Schweinische Panik?

In einigen Ländern wurde wie in den USA bereits Gesundheitsalarm gegeben, sonderlich gefährlich scheint der mexikanische Schweinegrippevirus aber nicht zu sein

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Die Schweinegrippe könnte in Mexiko bereits mehr als 80 Menschen das Leben gekostet haben. Der mutierte Scheingrippevirus Influenza A (H1N1) wurde allerdings erst bei 20 der Toten bestätigt. Es werden 1.400 mögliche Infektionen aus 15 Bundesstaaten gemeldet, doch die Zahl der bestätigten Fälle ist auch hier bislang gering, was dafür sprechen dürfte, dass die Ansteckungsgefahr nicht so hoch ist (Kommt die globale Grippe-Pandemie?). In den USA sind nachweislich 20 Personen an dem Virus erkrankt, allerdings haben sie nur eine leichte Infektion. Gleichwohl zieht nun die US-Regierung nach und erklärt wie zuvor Mexiko, Guatemala, El Salvador, Nicaragua oder Panama den Gesundheitsalarm.

Die Amerikaner, so heißt es, müssten sich jetzt oder in Zukunft auf eine mögliche Epidemie vorbereiten, aber nicht in Panik verfallen. Das CDC (Centers for Disease Control) hat die Untersuchungen ausgeweitet und rechnet nicht nur mit weiteren Infizierten, sondern auch mit solchen, die stärkere Symptome aufweisen. Man habe auch damit begonnen, einen Impfstoff zu entwickeln.

Robert Gibbs, der Sprecher des Weißen Hauses, wies darauf hin, dass die Regierung die mögliche Grippeepidemie sehr ernst nehme. Barack Obama lasse sich stündlich über die Entwicklungen informieren, bislang aber habe man nur Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Auch er betonte: "It's not a time to panic." Was möglicherweise auch deswegen so oft gesagt werden muss, weil in der Vergangenheit immer wieder auf die Gefahren von solchen Epidemien hingewiesen wurde, gleich ob sie natürlich entstehen oder es sich um terroristische Anschläge handelt. Dazu kommt vermutlich auch eine allgemein angespannte Stimmung angesichts der Wirtschaftskrise. Janet Napolitano, die Heimatschutzministerin, sprach denn auf der gestrigen Pressekonferenz im Weißen Haus zur Schweinegrippe auch davon, dass, es sich eigentlich um eine ganz normale "Erklärung der Notfallbereitschaft" handelt, weil man noch gar nicht wisse, welches Ausmaß die Epidemie haben werde.

Die WHO warnt weiterhin vor der Möglichkeit einer globalen Pandemie, hat aber die Gefährdungsstufe noch nicht herauf gesetzt. Inzwischen wurden weitere Infektionen in Spanien, Frankreich, Neuseeland und Kanada bekannt. Manche Länder haben bereits Reisewarnungen ausgesprochen. In den USA werden Einreisende aus Mexiko bislang "passiv" beobachtet und nur in eine Klinik eingewiesen, wenn sie infiziert seien. Das Auswärtige Amt schreibt zu Mexiko:

"Reisenden wird empfohlen, die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. Zurzeit steht kein Impfstoff gegen diesen Erreger zur Verfügung. Jedoch können alltägliche Hygienemaßnahmen dazu beitragen, sich vor einer Infektion zu schützen, wie zum Beispiel:

  1. regelmäßiges Händewaschen mit Wasser und Seife
  2. engen Kontakt mit Kranken meiden
  3. Menschenansammlungen meiden

Manche Länder wie Japan oder Südkorea überprüfen Einreisende mit Wärmebildkameras, um Menschen mit Fieber herauszupicken. Zudem werden am Internationalen Flughafen Incheon schnelle Antigentests eingesetzt, um Erkrankte zu identifizieren. Möglicherweise Infizierte werden erst einmal unter Quarantäne gestellt. In China müssen Einreisende verdächtige Symptome berichten, wenn sie aus Gegenden kommen, in denen es Vorfälle der Schweigrippe gegeben hat. Auch werden Personen, die unter Verdacht stehen, infiziert zu sein, in Quarantäne gesteckt.

In Mexiko wird selbst mit Soldaten gegen die Grippe vorgegangen. Der Präsident hat scharfe Maßnahmen erlassen. Mögliche Grippekranke können isoliert, ihre Wohnungen durchsucht, Reisende und ihr Gepäck dürfen überprüft werden. Schulen und öffentliche Gebäude wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt, selbst Gottesdienste wurden nicht mehr abgehalten, die Menschen sollen in der Öffentlichkeit Masken tragen. Die Verwaltung von Mexiko-Stadt hat angekündigt, auch den öffentlichen Transport einzustellen, sollte die Epidemie sich verstärken.

Bislang scheint die Hauptschwierigkeit darin zu bestehen, Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, aber keine Panik zu schüren, die noch sehr viel schneller um sich greifen kann wie eine Pandemie. Das könnte den Regierung womöglich derzeit schwerer fallen, haben die Menschen doch noch in Erinnerung, wie mit der beginnenden Finanzkrise umgegangen wurde. Die regierungsamtliche "Pflicht" zum Optimismus und Herunterspielen könnte bei den Menschen auf vermehrte Zweifel stoßen, zumal unsichtbare virale oder bakterielle Angreifer sowieso auf erhöhte Angstbereitschaft stoßen, wenn sie noch dazu eine Krankheit verbreiten, deren Symptome ganz alltäglich sind. Dazu kommen die Medien, die nicht nur die Schweinegrippe zum Aufmacher machen und über ihr mögliches Ausmaß spekulieren, sondern mitunter auch antistaatlich Panik schüren. Die Dialektik ist klar. Werden Sicherheitsmaßnahmen verhängt und laufen nur viele Menschen wie in Mexiko-Stadt mit Masken umher, erhöht dies auch das Gefährdungsgefühl. Sicher, die mexikanische Regierung war zu lange untätig und verfällt nun in Handlungspanik, aber angesichts der bislang bekannten Informationen muss es wirklich heißen: Kein Anlass zur Panik.