Europaparlamentarier fordern Korrektur der Russlandsanktionen

Außenminister Ungarns und Vizeaußenminister Griechenlands gegen automatische Verlängerung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 28. Und 29. Juni verhandeln die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem Gipfeltreffen über eine Verlängerung ihrer im Zuge der Ukrainekrise verhängten Sanktionen gegen Russland. Die Europaabgeordnete Rachida Dati, die von 2007 bis 2009 französische Justizministerin war, bezeichnete diese Sanktionen in einem gemeinsam mit dem Forza-Italia-Europaabgeordneten Stefano Maullu und zehn weiteren Europapolitikern verfassten offenen Brief als teuren Fehler, den man schnellstens korrigieren sollte.

Die Sanktionen schadeten wegen der russischen Gegensanktionen nicht nur der Landwirtschaft in den EU-Mitgliedsländern erheblich (vgl. Online-Banking erleichtert die Geldwäsche): Der Verlust von Russland als Partner der EU schafft ihrer Ansicht nach auch unnötige sicherheits- und außenpolitische Probleme, weil der Austausch über Informationen zu salafistischen Terrorgruppen wie dem IS nicht in vollem Umfang geschieht. Wir müssen, so die arabischstämmige Abgeordnete, "lernen, verantwortungsvoll und sachlich zu handeln" und Real- vor Idealpolitik setzen - dabei habe man keine Wahl, sondern werde von der Außenwelt dazu gezwungen.

Auch Senat und Nationalversammlung für Lockerung

Am Mittwoch hatte die zweite französische Parlamentskammer, der Senat, mit einer sehr breiten Mehrheit von 302 zu 16 Stimmen die französische Regierung dazu aufgefordert, die Sanktionen gegen Russland zu lockern und den Dialog mit russischen Politikern durch die Aufhebung von Reisebeschränkungen zu erleichtern.

Die erste Parlamentskammer, die Nationalversammlung, hatte solch eine Empfehlung bereits am 28. April verabschiedet. Diese Resolutionen können den sozialdemokratischen französischen Präsidenten und seine Regierung zwar nicht zu einer Sanktionslockerung zwingen, sollen dem korsischen Senator Yves Pozzo di Borgo nach aber ein "Signal" sein, "sich Gedanken zu machen" - auch an Politiker in anderen europäischen Ländern.

Ungarn und Griechenland wollen automatische Verlängerung verhindern

Das empfahl seinen Amtskollegen in den EU-Mitgliedsländern auch der ungarische Außenminister Péter Szijjártó, der ankündigte, sein Land werde "eindeutig keine automatische Entscheidung zur Verlängerung der Sanktionen treffen", sondern "eine Diskussion auf hoher politischer Ebene" erzwingen. Unterstützt wird er dabei vom griechischen Vize-Außenminister Nikos Xydakis, der in einem Interview mit dem russischen Portal Sputniknews ebenfalls erklärte, die Sanktionen dürften nicht automatisch verlängert werden.

Stattdessen, so Xydakis, müsse man berücksichtigen, dass seit dem Ausbruch der Ukrainekrise viel passierte und dass es zu Vereinbarungen zur Beilegung dieser Krise kam. Außerdem müsse man den Schaden mit einbeziehen, der beiden Seiten durch die Sanktionen entsteht, und sich überlegen, "wie unsere Beziehungen wieder in Gang gesetzt werden können".

Gesichtswahrender Teilausstieg?

Bloomberg-Kolumnist Leonid Bershidsky hatte bereits Ende Mai prognostiziert, dass der Westen einen halbwegs gesichtswahrenden Ausweg aus den Sanktionen sucht, nachdem sich in den beiden Staaten, die hauptsächlich dafür verantwortlich waren, einiges änderte:

In den USA wird im November ein neuer Präsident gewählt. Und anders als von der politischen Elite erwartet haben die Amerikaner dabei nicht die Wahl zwischen zwei Sanktionsbefürwortern, sondern zwischen einer Interventions-Außenpolitikerin der alten Schule und einem Nichtpolitiker, der meint, er könne sich mit Putin gut vertragen.

Hinzu kommt, dass es sich die ukrainische Staatsführung Bershidskys Informationen nach durch Unfähigkeit und mangelnde Kompromissbereitschaft inzwischen sogar mit der US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland verdarb, die als größte "Russenfresserin" in Barack Obamas Administration gilt.

In Deutschland sitzt Bundeskanzlerin Angela Merkel weit weniger sicher im Sattel als zu Beginn der Sanktionen 2014. Ihre drei Regierungsparteien kamen in den letzten beiden INSA-Umfrage nun noch auf 49 Prozent (vgl. Deutschland: Koalition unter 50 Prozent), in Europa ist sie immer stärker isoliert und in Bayern fragt sich die CSU ganz offen, ob man sie bei der nächsten Wahl überhaupt noch als Kanzlerkandidatin bewerben soll.

Ein gesichtswahrender Ausstieg aus der Politik Merkels und Nulands könnte Bershidsky nach zum Beispiel dadurch geschehen, dass man die den Sanktionen nicht ganz aufhebt, aber das "Menü" ändert und beispielsweise den Banken wieder erlaubt, mit russischen Staatsanleihen zu handeln.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.