Weltwüstentag: "20 Prozent Spaniens sind als Wüste anzusehen"

Wüste im südostspanischen Murcia. Bild: R. Streck

Jährlich gehen weltweit 12 Millionen Hektar Ackerland verloren. Jaime Martínez Valderrama über das Fortschreiten der Wüste in Spanien

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Die Desertifikation, wie die Wüstenbildung auch genannt wird, schreitet weltweit voran. Sie wurde 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen (UN) über Umwelt und Entwicklung, die auch als Erdgipfel oder Rio-Konferenz bezeichnet wird, neben der Klimaveränderung und dem Verlust von Artenvielfalt als große Herausforderung für eine nachhaltige Entwicklung benannt. Klimaforscher stellen längst fest, dass die Häufigkeit und die Intensität von Dürren mit dem Klimawandel einhergehen, die wiederum die Wüstenbildung verschärfen. Diese führte andererseits auch wieder zu einem weiteren starken Verlust an Biodiversität, womit sich die Effekte gegenseitig verstärken.

Nach UN-Angaben leiden schon heute 1,5 Milliarden Menschen an Bodenverschlechterung und Wüstenbildung. Schon jetzt sei mehr als die Hälfte des verfügbaren Ackerlands weltweit von moderater oder starker Degradation betroffen. Dadurch gingen jährlich 12 Millionen Hektar Ackerland verloren. Das sind etwa 32 Fußballfelder pro Minute und es handelt sich etwa um die gesamte Ackerfläche Deutschlands. Und die Tendenz ist steigend. Auf dieser Fläche könnten nach Schätzungen der UN etwa 20 Millionen Tonnen an Getreide angebaut werden.

Besonders Menschen in Entwicklungsländern sind von dem Problem betroffen. Fast drei Viertel der armen Menschen weltweit leiden direkt unter der Verarmung der Böden, was wiederum zu vermehrten Migrationsströmen führt. 135 Millionen Menschen seien schon gefährdet, wegen Wüstenbildung zu Flüchtlingen vor Dürre und Hunger zu werden. Um der Desertifikation zu begegnen, hat die UN 1994 den 17. Juni zum Weltwüstentag erklärt. Seit 1995 wird daran erinnert, dass an diesem Tag die Verhandlungen über das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Desertifikation in Paris abgeschlossen wurden. Jedes Jahr soll die breite Öffentlichkeit für die bedrohliche Ausbreitung der Wüsten sensibilisiert werden.

Auch China hat damit ein riesiges Problem. Fast 30 Prozent des Landes sind schon Wüste. Seit den 1950er Jahren hat sich der Verlust von Ackerflächen verdoppelt. Das Land will beim zentralen Akt des Weltwüstentags morgen in Peking ein supranationales Projekt entlang der Seidenstraße vorstellen: "One Belt and One Road Joint Action to Combating Desertification Initiative". Allerdings habe China die Lage in den letzten Jahrzehnten stabilisieren können. Doch sie ist nach Ansicht von Experten weiter ernst. Auch für die Regierung handelt es sich um das wichtigste Umweltproblem. Gemeinsam soll an der Seidenstraße nun Wüstenbekämpfung betrieben werden. Gezeigt werden soll damit auch, dass der Kampf gegen die Degradierung der Böden zentral dafür sei, um zu einer allgemeinen nachhaltigen Entwicklung zu kommen.

Seit 1978 werden Milliarden in Wiederaufforstung investiert. In Anlehnung und parallel zur chinesischen Mauer wurde damals begonnen, einen etwa 100 Kilometer breiten Waldstreifen zu pflanzen. Gepflanzt wird weiter am "Drei-Norden-Schutzwald", um der Wüste und ihren Stürmen zu begegnen. Bis 2050 sollen 350.000 Quadratkilometer mit Millionen Bäumen bepflanzt werden, etwa die Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Tatsächlich hat sich die Waldfläche in China seit den 1990er Jahren fast verdoppelt. Verbunden mit den Programmen sind aber auch umstrittene Zwangsumsiedlungen von Millionen Menschen.

Allerdings ist eine dramatische Desertifikation auch längst in Europa zu beobachten. Das haben spanische Forscher mit der Studie "Present and future of desertification in Spain: Implementation of a surveillance system to prevent land degradation" deutlich gemacht, die in "Science of the Total Environment" veröffentlicht wurde. Geleitet hat sie von Dr. Jaime Martínez Valderrama. Er ist Forscher im Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung (CSIC) und arbeitet in der Versuchsstation für Trockengebiete im südspanischen Almería. Es geht den Wissenschaftlern um eine Bestandsaufnahme, um Früherkennung und Prävention. Sie wollen ein Überwachungssystem aufbauen, um Wüstenbildung vorzubeugen, die in Spanien mitten in Europa schon Urstände feiert. Telepolis sprach mit Martínez Valderrama über die Ergebnisse der Studie.

