Griechenland: Die nächsten Einschnitte werden noch härter

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Ein Jahr nach der Revolution: Zypern ist das neue El Dorado

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Vor genau einem Jahr war Premierminister Alexis Tsipras international isoliert. Wegen des ausgerufenen Referendums zu den Sparmaßnahmen und aufgrund der damaligen rebellischen Haltung des griechischen Finanzministeriums unter Yanis Varoufakis waren bis heute geltende Kapitalverkehrskontrollen verhängt worden. Tsipras Lebensgefährtin, Betty Baziana, hatte seinerzeit für den Fall von Tsipras Einlenken gegenüber den Kreditgebern mit einer Trennung gedroht. Das Einlenken kam, die Trennung nicht.

Das Einlenken Tsipras und die Unterschrift unter ein drittes Sparpaket brachten letztendlich den Abschluss der Inspektion der Kreditgeber und die Freigabe einer Kredittranche von 7,5 Milliarden Euro. Am heutigen Montag soll das Geld endlich fließen. Tsipras musste dafür Renten kürzen und nahezu sämtlichen Staatsbesitz für 99 Jahre an ein letztendlich von den Kreditgebern kontrolliertes Treuhandunternehmen übertragen.

Zudem wurde die eigentlich mit der Entscheidung der Eurogruppe von 24. Mai freigegebene Tranche noch einmal an Bedingungen geknüpft. So wird zum Beispiel der reformierte ENFIA-Immobilien-Sondersteuersatz nicht - wie von Tsipras als Erfolg gefeiert - mit den näher an den Realpreisen orientierten fiskalischen Preisen berechnet, sondern anhand der gegenüber der Realität exorbitanten Sätzen aus der Zeit der Immobilienblase vor der Krise erhoben.

Bei den Versteigerungen der Wohnungen wegen Steuerschulden müssen die Bürger jedoch den teilweise zwei Drittel unterhalb des fiskalischen Preises liegenden Realpreis als Wert ihrer Immobilie akzeptieren. Zudem wurden seit dem 24. Mai mit zahlreichen Durchführungsvorschriften die gesetzlich beschlossenen Rentenkürzungen noch einmal verschärft. Tsipras feiert den Erfolg der abgeschlossenen Inspektion durch die im allgemeinen Sprachgebrauch wieder Troika genannten Kreditgeber trotzdem. Schließlich stand sie seit Mitte 2014 und der Regierungszeit von Tsipras Vorgänger Antonis Samaras aus.

Spätesten bis zum September muss Tsipras allerdings weitere, tiefe Einschnitte vornehmen. Entwicklungsminister Giorgos Stathakis, in dessen Ressort die Wirtschaft fällt, orakelt bereits, dass es ein schwierigeres Unterfangen als bisher werden wird.

Diesmal geht es auch um das Arbeitsrecht. Die zu verabschiedenden Gesetze sind dabei schärfer als in Frankreich, welches wochenlange Proteste hinnehmen musste.

Gesetzlich verordneter Wirtschaftsaufschwung

Stathakis setzt daher auf einen gerechten Wirtschaftsaufschwung als Gegengewicht. Zu diesem Zweck hatte die Regierung am Donnerstag ein Wirtschaftsentwicklungsgesetz verabschiedet. Doch auch im Rahmen dieses Gesetzes gab es seltsame Unstimmigkeiten. So hatte Immigrationsminister Ioannis Mouzalas in das Gesetzespaket eine Tropologia eingebaut.

Mit diesem Stichwort bezeichnet die griechische Politik ressortfremde Regelungen, welche in einem Gesetzesvorschlag eingebaut werden. Die Tropologia von Mouzalas betraf die Besetzung der Asylbehörden und garantiert dem Minister ein nahezu unbeschränktes Recht, Personal nach Gutdünken einzustellen.

Dagegen protestierten namentlich fünf Abgeordnete von Syriza. Sie tönten, dass sie keinesfalls dafür stimmen würden. Das Gesetz wurde trotzdem samt der Tropologia verabschiedet. Von 265 anwesenden, der insgesamt 300 Abgeordneten votierten in der namentlichen Abstimmung alle Regierungsparlamentarier, 152, mit "Ja". Der Vizeaußenminister Giannis Amanatidis fehlte. Die Anwesenden von Nea Dimokratia, Goldener Morgenröte, der Kommunistischen Partei, To Potami und der Zentristenunion, 101 Abgeordnete, verweigerten das Votum. Die zwölf Vertreter der Fraktionsunion von PASOK und Demokratischer Linker enthielten sich der Stimme.

Im realen Leben deutet in Griechenland kaum etwas auf Wirtschaftsaufschwung hin. Ein geflügelter Witz besagt, dass Zypern sich bei den Griechen für die schnelle Erholung bedanken sollte. Die Flüge der Aegean Airlines von Athen nach Larnaka sollen voll mit Investoren sein.

In der humoristischen Umschreibung ist mehr als ein Funken Wahrheit enthalten. Selbst die griechische Verwertungsgesellschaft für Musik, AEPI, wählte die Verlegung des Firmensitzes von Athen nach Zypern. Außer den steuerlichen Vorteilen bringt die Landflucht der Verwertungsgesellschaft auch Vorteile in der Überprüfung der Finanzaktivitäten des Präsidiums.

Viele griechische Medienmogule wählen ebenfalls Zypern als neues El Dorado. Auch im chronisch überschuldeten Medienmarkt, der bei den Banken mit Milliardenbeträgen in der Kreide steht, wollte Tsipras im Rahmen der Gesundung der Wirtschaft finanzielle und juristische Prüfungen der teilweise skandalösen Kreditvergabe durchführen lassen.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Insgesamt geht es bei der Aufarbeitung der Thalassodaneia, Meereskredite, genannten Gelder in der gesamten Wirtschaft um eine Summe in der Größenordnung von 40 Milliarden Euro, welche in den letzten fünfzehn Jahren von den Banken regelrecht verteilt wurden.

Die Betitelung dieser Darlehensverträge als Meereskredite umschreibt humorvoll den Umstand, dass die Banken die ohne Sicherheiten vergebenen Gelder genauso gut ins Meer hätten schmeißen können. Zumindest bei den Medienunternehmen wurde die Überprüfung und Aufarbeitung des Skandals auf den September verschoben.

Alexis Tsipras feierte die Verabschiedung des Gesetzes mit einer Veranstaltung im Restaurant des Neuen Akropolismuseums. Auf dem Balkon des Restaurants hatten sich die Regierungsfraktionen versammelt. Der Premier stand bei seiner Rede faktisch unter dem Parthenon. Von der Opposition gab es Häme. Auch, weil Tsipras beim Bau des Museums und bei dessen Eröffnung zu den Demonstranten gehörte, die gegen das Bauwerk protestierten.