Erdogan: "Sie können nicht einmal unsere Mitbürger sein"

Der türkische Präsident will Oppositionellen und "PKK-Anhängern" die türkische Staatsbürgerschaft entziehen

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Erdogan will im Kampf gegen die PPK alle Mittel ergreifen und sprach davon, allen "PKK-Anhängern" die türkische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Das könnten letztlich die Mehrheit der Kurden im Südosten der Türkei und viele Erdogan-Kritiker sein.

"Wir müssen alle Maßnahmen treffen, dazu gehört, die Anhänger der Terrororganisation unschädlich zu machen, was auch einschließt, ihnen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Sie können nicht einmal mehr unsere Mitbürger sein", sagte Erdogan vor Anwälten am Dienstag in Ankara. Davor erklärte er martialisch: "Vielleicht sterben wir einer nach dem anderen, aber letztlich töten wir sie zu Dutzenden. Das wird so weitergehen."

ZU den PKK-Anhängern gehören seiner Auffassung nach nicht nur die militanten Kurden, sondern auch seine Kritiker - Akademiker, Journalisten und Politiker -, die "wie ein Wolf im Schafspelz" agierten. "Diese Leute haben es nicht verdient, unsere Mitbürger zu sein", zitiert der Focus Erdogan. "Wir sind nicht dazu verpflichtet, Leute mitzutragen, die ihren Staat und ihr Volk verraten." Die Unterstützer der PKK seien "auch nicht anders als Terroristen, die Bomben werfen". Es sei nicht zulässig, "Verrat an Staat und Nation" zu begehen.

Gemeint sind also nicht nur die PKK-Leute, sondern tendenziell alle Oppositionellen und Kritiker. Jegliche Kritik an seiner Politik fasst er sowieso als persönliche Beleidigung und als Verrat an Staat und Nation auf. Wer dann auch noch den Kurden - ein Millionenvolk - die Anerkennung als ethnische Minderheit und einen Autonomiestatus zuerkennen will, gilt als Vaterlandsverräter und Spalter der Nation. Politikern wie den Vorsitzenden der linksliberalen HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag und anderen kritischen Abgeordneten, droht deshalb auch der Entzug der parlamentarischen Immunität.

Regierungschef Davutoğlu folgte wie immer dem Chef und erklärte ebenfalls in einem deutlich völkisch-nationalistischen Sinn gestern: "Niemand sollte von uns erwarten, dass wir uns an die Terrororganisation, die Waffen und Blut an den Händen hat, als Verhandlungspartner wenden. Von jetzt an haben wir einen einzigen Gesprächspartner, das ist unsere Nation und jeder Einzelne unserer Nation."

Die türkische Justiz hat bisher 1845 Verfahren wegen "Präsidentenbeleidigung" eingeleitet - in den ersten 1,5 Jahren seiner Präsidentschaft. Mehr als in den 14 Amtsjahren seiner Vorgänger Ahmet Necdet Sezer und Abdullah Gül zusammen. Selbst Kinder sind nicht vor Repressionen sicher. Im Oktober 2015 wurde in der zentraltürkischen Stadt Bünyan ein 14-jähriger Schüler verhaftet, weil er angeblich auf Facebook Erdogan beleidigt hätte. Ebenso wegen Beleidigung auf Facebook wurde ein 13-Jähriger in Ayvalik festgenommen. Ein 17-Jähriger wurde wegen "Präsidentenbeleidigung" zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Die Aberkennung der türkischen Staatsbürgerschaft für Regimegegner erinnert stark an die Politik des Vaters von Baschar al Assad in Syrien, der 1962 einem Teil der Kurden die syrische Staatsbürgerschaft aberkannte und arabische Stämme im historischen Siedlungsgebiet der Kurden ansiedelte, um die Demografie zu seinen Gunsten dort zu verändern.