Henkel fordert Dexit-Referendum ...

Hans-Olaf Henkel. Foto: ALFA RLP

... und ENF-Parteien verlangen EU-Exit-Volksabstimmungen für alle Länder

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Der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel hat für den Fall, dass sich die Briten am Donnerstag aus der EU verabschieden, ein "Dexit"-Referendum in Deutschland gefordert. Der jetzige ALFA-Europaabgeordnete betont dabei allerdings, dass er es für wünschenswert hält, wenn sowohl das Vereinigte Königreich als auch Deutschland Mitglieder der EU blieben. Komme es jedoch zum Brexit, erfordere die neue Situation, dass die Deutschen ebenso wie die Engländer, Schotten, Waliser und Nordiren über einen Verbleib bei Brüssel abstimmen dürfen.

"Nach einem 'Brexit'", so Henkel wörtlich, "wären wir nicht nur mit staatsgläubigen und reformunfähigen Franzosen in der EU allein gelassen; wir dürften auch für den größten Teil des EU-Beitrags Großbritanniens [...] aufkommen." In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass das Vereinigte Königreich derzeit "trotz des von Margaret Thatcher ausgehandelten 'Briten-Rabatts' immerhin der zweitgrößte Nettozahler" in der EU ist.

Im Falle eines "Brexits" und eines darauf folgenden "Dexits" könnten Deutschland und das Vereinigte Königreich Henkels Ansicht nach die Europäische Union zusammen mit "anderen Gleichgesinnten […] auf das zurückzuführen, was sie einmal sein sollte: Charles de Gaulles 'Europa der Vaterländer'!" In diesem Europa der Vaterländer sollte seinen Worten nach der Binnenmarkt als "Quelle des deutschen Wohlstandes" ausgebaut, aber keine gemeinsame "Bildungs-, Familien- und Verteidigungspolitik" betrieben werden.

Eine übertriebene Vergemeinschaftung ist seiner Wahrnehmung nach maßgeblich dafür verantwortlich, dass am Donnerstag sehr viele Briten für einen Ausstieg aus der EU stimmen wollen. Dass die Antwort auf jede der zahlreichen Krisen der letzten Jahre immer nur "mehr Europa" lautete, habe auf der Insel einen "verheerenden Eindruck" hinterlassen. Außerdem kritisiert er die "schöngefärbte Kommunikationspolitik" der EU-Kommission die auf ihrer Website Winston Churchill "feiert", "weil er schon 1946 von den 'Vereinigten Staaten von Europa' sprach", aber verschweigt, "dass er gleichzeitig eine Mitgliedschaft Großbritanniens ausschloss".

Henkel ist nicht der einzige Politiker, der das Brexit-Referendum am Donnerstag zum Anlass für die Forderung nach mehr Austrittsabstimmungen nimmt: Bei einem Treffen in Wien und Vösendorf verlangten Tomio Okamura, der japanisch-tschechischstämmige Vorsitzende der tschechischen Partei Úsvit přímé demokracie ("Morgendämmerung der direkten Demokratie") und die der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) angehörigen Europaabgeordneten Heinz-Christian Strache (FPÖ), Marine Le Pen (Front National), Marcus Pretzell (AfD), Lorenzo Fontana (Lega Nord), Gerolf Annemans (Vlaams Belang), Janice Atkinson (parteilos, UK) und Laurentiu Rebega (parteilos, Rumänien) Exit-Volksabstimmungen in allen EU-Staaten.

Tomio Okamura. Foto: Aktron / Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY 4.0

Le Pen äußerte dabei die Hoffnung, dass solche Referenden zu einer neuen EU führen, bei der die Mitgliedsländer stärker selbst entscheiden können, was sie wollen und was nicht. In Frankreich, das (anders als das Vereinigte Königreich) Mitglied des Euroraums und der Schengenzone ist, haben die Bürger Ihrer Ansicht nach "vielleicht fünfmal so viel Grund, die Europäische Union zu verlassen wie die Engländer". Für einen EU-Austritt würde dort ihrer Ansicht nach eine noch breitere Mehrheit stimmen als die, die 2005 die EU-Verfassung ablehnte, weil Brüssel seitdem "noch schlimmer" geworden sei.

Der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache betonte ebenfalls, dass Referenden ein Instrument seien, um die EU zu reformieren und deren "Selbstmord" zu verhindern. Denn, so Strache: "wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

Grüne kritisieren Treffen

Angehörige anderer Parteien kritisierten, dass das Treffen mit EU-Geldern abgehalten wurde. Albert Steinhauser, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der österreichischen Grünen bemängelte darüber hinaus, der freiheitliche Bundespräsidentenkandidat Norbert Hofer habe "bewusst de[n] falsche[n] Eindruck erweckt [...], dass Le Pen ein Gast der Republik Österreich ist".

Hofer verlor allerdings nach derzeitigem Stand die Stichwahl am 22. Mai gegen den ehemaligen Grünenchef Alexander van der Bellen knapp. Ob dieses Ergebnis gilt, wird der Österreichische Verfassungsgerichtshof entscheiden, der derzeit eine Anfechtung der Wahl durch die Freiheitlichen prüft: Der Zeitung Die Presse nach halten Juristen das Ausmaß der beanstandeten Regelverstöße für so umfassend, dass eine komplette Wiederholung der Wahl im Herbst wahrscheinlich geworden ist. Vor einer Entscheidung wird der VfGH aber noch 90 Zeugen aus den Bezirkswahlbehörden befragen.

Nigel Farage, der Vorsitzende der EU-kritischen United Kingdom Independence Party, distanzierte sich im Magazin News zwar von Strache und Le Pen mit den Worten "Die sind eher rechts, wir in der Mitte", rechnet aber nach eigenen Angaben ebenfalls mit einem EU-Austritt Österreichs. Der könnte seinen Worten nach bereits ein halbes Jahr nach einem Brexit geschehen: "Das wird fast wie beim Pferderennen. Wer geht früher: ihr oder vielleicht doch die Dänen?"

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