Das lange Ende des baren Geldes

Eine soziologische Betrachtung

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In einigen Ländern Europas (Deutschland, Skandinavien) geht ein neues Gespenst um: das Gespenst der Abschaffung des Geldes. Vorab geht es einmal "nur" um die Abschaffung des Bargeldes, (noch) nicht um das Geld als solchem, doch dieser Prozess der Entmaterialisierung wird mit allerlei Ängsten und Horrorszenarien verkoppelt, die es wert sind, näher unter die Lupe genommen zu werden und die wahrhaft vor dem Horizont der Abschaffung des Geldes gelesen werden müssen.

Was in diesen Ländern in den letzten Wochen für Aufregung gesorgt hat, sind eigentlich ziemlich banale Maßnahmen. Es geht

  • um die Plafonierung von Barzahlungen (eine Juwelenkette kann nicht mehr mit fünfzig 500 Euro-Scheinen bezahlt werden),
  • um die Rücknahme und Abschaffung von Noten mit hohen Nennwerten (besagte 500 Euro-Scheine) und
  • viel allgemeiner, um die Ersetzung von Bar- durch E-money-Zahlungen.

Banal sind diese Vorgänge, weil sie in etlichen Ländern Europas, aber auch Afrikas, Asiens und Amerikas schon längst durchgeführt worden sind, ohne zu den Horrorszenarien geführt zu haben, die man heute in Deutschland und anderenorts anhören muss. Zu diesen Befürchtungen gehören folgende Erscheinungen:

  1. Man will verhindern, dass durch die Negativverzinsung der Sparguthaben die Sparer von einem Rückzug in die Barwerte abgehalten werden. Manche sprechen sogar von einem bevorstehenden Bail-in, d.h. von einer Finanzierung der nächsten Finanz-Krise durch Zugriff auf Sparguthaben anstelle einer wie bisher erfolgten Finanzierung durch Steuergelder (Bail-out).
  2. Da Noten und Münzen anonyme Zahlungsmittel darstellen, befürchtet man eine Bespitzelung des Konsumenten, dessen Konsum- und Zahlungsgewohnheiten kontrolliert und modelliert werden können. Generell sieht man darin eine Einschränkung der persönlichen Freiheit.
  3. Der Übergang zu E-money-Zahlungen lockert die Zahlungsdisziplin und kann in bestimmten Fällen zu Überschuldungen führen (Rosalie goes shopping-Syndrom.

Diese heute in einer breiten Öffentlichkeit heiß diskutierten Ängste treffen alle zu. Nun werden sie von Seiten der E-money-Propagandisten mit entsprechenden Gegenargumenten konfrontiert:

  1. Die Sache mit dem Bail-in sei nur Angstmacherei und beruhe auf dem höchst problematischen Schreckensszenario einer bevorstehenden Finanzkrise. Dies sei insofern gefährlich, als eine solche Angstmacherei eine sich selbst verwirklichende Prophezeiung (Bank-run) darstellen könnte.
  2. Die Anonymität des Bargeldes begünstige Schattenwirtschaft und Korruption, Drogenhandel und Erpressungsgeld. Vor den Kosten einer solchen Kriminalität seien die Risiken eines "tracierbaren" E-Geldes unbedeutend. Überwachung sei der Preis für die Entkriminalisierung des Geldes.
  3. Der Umgang mit E-Geld müsse erlernt und durch den Bank- und Finanzsektor begleitet bzw. überwacht werden. Entsprechende Normen, Regulierungen und Routinen müssten aufgestellt werden, um solche Entgleisungen zu verhindern.

Man könnte nun weitere Argumente pro und contra auflisten. So etwa auf Friedrich von Hayeks These der Entnationalisierung des Geldes hinweisen, wonach das Emissionsmonopol des Staates aufgehoben und durch eine Konkurrenz von Privatwährungen ersetzt werden sollte.

Einen Schritt weiter gehen die Computerbanken, deren Ziel es ist, nach dem Monopol des Staates das Quasimonopol der Kreditvergabe der klassischen Banken zu untergraben. Und einen Schritt weiter noch das Phänomen Bitcoin, bei welchem es darum geht, die horrenden Renten der Privatbanken in Form von Kommissionen durch einen Algorithmus zu ersetzen, der Zahlungen fast gratis macht. Über all dies wird heute debattiert, und es scheint, dass sich ein öffentlicher Diskurs gebildet hat, bei welchem alle Karten auf dem Tisch sind.

Weit gefehlt! Denn unsere These ist, dass in dieser Debatte ganz wesentliche Aspekte ausgespart worden sind, Aspekte, die auch in der vorangehenden Debatte, als in anderen Ländern der Welt das E-Geld eingeführt wurde, vernachlässigt, wenn nicht ignoriert wurden. Daher vielleicht die Chance im neuerlichen Disput die Debatte neu aufzunehmen

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