Großbritannien baut neue Atomsprengköpfe

Ein mit Trident bewaffnetes U-Boot der Vanguard-Klasse. Bild: LA(Phot) Will Haigh/MOD/OGL

Auch die Finanzierung von neuen Atom-U-Booten ist umstritten, Zahlen legt die Regierung lieber mal nicht vor

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Die Debatte um die Modernisierung der britischen Atom-U-Boote ist noch nicht zu Ende, da kommt ans Licht, dass der Bau neuer Atomsprengköpfe schon begonnen hat. Wie der Nuclear Information Service (NIS) berichtet, arbeitet die nationale Atomwaffenfabrik, das Atomic Weapons Establishment (AWE) in Berkshire, längst daran, die aktuellen Trident-Atomsprengköpfe zu "Mark 4A"-Sprengköpfen aufzurüsten. Diese sollen präziser und zerstörerischer sein, heißt es in dem Bericht.

85 Millionen Pfund seien dafür bereits ausgegeben worden. Die Arbeit an den Sprengköpfen sei eine britisch-amerikanische Kooperation, so der NIS. Neue Sprengköpfe seien in den Sandia National Laboratories in den USA getestet worden. Durch die Modernisierung könnten die Sprengköpfe bis Mitte des Jahrhunderts einsatzbereit bleiben.

Kostspielige U-Boote

Die Modernisierung der Atom-U-Boote ist in Großbritannien hoch umstritten. Dabei geht es darum, dass die vier U-Boote in den kommenden Jahren aus Altersgründen ausgemustert werden müssen, auf denen die Trident-Atomraketen stationiert sind. Doch die Neuanschaffung ist teuer. Ursprünglich war von 20 Milliarden Pfund die Rede, Kritiker rechnen aber mit 100 Milliarden. Eine endgültige Entscheidung über die Modernisierung ist noch gar nicht gefallen, es wird erwartet, dass die Regierung noch in diesem Jahr einen entsprechenden Antrag im Parlament vorlegt.

Inzwischen liegen die offiziellen Kosten bei 31 Milliarden Pfund, plus 10 Milliarden für den Fall, dass die Neuanschaffung teurer wird. Genaue Angaben gibt es nicht, die Campaign for Nuclear Disarmament (CND) rechnet aber mit tatsächlichen Kosten von 205 Milliarden Pfund.

Die Weigerung der Regierung, exakte Zahlen zu veröffentlichen, auf die man sie später festnageln könnte, brachte ihr spöttische Schlagzeilen ein wie "Großbritannien hat keine Ahnung, wie viel sein neues Nuklearwaffensystem kosten wird", so etwa der "Business Insider".

Gelegenheit zum Ausstieg

Schon allein aus finanziellen Gründen stellt sich deshalb die Frage: Lohnt sich die Modernisierung oder wäre es nicht eine gute Gelegenheit für Großbritannien, aus dem Club der Atommächte auszuscheiden? Immerhin verpflichtet der Atomwaffensperrvertrag die Atommächte in Artikel VI, langfristig abzurüsten. Außerdem, so argumentieren Atomwaffen-Gegner, hat Großbritannien wahrlich andere Probleme - vom Islamischen Staat bis zu Cyberkriegen. Von daher solle das Geld besser in die Ausrüstung der britischen Armee gesteckt werden als in Atomwaffen.

Die regierenden Konservativen sind für die Atomwaffen, die Liberaldemokraten gingen 2013 dagegen auf Distanz. Der damalige Parteichef Nick Clegg nannte die Atom-U-Boote ein Relikt des Kalten Krieges, das nicht mehr in die heutige Zeit passe. "Wir haben auch keine Armee an den Weißen Klippen von Dover stationiert für den Fall, dass jemand eine Invasion über den Kanal versucht", sagte er damals.

Test-Abschuss einer Trident-Rakete. Bild: DoD

Problem für Jeremy Corbyn

Labour dagegen ist tief gespalten. Labor-Premier Tony Blair hatte die Modernisierung 2006 mit dem White Paper seiner Regierung zur Zukunft der nuklearen Abschreckung auf den Weg gebracht. Auch die letzte Labour-Regierung unter Gordon Brown hatte die Modernisierung befürwortet.

Der aktuelle Parteivorsitzende Jeremy Corbyn wiederum, der gegen das Parteiestablishment an die Spitze von Labour kam, ist ein langjähriger Anti-Atomwaffen-Aktivist. Von einem Gordischen Knoten der Labour Partei spricht deshalb Stuart Campbell, der Gründer des Blogs "Wings over Scotland".

Denn natürlich gibt es immer noch Labour-Abgeordnete vom rechten Flügel der Partei, die an der alten Tony Blair/Gordon Brown-Linie und den Trident-U-Booten festhalten wollen. Mit einem eigenen Report über "Mythen, Science Fiction und grobe Ungenauigkeiten" um Trident wollen sie Corbyn unter Druck setzen, wie der Guardian berichtet. Die neue Kritik an Corbyn kommt, wie der Guardian schreibt, von Hinterbänklern der Partei. Ihr Sprecher ist John Woodcock, in dessen Wahlkreis Barrow die U-Boote gebaut würden.