Killerspiele verbessern die Sehfähigkeit

Durch Training an Ego-Shootern wird die Kontrastempfindlichkeit erhöht, was natürlich auch das Zielen und Töten mit wirklichen Waffen verbessert

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Killerspiele sind durch den Amoklauf in Winnenden einmal wieder mit dafür verantwortlich gemacht worden, dass junge Menschen losziehen, um sich in einem Rachefeldzug durch ein suizidales Spektakel von der Welt verabschieden und in ein mediales Nachleben eintreten.

Killerspiele, also Ego-Shooter, in denen der Spieler aus der Ich-Perspektive um sich ballert oder auf andere Weise Spielfiguren mehr oder weniger drastisch massakriert, sollen, zumindest bei manchen labilen Personen, die Tötungshemmung abbauen, heißt es, und die Gewaltbereitschaft verstärken. Britische und israelische Wissenschaftler von der University of Rochester und der Universität Tel Aviv berichten nun davon, dass Killerspiele auch Wahrnehmungsleistungen verbessern.

Abnehmender Kontrast. Bild: University of Rochester

Zwar ist schon lange bekannt, dass vornehmlich Actionspiele, bei denen schnell entschieden und gehandelt werden muss, sensomotorische Reaktionen und Hand-Auge-Koordination verbessern. In ihrer Studie, erschienen in Nature Neuroscience, konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Killerspiele die Kontrastempfindlichkeit und damit allgemein die Sehschärfe der Augen verbessern. Für die Studie wurden 22 Studenten als Versuchspersonen in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine spielte 50 Stunden lang während 9 Wochen über "Unreal Tournament 2004" und "Call of Duty 2, die andere "The Sims 2", ein komplexes Spiel, das aber keine schnellen und präzisen visuellen Aufgaben wie Zielen verlangt. Die an Killerspielen trainierten Versuchspersonen zeigten eine 43prozentige Verbesserung ihrer Fähigkeit, Graustufen zu unterscheiden.

Das Ergebnis des Trainings ist wenig verwunderlich. Die Ego-Shooter-Spiele verbessern die visuelle Wahrnehmungsleistung, indem sie die Kontrastempfindlichkeit erhöhen. Das weist nach den Wissenschaftlern auch auf die Plastizität der Augen von Erwachsenen hin, die durch Training beeinflussbar sind. Das könne bedeutsam vor allem dafür sein, wenn man nachts oder unter schwierigen Bedingungen Auto fährt oder wenn man liest. Zudem mache die Studie deutlich, dass die Aussetzung an Computerschildschirme den Augen nicht automatisch schade. Die positiven Ergebnisse des Trainings mit Computerspielen würden lange anhalten. Daher könne man solche Computerspiele auch therapeutisch nutzen, um die Sehfähigkeit zu verbessern. Möglicherweise könne man Computerspiele auch verwenden, um Menschen, deren Augen geschädigt sind, beizubringen, visuelle Informationen besser verarbeiten zu können. Die Wissenschaftler betonen, dass eben nicht alle Computerspiele eine solche klinische Bedeutung haben.

Links ist die Kontrastempfindlichkeit um 58 Prozent höher. Bild: University of Rochester

Das klingt selbstverständlich schön, ist aber auch militärisch interessant, worauf auch hinweist, dass die Studie u.a. vom Office of Naval Research gefördert wurde. Gute sensomotorische Reaktionen, eine schnelle Hand-Auge-Koordination, eine exzelente Sehfähigkeit, gerade auch unter erschwerten Bedingungen mit geringen Kontrasten, brauchen natürlich auch Soldaten, Scharfschützen, Kriminelle und Killer im Selbstauftrag. Auch diese könnten die Leistung ihrer Augen und ihre Zielgenauigkeit verbessern, wenn sie sich mit Killerspielen trainieren. Dass dies von den Wissenschaftlern nicht erwähnt wird, ist erhellend. Freilich ist die Verbesserung der Kontrastempfindlichkeit der Augen ein gutes Beispiel für Dual-use. Man muss ja nicht mit echten Waffen machen, was im Killerspiel geübt wurde. Aber wenn man es macht, scheint es nicht zu schaden.

Wie die Studie präsentiert wird, erinnert dies an Äußerungen von Vertretern der deutschen Waffenlobby, dass es doch gut sei, selbst Kinder frühzeitig mit Schusswaffen vertraut zu machen, weil sie damit Disziplin und Konzentration lernen. Schusswaffen also als Therapeutikum, als heilsbringende Schule fürs Leben. Allerdings ist das auch für Soldaten, Kriminelle oder Amokläufer gut, die ihre Ziele treffen wollen.