Österreich: Asylanträge nur mehr in Ausnahmefällen zulassen

Ein Gutachten stellt fest, dass eine fixierte Zahl als Obergrenze für Asylanträge rechtlich nicht möglich ist. Die Regierung hilft sich auf andere Weise

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Die österreichische Regierung kündigte heute eine Verschärfung des Asylrechts an. Dessen Kern besteht darin, die Zulassung von Flüchtlingen zum Asylverfahren ab Mitte Mai deutlich einzuschränken.

Asylanträge würden dann nur mehr in Ausnahmefällen zugelassen, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Gestellt werden die Asylanträge nach ihren Vorstellung künftig nur mehr an der Grenze. In einem Schnellverfahren in sogenannten "Registrierzentren" soll darüber entschieden werden, ob Voraussetzungen für ein Asylverfahren vorliegen. Dazu erklärte die Innenministerin:

Wir werden keine Asylanträge zulassen, außer wir müssen das tun aufgrund gewisser Kriterien wie Artikel 8 Menschenrechtskonvention.

Im besagten Artikel 8 ist das "Recht auf Achtung des Privat-und Familienlebens" festgehalten. Laut der österreichischen Zeitung Standard gibt die Familienzusammenführung hier das Stichwort für die "Ausnahmefälle". Präzisiert wird das damit, dass ein Ausnahmefall gegeben ist, wenn die Kernfamilie (also etwa Vater, Mutter, minderjährige Kinder) bereits in Österreich ist.

Der andere Ausnahmefall, den Mikl-Leitner erwähnte, ist die Zulassung zum Asylverfahren bei Personen, "denen durch Zurückweisung in ein Nachbarland etwa eine unmenschliche Behandlung oder der Tod drohen würde".

In allen anderen Fällen, so gibt die Zeitung die Innenministerin wieder, sollen die Flüchtlinge in jenes Nachbarland zurückgeschickt werden, aus dem sie nach Österreich gekommen sind.

Spannend wird nun sein, wie die Reaktion aus der EU-Kommission in Brüssel oder vonseiten der Rechtsexperten ausfallen wird, die mit der österreichischen Zulassungsbeschränkung von Asylsuchenden nicht einverstanden sind. Grundlage für das geplante verschärfte Asylrecht ist ein Rechtsgutachten zur Frage der Obergrenzen.

Gutachten argumentiert mit öffentlicher Ordnung und innerer Sicherheit

Das lange erwartete und von der Regierung georderte Gutachten der Jura-Professoren Walter Obwexer und Bernd-Christian Funk stellt fest, dass die Richtwerte bzw. Obergrenzen als fixe Zahl ins Gesetz gegossen rechtlich nicht zulässig sind, aber es hat der Wiener Regierung offensichtlich eine Brücke gebaut. Die Gutachten hätten laut Bundeskanzler Werner Faymann ergeben, "dass es natürlich rechtliche Möglichkeiten gibt, die verschiedenste Gestaltungsspielräume erlauben".

Zum Beispiel über den Artikel 72 des EU-Vertrages, in dem es um "Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit" geht. Mikl-Leitner und Verteidigungsminister Doskozil berufen auf diesen Artikel, der ein Abweichen von EU-Asylregeln erlaube.

Dass die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit durch den Flüchtlingsstrom gefährdet sind, hat die EU-Kommission aus Sicht der Gutachter selbst bestätigt, "indem sie Grenzkontrollen im Schengenraum zugelassen hat".

Österreich (kann) sich dabei auf die Stellungnahme der Kommission zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen vom 23. Oktober 2015 stützen, wonach der massive Zustrom von "Personen, die (...) um internationalen Schutz nachsuchen (...), nach Auffassung der Kommission tatsächlich zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führen (hätte) können".

Auszug aus dem Gutachten

Man darf gespannt sein, was Brüsseler Rechtsexperten dem entgegnen. Schwierig dürfte auch die Rückschiebung nicht anerkannter Asylbewerber in die Nachbarländer werden.