Island: Piratenpartei könnte zur stärksten Partei werden

Weil der Ministerpräsident und zwei Minister Offshore-Firmen in Steueroasen betrieben haben, wankt die Regierung, gleichzeitig werden wieder US-Truppen auf der Insel stationiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gerade stolpert der isländische Ministerpräsident Sigmundur Gunnlaugsson von der Fortschrittspartei zusammen mit seinem Finanzminister Bjarni Benediktsson und seiner Innenministerin Ólöf Nordal, beide von der Unabhägigkeitpartei, über die PanamaPapers, geleakte Unterlagen der Kanzlei "Mossack Fonseca" aus Panama, die vom Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) ausgewertet wurden.

Alle drei haben über die Kanzlei Briefkastenfirmen in Steueroasen eingerichtet, der Ministerpräsident hatte mit seiner Frau die Firma "Wintris" über die Luxemburger Tochter der isländischen "Landsbanki"-Bank 2008 erworben und sie schnell 2009 an seine Frau für einen US-Dollar verkauft, nachdem er als Noch-Eigner ins Parlament eingezogen war. Der Sitz der Firma sind die Virgin Islands. Zuvor hatte die Finanzkrise Island erreicht, drei Banken gingen bankrott, darunter Landsbanki und Kaupthing, Wintris war mit mehreren Millionen Gläubiger von beiden Banken. 2013 wurde Gunnlaugsson Ministerpräsident, der u.a. über die Entschädigung der Gläubiger zu entscheiden hat - und gleichzeitig Begünstigter ist.

So holt also die Finanzkrise die Isländer wieder ein. Nachdem es Proteste gegen die Bankster und den Filz in der Politik gegeben hatte, 2009 kam es nach Wahlen zu einer sozialdemokratisch-grünen Regierung, deren Veränderungsschwung aber bald erlahmte und steckenblieb. Bei den Wahlen 2013 gewannen die wieder konservativen Parteien, unter Gunnlaugsson entstand eine Regierungskoalition der Fortschritts- und der Unabhängigkeitspartei. Gunnlaugsson versucht, sich zu rechtfertigen. Der Parteichef der Fortschrittspartei nimmt ihn in Schutz, seine Frau habe für die Briefkastenfirma schließlich Steuern bezahlt. Zudem sei sein Schweigen vor Vorteil gewesen, weil die Behörden und die Banken so über die Entschädigung am besten verhandeln könnten.

In einer Petition, die von mehr als 17.000 Menschen unterschrieben wurde, wird der Ministerpräsident zum Rücktritt aufgefordert. Für heute Nachmittag sind Proteste vor dem Parlament angekündigt. Die Veranstalter fordern Neuwahlen und verlangen von der Opposition, einen Misstrauensantrag zu stellen. Mehr als 5000 haben ihre Beteiligung angekündigt. Viel für ein kleines Land wie Island mit etwas mehr als 300.000 Einwohnern, in der Hauptstadt leben 120.000 Menschen.

Logo der isländischen Piraten

Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, hätte die 2012 gegründete Piratenpartei gute Chancen, zur stärksten Partei zu werden. Bei der letzten Umfrage, die noch vor dem Bekanntwerden der Panama Papers durchgeführt wurde, hatten 36,1 Prozent der Befragten angegeben, sie würden für die Piratenpartei stimmen, die Unabhängigkeitspartei käme auf 23,2 Prozent und die Fortschrittspartei auf 12,1 Prozent. Schon damit wäre eine Fortsetzung der Regierungskoalition nicht mehr möglich. Die Grünen haben sich mit 11 Prozent und die Sozialdemokraten mit 9,5 Prozent noch nicht wirklich erholt.

Im Januar lagen die Piraten bei einer Umfrage allerdings schon bei 42 Prozent, 36 Prozent erzielten sie bereits im November 2015. Das aber zeigt, dass die Piraten bereits eine stabile Anhängerschaft erreicht haben könnten. Bei den Wahlen 2013, als sie erstmals antraten, hatten sie es mit 5,1 Prozent gerade geschafft, ins Parlament einzuziehen. Angesichts der Erfolge der isländischen Parteien hoffen auch die deutschen, davon profitieren zu können.

