Machteliten: Sie wollen doch nur das Beste für den Planeten

Das Bilderberg-Hotel in Oosterbeek, wo 1954 das namensgebende erste Treffen stattfand. Foto: Michiel1972. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Ein Kommentar zur Debatte um die Bewertung der Bilderberg-Konferenz

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Was ist schon dabei, wenn sich 130 führende Persönlichkeiten für drei Tage zu einer Konferenz hinter verschlossenen Türen treffen? Wo liegt das Problem, wenn sich fernab der Öffentlichkeit der Vorstandsvorsitzende der Airbus Group, die Bundesverteidigungsministerin oder der ehemalige Oberkommandierende der NATO über Themen wie das Prekariat, die Mittelklasse oder Geopolitik unterhalten? Darf es den Mächtigen nicht gestattet sein, gemeinsam über die Probleme dieser Welt zu diskutieren, ohne dass die Presse jedes gesagte Wort auf die Goldwaage legt? Haben nicht auch die Weltenlenker und Wirtschaftskapitäne ein Recht darauf, sich in einem privaten Rahmen untereinander auszutauschen und in Ruhe zu diskutieren?

So berechtigt diese Fragen auch vordergründig sein mögen, so gefährlich für die Demokratie ist die Naivität, die in ihnen wurzelt.

Zum Vorschein kommt darin eine Haltung, die mit einer nur schwer zu ertragenden Portion Realitätsverweigerung das Bild einer Elite zeichnet, das in seiner Eindimensionalität allenfalls etwas für den Sachkundeunterricht in der Grundschule sein könnte. Doch wer die Tage die Berichterstattung verfolgt, muss feststellten: Oft genug bahnt sich in Sachen Bilderberg (Bilderberg-Konferenz: Prekariat soll Thema sein) eine naive demokratietheoretische Betrachtung ihren Weg, die an Einfalt kaum zu überbieten ist.

Die eingeladenen Eliten und Machteliten, so der Tenor, geben dem erlauchten Gremium die Ehre, um sich im Rahmen eines netten Kaffekränzchens gegenseitig den Nacken zu kraulen und nebenbei bereichern sie die Zusammenkunft bei politischen Debatten durch ihr großes Wissen und ihre exponierte Stellung innerhalb der Gesellschaft. Zwischendurch genießt man ein gutes Essen oder geht gemeinsam in die Sauna. Bilderberg: ein Debattierclub mit Wohlfühlcharakter.

Machtstrukturen im Windschatten der Demokratien

Wer so die Bilderberg-Konferenzen wahrnimmt und beschönigt, ignoriert das Phänomen einer Elite, die sich aus den demokratischen Strukturen (aber auch aus der Gesellschaft) ausdifferenziert. Wer Bilderberg das Etikett der legitimen privaten Diskussionsrunde anhaftet, verharmlost die diskreten Formen von Macht, Herrschaft und Beeinflussung, wie sie in Demokratien existieren. Wer Bilderberg zum bloßen Plauderründchen der gesellschaftlichen Eliten verklärt, bemäntelt die Machtstrukturen, die sich im Windschatten der Demokratien befinden und aus deren Innern heraus massiver Einfluss auf politische Prozesse genommen wird.

Die Gefahren für die Demokratie, die sich aus einer machtelitären Beeinflussung der Weltpolitik ergeben, scheinen für die Verharmloser der Bilderberg-Konferenzen nicht existent. Wenn Machteliten zusammenkommen, um gemeinsam in einem vorgelagerten politischen Formierungsprozess die Marschrichtung der Weltpolitik zu kartographieren - und sei dies auch erst einmal nur gedanklich -, dabei aber Vertreter von weiten Teilen der Gesellschaft ausklammern, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Politik, die in erster Linie die Interessen ihrer Impuls- und Ideengeber berücksichtigt, groß.

Nein, Bilderberg ist keine geheime Weltregierung. Ja, politische Gestaltungsprozesse sind komplex. Sie unterliegen einer Vielzahl von inneren und äußeren Einflüssen. Nein, die Machteliten, die bei Bilderberg zusammen kommen, sind nicht allmächtig. Auch sie mögen oft, trotz all ihres Einflusses, den Eigendynamiken politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen nichts entgegenzusetzen.

Aber mindestens so falsch, wie Bilderberg Allmächtigkeit zu unterstellen, wäre es, die Reichweitenmacht der Konferenzteilnehmer zu unterschätzen. Der US-amerikanische Soziologe Charles Wright Mills, dessen Theorie der Machtelite sich in diesem Jahr zum 60. Mal jährt, hat in seinem längst zu einem Standardwerk der kritischen politischen Soziologie gehörenden Buch "The Power Elite" überzeugend aufgezeigt, dass Machteliten weder allmächtig, noch ohnmächtig sind. Ihre Macht liegt irgendwo dazwischen - und damit übersteigt sie bei Weitem die Handlungsmacht der "einfachen" Menschen.

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