Verdacht, dass sie selber die Schützin war, bis heute nicht ausgeräumt. Es gibt sogar Hinweise, dass beide, Becker und Wisniewski, an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnten.

Indizien belasten Verena Becker: Als sie zusammen mit Günter Sonnenberg Anfang Mai 1977, vier Wochen nach dem Attentat, festgenommen wurde, hatten die beiden nicht nur die Tatwaffe bei sich, sondern auch einen Schraubenzieher aus dem Werkzeugset des Tatmotorrades. Später konnte Becker außerdem ein Haar aus einem der Motorradhelme zugeordnet werden. Im Prozess sagten mehrere Zeugen aus, eine Frau als Schützin auf dem Tatmotorrad wahrgenommen zu haben.

Dem Gericht in Stuttgart reichte das nicht aus. Eine Beteiligung Verena Beckers als Täterin oder Mittäterin sah es nicht als erwiesen an, verurteilte sie im Juli 2012 aber wegen Beihilfe zu vier Jahren Haft, von denen zweieinhalb Jahre als vollstreckt galten. Ins Gefängnis musste Becker nicht mehr. Anfang 2014 wurde ihre Reststrafe zu Bewährung ausgesetzt. Das hatten nicht nur ihre Verteidiger, sondern bemerkenswerterweise auch die Bundesanwaltschaft beantragt.

Für die Anklagebehörde war das aber konsequent. Schon im Prozess fiel sie dadurch auf, die Angeklagte Becker eher zu entlasten als zu belasten, was zu ständigen Auseinandersetzungen mit dem Nebenkläger Michael Buback führte. Er war es, der den Prozess vorantrieb. Es entwickelte sich ein verblüffender Gegensatz zwischen Nebenklage und Bundesanwaltschaft, der größer war, als der zwischen Anklage und Verteidigung.

Eine Logik hat die Haltung der Bundesanwaltschaft vor dem Hintergrund der Geheimdienstkontakte Beckers. Die sind unbestritten. Umstritten ist lediglich der Beginn ihrer Verbindung zum BfV. Konkret: Erst nach oder schon vor dem Attentat?

Bemerkenswert schließlich: Während nach Überzeugung des Stuttgarter Gerichtes keiner der drei Täter identifiziert werden konnte, behauptet die Bundesanwaltschaft dem entgegen unverändert, die Buback-Attentäter seien Christian Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts gewesen.

Spuren, die seit langem bekannt sind

Die Beihilfe, die das Gericht Becker anlastete, bestand darin, innerhalb der RAF den Mord an Buback mitbeschlossen zu haben. Im Klartext: Sie wurde wegen Mitgliedschaft in der RAF verurteilt. Ein verhängnisvolles Urteil, weil in seiner Logik nun weitere Verfahren gegen RAF-Mitglieder angestrengt werden mussten. Die Bundesanwaltschaft eröffnete auch formal Verfahren gegen sechs Ex-RAFler, stellte die im Mai 2015 dann aber wieder ein. Begründung: Alle hätten wegen anderer Taten bereits Freiheitsstrafen verbüßt. Das Verfahren gegen Stefan Wisniewski aber lief weiter.

Das lag unter anderem daran, dass es für seine mögliche Mittäterschaft ernste Indizien gibt. Neben Becker hat auch das Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock Wisniewski belastet. Darüber hinaus geht aus dem internen Arbeitsplan der RAF zur Durchführung des Anschlages auf Buback hervor, dass Becker, Sonnenberg und Wisniewski im Dezember 1976 gemeinsam in den "Bereitstellungsraum abfahren" sollten, sprich: nach Baden-Württemberg. Bildeten diese drei also das Mordkommando?

Die Unterlagen fielen der Polizei im November 1976 in die Hände, als die beiden RAF-Mitglieder Siegfried Haag und Roland Mayer festgenommen wurden. Die Bundesanwaltschaft kennt diese Spuren also seit langem.

Als deren schillernde Rolle im Buback-Verfahren noch im Sommer 2012 beobachtet werden konnte, war sie in ähnlich zweifelhafter Weise bereits im nächsten Terrorismusverfahren tätig: dem des "Nationalsozialistischen Untergrunds".

In der Tat gibt es zwischen dem Buback-Verfahren und dem NSU-Verfahren erstaunliche Parallelen: Da sind die Verbindungen zwischen Geheimdienst und einer Terrorgruppe; die unzulänglichen Täterermittlungen; eine reduzierte Anklageschrift; Kooperationsverweigerungen des Verfassungsschutzes mit dem Gericht; oder auch der Konflikt zwischen Nebenklage und Bundesanwaltschaft, der den Zschäpe-Prozess in München ebenfalls prägt.

Vielleicht ergeben sich ja aus dem "NSU" noch Erkenntnisse über die "RAF".