Jaime Martínez Valderrama

In bestimmten Gebieten geht die Fruchtbarkeit durch menschliche und klimatische Einflüsse verloren

Seit einiger Zeit ist die Wüstenbildung in Spanien schon ein Thema (Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden), doch nun haben Sie die Entwicklung genauer untersucht. Kann nach den früheren Schätzungen die Desertifikation im Land nun genauer beziffert werden?

Martínez Valderrama: Diese Arbeit ist ein Teil verschiedener Studien, die vom Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt vor drei Jahren in Auftrag gegeben und durchgeführt wurden. Ein Teil der Ergebnisse wurde schon in einer Monografie des Ministeriums veröffentlicht, weshalb sie schon öffentlich waren. Es hat jetzt allerdings für etwas Aufregung gesorgt, dass mit der Veröffentlichung herausgestellt wurde, dass schon 20% des spanischen Territoriums als Wüste anzusehen ist. Wir konnten nun frühere Untersuchungen bestätigen, die wir schon vor einigen Jahren durchgeführt hatten.

Was bedeutet es, dass 20% der Böden schon verwüstet sind? Gibt es dort also praktisch keine Vegetation mehr oder sieht es da schon aus wie in der Sahara, das auf der anderen Seite der Meerenge von Gibraltar liegt?

Martínez Valderrama: Desertifikation ist eine Bezeichnung, die ein französischer Wissenschaftler zu Beginn des letzten Jahrhunderts eingeführt hat. Klar denkt man dann schnell daran, dass die Sahara nun nach Spanien vorrücken würde. Da gibt es eine gewisse Verwirrung. Es geht hier nicht darum, dass diese Wüste voranschreitet, sondern dass in bestimmten Gebieten die Fruchtbarkeit durch menschliche und klimatische Einflüsse verloren geht. Damit wird es immer schwieriger für die Vegetation, es kommt zur verstärkten Erosion und die Landschaft verwandelt sich in eine Wüste. Aber man kann nicht sagen, dass sich deshalb die Sahara auf Spanien ausbreitet. Dazu kommt auch, dass auch Wüsten wie die Sahara Ökosysteme sind, die ihren Platz auf dieser Welt haben.

Minentätigkeit und Wüstenbildung in der spanischen Region Murcia. Bild: R. Streck

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Studie hervorgehoben wird, ist, dass 1% des Territoriums in Spanien derzeit einer starken Degradation ausgesetzt ist. In welchem Verhältnis steht das zu den Gebieten, die schon als Wüste angesehen werden?

Martínez Valderrama: In den 20% drückt sich das Ergebnis verschiedener Phasen aus, in denen es in der Vergangenheit schon zu Wüstenbildungen kam. Da ist die massive Entwaldung im 16. Jahrhundert im Rahmen des Schiffbaus. Dazu kommt zum Beispiel auch die Minentätigkeit, denn das Holz wurde lange Zeit zum Schmelzen von Metallen verwendet, bis die Wälder abgeholzt waren. Und schließlich wurde auch noch viel Wald gerodet, um Weideflächen zu schaffen. Dadurch haben diese Flächen ihre Fruchtbarkeit verloren und wurden zu Wüsten.

Aktuell ist ein 1% des gesamten Territoriums auf diesem Weg. Das erscheint im Vergleich zu den 20% gering, doch es ist eine riesige Fläche. Und dass der Vorgang voranschreitet, zeigt auch an, dass dieser Prozess seit Jahrhunderten ziemlich unumkehrbar ist.

Sie sprechen in der Studie auch von 30% des Landes, das produktiv ist, aber einen niedrigen Grad an Biomasse ausweist. Sind das auch Gebiete, die vermutlich einer Wüstenbildung ausgesetzt sein werden?

Martínez Valderrama: Eine geringe Biomasse an sich sagt über die Desertifikation noch nicht viel aus. In der üblicherweise angewandten Methodologie wird geschaut, welche Biomasse es in einem Gebiet potentiell geben müsste. Wenn wir uns in sehr trockenen Gebieten befinden, wie hier im Südosten der Iberischen Halbinsel, kann es dagegen kaum viel mehr Biomasse geben. Wir haben deshalb untersucht, welche Vegetation es im jeweiligen Gebiet gibt, und das haben wir damit verglichen, welchen Bewuchs es dort eigentlich geben müsste. Und wenn die Vegetation nicht den dortigen Gegebenheiten entspricht, dann verbirgt sich dahinter ein Prozess der Degradation des Bodens.