Die Piratenpartei tritt für Bürgerrechte, Datenschutz direkte Demokratie, eine Copyright-Reform, Transparenz, Gleichheit, ein Mindesteinkommen, das zum Leben reicht, eine Förderung der kleinen Unternehmen und der Internetökonomie sowie für den Schutz der Gläubiger gegen die Banken ein. Die Piraten sagen, dass mit einem Volksentscheid über einen Beitritt zur EU entschieden werden müsste.

Eine F-15C. Bild: USAF

US-Luftwaffe kehrt auf isländischen Stützpunkt wegen der "russischen Aggression" zurück

Wie sich eine neue Regierung, möglicherweise unter einem Regierungschef der Piraten, zu der Stationierung von US-Truppen auf Island positionieren wird, dürfte spannend werden. Das US-Verteidigungsministerium hat vergangenen Freitag 12 Kampfflugzeuge des Typs F-15C Eagles mit 350 Mann an Personal im Rahmen der Operation Atlantic Resolve nach den Niederlanden und Island verlegt - erst einmal bis September 2016.

Damit kehren die US-Truppen wieder auf die Insel zurück, nachdem 2006 der Nato-Luft- und Marinestützpunkt Keflavík geschlossen wurde. Island, das sich nach der Finanzkrise lieber nicht mehr der EU anschließen wollte, ist zwar Nato-Mitgliedsstaat, hat aber, abgesehen von einer Küstenwache, kein eigenes Militär. Erstmals wurde Anfang Februar 2014 die Luftwaffenübung Iceland Air Meet 2014 (IAM2014) über Island abgehalten, das als Gastgeber fungiert.

Im September des letzten Jahres hatte US-Vize-Verteidigungsminister Bob Work gesagt, die US-Regierung habe der isländischen Regierung erklärt, dass wegen es wegen der "wachsenden russischen Aggression" - eine zur Formel erstattete Begründung aller möglichen militärischen Aktivitäten - notwendig werden könnte, den Stützpunkt wieder zu eröffnen: "Die Russen habe lange Transitflüge geflogen, die nahe an Island vorbeigehen, aber kürzlich hätten sie mehrere Umrundungsflüge gemacht." Island habe sich daher interessiert an einer engeren militärischen Kooperation gezeigt.

Man müsse nur Hangars vergrößern, in denen früher die Seeaufklärungs- und U-Boot-Jagdflugzeuge untergebracht waren, um sie für die größeren P-8A Poseidon-Flugzeuge der US Navy geeignet zu machen, mit denen nach russischen U-Booten Ausschau gehalten werden soll. Es gäbe hier viel Platz für neue Einrichtungen, erklärte der Kommandeur des Stützpunkts. Die isländische Regierung hatte abgestritten, dass die Idee, den Stützpunkt wieder zu eröffnen, von ihr gekommen sei. Es hätten zwischen den Regierungen auch keine Gespräche deswegen stattgefunden.

Noch im Februar hatte der isländische Außenminister Gunnar Bragi weiterhin erklärt, dass keine Gespräche über eine permanente Stationierung von US-Truppen geführt worden seien. Man wisse nicht was kommen werde, die Sicherheitslandschaft in Europa habe sich verändert. Es werde mehr Beobachtung um Island stattfinden: "Wir begrüßen mehr Aktivität. Das stärkt unsere Verteidigung und unsere Sicherheit", aber es gehe nicht darum, dass 2-3000 Menschen und viele Flugzeuge hier stationiert werden sollen: "Wir sprechen lediglich darüber, die notwendigen Veränderungen an den Hangars vorzunehmen, damit neue Flugzeuge kommen und gewartet werden können." Nach Stars and Stripes würde die US Navy auch nur vorübergehend Flugzeuge dort stationieren, später würde man überlegen, die dort stationierten Mannschaften regelmäßig auszutauschen.

Jetzt also sind erst einmal Kampflugzeuge der US Air Force, nicht der Navy geschickt worden. Gut möglich, dass ein weiterer Ausbau geplant ist. Die Regierung, die mit den Panama Papers ins Straucheln geraten ist, hat nun erst einmal andere Probleme als die Rückkehr des US-Militärs. Aber die Heimlichtuerei, was Abmachungen mit Washington betrifft, dürfte der Regierungskoalition weiter schaden.