Gewaltbereitschaft in rechten Gruppen steigt

Pegida-Demonstration in Dresden, Januar 2015. Bild: Kalispera Dell/CC BY 3.0

Leipziger Studie "Die enthemmte Mitte": Die deutsche Gesellschaft polarisiert sich

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Der autoritäre Charakter erlebt in der neuen Rechten eine Wiedererstarkung, lautet eine der Thesen, die im einleitenden Aufsatz "Autoritäre Dynamiken" zur neuen Mitte-Studie auftaucht. Die Studie wurde vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus und Demokratieforschung der Universität Leipzig durchgeführt, im Auftrag der Heinrich-Böll-, der Otto Brenner - und der Rosa Luxemburg-Stiftung.

Wunsch nach einer starken Autorität

Oliver Decker und Elmar Brähler schreiben im Eingangskapitel vom Verdacht, dass sich hinter Pegida-Protesten gegen die "Herrschenden", hinter der Destruktivität des NSU und "bei manchen Rechten" in den Reihen der AfD vor allem der Wunsch nach einer starken Autorität verbirgt. Ihre Rebellion, so ein großer gemeinsame Nenner, den sie gefunden haben, richte sich gegen die Autorität, die sie als schwach wahrnehmen.

Zu diesem Ansatz gehört die Beobachtung, dass sich die rechtsextrem Eingestellten sich verstärkt als politischer Akteur formieren und sich radikalisieren. An einem Beispiel benannt: Die AfD könne nun das Wählerpotential der NPD für sich mobilisieren.

Stärkung der Zivilgesellschaft und zunehmende Gewaltbereitschaft rechtsaußen

Die Flüchtlingskrise begreifen die beiden Studienautoren als Katalysator bereits zuvor vorhandener Einstellungen. Sie habe die Formierung neuer rechter Bewegungen beschleunigt und sichtbar gemacht, dass das Ressentiment gegen Flüchtlinge "in längst überkommen geglaubten völkischen Vorstellungen von Gesellschaft verankert" ist.

Dem stellen die beiden eine andere Entwicklung in der deutschen Gesellschaft gegenüber: die Stärkung der Zivilgesellschaft. Auch das wird an der Flüchtlingskrise sichtbar gemacht, an der Bereitschaft zur Hilfe.

Pegida-Demonstration in Dresden, Januar 2015. Bild: Kalispera Dell/CC BY 3.0

Die zentrale Behauptung der neuen Mitte-Studie lautet entsprechend, dass sich die deutsche Gesellschaft in ihren politischen Einstellungen polarisiert. Auf der extremen rechten Seite beobachten die Studienverfasser eine zunehmende Gewaltbereitschaft:

Es gibt zwar keine Zunahme rechtsextremer Einstellungen, aber im Vergleich zur Studie vor zwei Jahren befürworten Gruppen, die rechtsextrem eingestellt sind, stärker Gewalt als Mittel der Interessensdurchsetzung.

Die Studienverfasser Oliver Decker und Elmar Brähler liefern in ihrer Pressemitteilung eindeutige Aussagen zur Einschätzung von Pegida und AfD, die sie auf die Auswertung von Angaben von bundesweit 2.420 Menschen (West: 1.917, Ost: 503) gründen:

Wer Pegida befürwortet, ist zumeist rechtsextrem und islamfeindlich eingestellt und sieht sich umgeben von verschwörerischen, dunklen Mächten.

Und zur AfD:

Die meisten AfD-Wähler teilen eine menschenfeindliche Einstellung.

Als bezeichnend wird die Ablehnung von Sinti und Roma herausgehoben: "84,8 Prozent der AfD-Wähler gaben an, Probleme zu haben, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Nachbarschaft aufhalten; 89 Prozent meinten, Sinti und Roma neigen zur Kriminalität."

Mit Blick auf Nichtwähler erklärt Elmar Brähler, dass auch dort bestimmte Vorurteile sehr verbreitet seien. Daraus schließt er, dass das Potenzial für rechtsextreme oder rechtspopulistische Parteien noch größer sei, als es die Wahlergebnisse bislang zeigen.

Die Studienautoren verweisen auf die gewachsene Ablehnung von "Muslimen, Sinti und Roma, Asylsuchende und Homosexuelle". Dazu werden Reaktionen aus der Studie vorgestellt und mit Werten aus früheren Jahren verglichen (die Mitte-Studie erscheint alle zwei Jahre und gibt so die Möglichkeit, Entwicklungen herauszustellen).

Eine deutlich abnehmende Toleranz zeigt sich demnach beim öffentlichen Kuss von Schwulen. 2011 fanden dies ein Viertel der Befragten "ekelhaft". Nun sind es 40,1 Prozent. Die Gegnerschaft zu Ehen zwischen Frauen oder Männern hat laut Studie einen Anteil von 36,2 Prozent.

Bei der Frage, ob sich die Befragten durch die vielen Muslime "wie ein Fremder im eigenen Land fühlten", stimmten in der aktuellen Studie 50 Prozent zu. Vor zwei Jahren waren es 43 Prozent. 41,4 Prozent stimmten übrigens der "Trump"-Aussage zu, dass "Muslime die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. 2014 waren es 36,6 Prozent.

Aussagen zu Muslimen nach Parteipräferenzen

Die nach Parteienpräferenz aufgegliederte Zustimmung zur Aussage "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet" zeigt ein deutliches Bild: Die AfD-Wähler sind zu 70,1 Prozent mit ihr einverstanden. Es folgen die Nicht-Wähler mit 40,3 Prozent. Danach kommen die, deren Parteienwahl unsicher ist, mit 32,1 Prozent. Bei den etablierten Parteien sind SPD-Wähler (!) zu 31,9 Prozent einverstanden. Es folgt die FDP (29,4), die Union (27,2), die Linke (16) und am Ende die Grünen (15,6). Dazwischen liegen noch die, deren Wahlteilnahme unsicher ist mit einem Anteil von 30,3 Prozent, die der Aussage zustimmen.

Die Reihenfolge ist bei der Aussage "Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land" fast identisch. Bei den AfD-Anhänger sind 85, 9 Prozent damit einverstanden. Bei den Nichtwählern sind es 60,1 Prozent und bei denen, deren Wahlteilnahme unsicher ist, 52,3. Bemerkenswert auch hier der hohe Anteil der SPD-Wähler, die mit 47,8 Prozent, also fast zur Hälfte, der Aussage zustimmen (Union 45,7).

Eine einzige starke Partei oder eine Diktatur?

Und der Wunsch nach einem autoritären Staat? 25,5 Prozent der befragten Ostdeutschen stimmen der Aussage zu: "Was Deutschland jetzt braucht ist eine einzig starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert". Bei den Westdeutschen ist es jeder Fünfte (21 Prozent). Bei der Zustimmung zu einer Diktatur, "die unter bestimmten Umständen die bessere Staatsform" wäre, sind es in Ostdeutschland 13,8 Prozent, im Westen 4,8 und gesamtdeutsch 6,7.