Französischer Premier Valls: Gewerkschaften sollen Demos stoppen

Laut Umfragen unterstützen 60 Prozent der Bevölkerung die Proteste

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Der französische Premierminister Manuel Valls fordert in einem Gespräch (leider mit Zahlschranke), dass die Gewerkschaften die für kommenden Dienstag geplanten Demonstrationen gegen das Arbeitsgesetz "von sich aus annullieren". Das würde einen gesunden Menschenverstand zeigen.

Den bon sens bezieht Valls auf die besondere Sicherheitssituation. Dem Recht auf Demonstrationsfreiheit würde das Recht auf Sicherheit gegenüberstehen, bemüht Valls das bewährte Argument von konservativen Ordnungspolitikern. Dafür zieht er den Rahmen weit auf: Er wirft nicht nur die Fußball-EM in die Debatte, sondern auch den Mord an den Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitete, durch einen IS-Fanatiker.

Was die Fußball-EM angeht, so wird sie auch bei den Überlegungen der Gewerkschaften eine Rolle spielen. Dass die Demonstrationen dadurch eine größere Aufmerksamkeit bekommen, wird wohl nicht als Nachteil aufgefasst. Für Valls ist der Zeitpunkt der angekündigten Demonstration dagegen vor allem ein Sicherheitsproblem. Die Polizei sei mit der Absicherung der EM an der Grenze ihrer Belastbarkeit, argumentiert der frühere Innenminister.

An diesem Punkt schlägt Valls die Brücke zum Polizistenmörder Larossi Abballa , der seine Tat vergangene Woche mit Berufung auf den IS beging. Angesichts dieses brutalen Mordes an zwei Polizisten seien der Polizei weitere Anschuldigungen wegen Gewaltanwendung bei Demonstrationen nicht zuzumuten, so Valls.

Nach diesem Mord in Magnanville kann ich die Unterstellungen, wonach die Polizei unserer Republik verdächtigt wird, Diskreditierungen der Proteste zugearbeitet zu haben oder selbst Gewalt angewendet zu haben, noch viel weniger aushalten.

Nach der Demonstration in Paris am vergangenen Dienstag, die international Schlagzeilen mit Gewaltszenen machte, kamen Debatten über die Rolle der Polizei auf. Vonseiten der Teilnehmer wurden den französischen Polizeikräften, die seit vielen Jahren den Ruf einer ziemlich robusten Vorgehensweise haben, der Vorwurf gemacht, dass sie mit agents provokateurs in der Menge arbeiten.

Screenshot aus einem Video der Demonstration am 14 Juni. Siehe dazu: Taranis News

Auch dieses Mal zeichneten Teilnehmer der Demonstration das Bild einer hart vorgehenden Polizei (Frankreich: Orgie der Polizeigewalt), das sich in eine ganze Serie von Vorgängen fügt, das obrigkeitsstaatliche Züge trägt.

Valls sieht die Sache freilich anders, in seiner Sichtweise liegt die Verantwortung der Gewalt bei den Randalierern ("casseurs"). Diese Auffassung wurde zuletzt von Medienberichten gestärkt, die eine besonders schwerwiegenden Verletzung eines Demonstranten nicht mehr einer Polizeigranate, sondern einem selbstfabrizierten Projektil zuschreiben. Das ist allerdings noch nicht offiziell bestätigt. Die gegenseitigen Schuldzuschreibungen gehen weiter.

Für Valls ist klar: Die Regierung wird in der Sache Arbeitsgesetz nicht nachgeben. Für die angekündigte Demonstration erwägt die Regierung ein Demonstrationsverbot aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.

Indessen bestätigen aktuelle Umfragen, dass weiterhin 60 Prozent der befragten Franzosen die Proteste unterstützen. Anfang Juni waren es 59 Prozent. Die Diskussion über Sicherheit und Gewalt bei Demonstrationen hatte demnach umfragemäßig keinen Einfluss auf die Haltung der Bevölkerung zu den Protesten gegen das Arbeitsgesetz. Der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez erklärte, dass die Aktionstage gegen das Gesetz fortgeführt würden.