"Der Zustand des Klimasystems ist alarmierend"

Eisbedeckung des arktischen Ozeans im Mai aus Satellitendaten seit 1978. In diesem Jahr hat der Rückgang besonders früh ein gesetzt. Bild NSIDC

Die Energie- und Klimawochenschau: Von steigenden Temperaturen, sterbenden Korallen, überschwemmten Flusstälern und einem Landtag, der sich (fast) geschlossen der Zukunft verweigert

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Auch der Mai war im globalen Maßstab einer der wärmsten je beobachteten Monate, wie die neuen Daten der Goddard Instituts for Space Studies der NASA (GISS) zeigen.

Das tropische Wetter- und Ozean-Phänomen El Niño ist inzwischen abgeklungen und damit geht auch die globale Mitteltemperatur etwas zurück. Mit 0,93 Grad Celsius über dem globalen Maidurchschnitt der Jahre 1951 bis 1980 liegt sie aber immer noch sehr hoch und macht den zurückliegenden Mai damit zum wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Damit war dieser der nunmehr achte Monat in Folge, in dem ein neuer Monatsrekord aufgestellt wurde.

Abweichung der örtlichen Temperatur vom jeweiligen lokalen Mittelwert für die Jahre 1951 bis 1980 für die drei Frühlingsmonate März, April, Mai. Im globalen Mittel war der nordhemisphärische Frühling um 1,1 Grad Celsius zu warm. Bild: NASA GISS

Das vergangene Jahr war mit 0,86 Grad Celsius über dem Referenzwert im globalen Mittel mit erheblichem Abstand das bisher wärmste Jahr gewesen. In den ersten fünf Monaten des neuen Jahres lag die Temperatur allerdings bisher bereits 1,15 Grad Celsius über dem Referenzwert. Das heißt das laufende Jahr ist auf dem besten Wege erneut alle Rekorde zu brechen.

Zustand alarmierend

Die obige Verteilung der Temperaturabweichungen im Frühling zeigt mehrere interessante Einzelheiten. Erstens waren verschiedene ohnehin schon warme und trockene Regionen in Nordafrika, Westasien und dem Nordosten Brasiliens deutlich zu warm, was die dortigen notorischen Wasserprobleme verschärft haben dürfte. Zweitens ist die Erwärmung in der Arktis besonders stark, wo, wie berichtet (Wenig Eis am Nordpol), das Eis derzeit schneller als je zuvor zurückgeht. Und drittens sind die Gewässer südöstlichen von Grönland weiter zu kalt, was auf eine Verlangsamung des Golfstroms schließen lässt, die seit einiger Zeit beobachtetet wird.

"Der Zustand des Klimasystems ist alarmierend", meint mit Verweis auf die neuesten GISS-Daten David Carlson, der bei der Weltmeteorologie Organisation WMO das Welt-Klimaforschungsprogramm leitet. "Ungewöhnlich hohe Temperaturen; Schmelzraten des Eises in März und Mai, wie wir sie normaler Weise nicht vor Juni sehen; Niederschläge, wie wir sie nur einmal pro Generation erleben. Der Super-EL-Niño ist nur ein Teil der Erklärung. Unnormal ist die neue Norm."

Besonders Besorgnis erregend seien die schnellen Veränderungen in der Arktis, denn was dort passiere, habe weltweite Auswirkungen. Die Frage sei, ob das gegenwärtige Tempo der Veränderungen anhalte oder sich vielleicht sogar noch beschleunige. "Wir bewegen uns im unbekannten Gelände", so Carlson. Die WMO weist unter anderem auch auf die schwere Schädigung von Korallenriffen in vielen Weltmeeren hin, die eine Folge von zu hohen Wassertemperaturen sowie von Wasserverschmutzung und ähnlichem sind. Stark betroffen ist unter anderem auch das Great Barrier Reef vor Australiens Westküste.

Ungewöhnliches Timing

Hierzulande ist nach den schweren Niederschlägen Ende Mai und Anfang Juni das Wasser in den Hochwassergebieten inzwischen wieder abgelaufen und die Aufräumarbeiten haben begonnen. Die Hochwassergefahr ist allerdings noch nicht gebannt. Die Böden sind vielerorts vollgesogen und jeder zusätzliche Schauer rauscht daher ziemlich ungebremst direkt in Bäche und Flüsse.

Bei den westlichen Nachbarn in Belgien und vor allem in Frankreich fielen die Unwetter Ende Mai Anfang Juni noch deutlich heftiger aus. In Frankreich wurden Schäden in Höhe von 900 Millionen bis 1,4 Milliarden Euro angerichtet. Fünf Menschen starben dort. In Paris musste das weltbekannte Museum Louvre gesperrt werden. Dort stieg die nach Nordwesten zum Ärmelkanal fließende Seine auf 6,1 Meter über ihr Normalniveau. Das war der höchste Stand seit 34 Jahren, aber immer noch deutlich unterhalb der Rekordflut vom Januar 1910, als acht Meter erreicht wurden.

Das Becken der nach Westen zum Atlantik fließenden Loire war ebenfalls von schweren Niederschlägen und nachfolgenden Überschwemmungen betroffen. Während die hohen Wasserstände durchaus ihrer Vorläufer hatten, so doch nur ein einziges Mal zu dieser Jahreszeit. Für gewöhnlich sind derartige Unwetter in Frankreich bisher fast ausschließlich im Winter oder im zeitigen Frühjahr aufgetreten. Nur in zwei dokumentierten Fällen, im Juli 1659 und im Juni 1856, traten vergleichbare Wassermassen außerhalb der Monate Dezember bis März auf, berichtet die Seite Climate Central.

Niederschlag zwischen dem 22. Mai und dem 6. Juni. Je heller desto mehr. Auf den Flächen, die weiß gekennzeichnet sind, sind bis zu 480 Millimeter, das heißt, bis zu 480 Liter pro Quadratmeter, niedergegangen. Da die Daten mit Wetterradars und ähnlichem ermittelt wurden, kann örtlich sogar noch mehr gefallen sein. Bild: NASA

Klimawandel schuld?

Dort wird auch über eine Untersuchung einer Gruppe von Wissenschaftlern informiert, die der Frage nachgingen, ob ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen und dem Klimawandel herzustellen ist. Für Frankreich wurde konkret das auftreten dreitägiger Niederschlagsereignisse und für Süddeutschland eintägige Niederschlagsmengen untersucht.

Hierfür hat man zum einen aus den Wetterdaten für verschiedene Regionen den Trend der entsprechenden Ereignisse bestimmt. Außerdem wurden regionale Klimamodelle mit der Randbedingung unveränderter Treibhausgaskonzentrationen in zahlreichen Durchgängen berechnet, um eine Wetterstatistik in einer Welt ohne menschliche Eingriffe zu haben. Anschließend konnte verglichen werden, wie häufig die entsprechenden Ereignisse in der realen und wie häufig in der Welt ohne menschliche Treibhausgasemissionen vorkommen.

Auch der Südosten Texas wurde dieser Tage von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Bild: NASA

Das Ergebnis: In Frankreich ist durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit der extremen Niederschläge um mindestens 40 Prozent gestiegen, im Seine-Becken vermutlich um etwa 80 Prozent und im Becken der Loire gar um rund 90 Prozent. Für Deutschland waren die Ergebnisse hingegen weniger eindeutig. Hier ließ sich kein statistischer Zusammenhang zwischen den beobachteten Unwettern und der menschgemachten Klimaveränderung nachweisen.