Bank überfällt Bürger: Wie nachhaltig ist Social Banking?

Über Geld spricht man (doch): Wie sieht die Bank der Zukunft aus? - Teil 2

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Das Internet bietet immerhin die Möglichkeit, die physischen Bankgeschäfte mit ein paar Mausklicks ins Mitmachweb zu verlegen. Das Social Lending auf Basis von Online-Kreditbörsen etabliert sich allmählich auch in Deutschland.

Teil 1: Wo ist die Bank, der man vertrauen kann?

Einige durchaus spannende Momente beinhaltete die Diskussion zum Thema Social Banking auf der Cebit, in einer gut besuchten Webciety-Halle. Zum Live-Videostream der Veranstaltung folgten online allerdings deutlich weniger als hundert Zuseher und Zuhörer.

Trotz des verhaltenen Interesses hörte man fast eine Stecknadel im Heuhaufen fallen. Denn so richtig traut sich an das heikle Thema derzeit auch in der Zuhörerschaft kaum einer heran. Fast jeder aus dem Publikum hat wohl finanzielle Verluste gemacht in letzter Zeit – und über Geld spricht man gerade dann nicht so gerne, besonders dann, wenn es immer weniger zu werden droht.

Die Diskutanten griffen folgende Schlagzeile auf: „Die Bank überfällt den Bürger“, titelte die Münchner Abendzeitung im März dieses Jahres, indem sie auf die 124 Milliarden Euro Schulden der Bayerischen Landesbank verwies, für die das Land Bayern grade steht. Das wären, folgt man den Angaben des Bundes der Steuerzahler, rund 10.000 Euro pro Kopf, was schon einer Art von kollektiver Sippenhaft in der finanziellen Haftung für Fremdschäden gleichkommt.

Mittlerweile türmt sich der Berg noch höher auf. Mit Staatsgarantien für eine einzelne Bank das Niveau des gesamten jährlichen Bundeshaushalts zu erreichen, ist längst keine Hürde mehr. Gerade beim Geld solle „die Freundschaft jedoch nicht aufhören“, und weil das so sei, befände sich die Darlehensvergabe zwischen Privatpersonen im Aufwind, warb der Gründer der Online-Kreditbörse smava auf der Webciety.

Versöhnt Social Banking also den unvereinbaren Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, Geld und Freundschaft. Wie soll das gehen? Die Macher von Smava & Co. sehen das neue Geschäftsmodell der privaten Kreditvergabe im Kommen, da die Bankinstitute dem Anleger so gut wie keine Transparenz in ihrem Produktgebaren bieten - und ihm damit jedes Recht auf Selbstbestimmung entziehen.

Wenngleich der Marktslogan etwas problematisch erscheint, lässt sich mit einem alternativen Geschäftsmodell der Marke „Fremde werden Freunde und leihen sich gegenseitig Geld“ durchaus Geld verdienen. Die Plattformbetreiber nehmen dazu die Mittlerfunktion einer klassischen Bank ein. Die aktuellen Umsatzvolumina von den im Fachjargon als Peer-to-Peer-Plattformen bezeichneten privaten Kreditbörsen im internationalen Vergleich sind hier gelistet, Stand 30.01.2009.

Die Zahlen basieren allerdings nur auf den eigenen Angaben der Unternehmen. Das muss aus wissenschaftlicher Sichtweise nicht unbedingt nachteilig sein, denn auch die Zahlen der testierten Wirtschaftsprüfer zu den an der Börse gelisteten berichtspflichtigen Unternehmen, fielen in der Vergangenheit nicht immer korrekt aus, wie wir alle wissen.

Gründet die Realwirtschaft eigene Bankstrukturen?

Fakt ist jedenfalls, mit jedem Wimpernschlag, den die traditionellen Banken an Glaubwürdigkeit verlieren, wird die Suche nach neuen Geschäftsmodellen einleuchtender. Inoffizieller Spitzenreiter im Ranking unter den privaten Kreditbörsen ist demnach Anbieter Virgin Money. Ob sich das Konstrukt des Unternehmensgründers Richard Branson von Virgin Airlines auch langfristig als der Überflieger erweist, muss sich erst noch zeigen.

Ob Mythos oder Realität - der von der Queen geadelte Sir Richard Branson, der mit seiner Fluglinie irgendwie auch zu den Opfern der Finanzkrise gehört, nutzt derzeit die öffentliche Stimmung geschickt für seine Publicity aus. Und zwar indem er ankündigt, die Fluggesellschaft zu einer Bank umbauen zu wollen. Auch die dafür erforderlicheBanklizenz will er sich durch eine Übernahme sichern bzw. hinzu kaufen.

Welche Durchschlagskraft hat der Community-Ansatz

Wenn die Realwirtschaft nun, wie Richard Branson damit begänne, eigene Finanzierungsstrukturen als Gegengewicht zur quasi supranationalen Hegemonie der Bankenwirtschaft zu etablieren, dann könnte so manches finanzielle Königreich erzittern. Spinnen wir also den Gedanken einmal weiter, jede einzelne Person selbst könnte selbst der kleine Teil einer Bank sein, und die Summe des Ganzen wäre besser als die Summe der Einzelteile.

Kann dieses Modell ohne falsche Sozialromantik überhaupt auf einer breiteren Grundlage jenseits der Vergabe des einen oder anderen Mikrokredits funktionieren? Dazu ein Blick in die Historie und Struktur von Social Banking: Die private Kreditvergabe mit Hilfe von Peer-to-Peer-Netzwerken geht hauptsächlich zurück auf Großbritannien und die USA.

Einer der ersten Anbieter ist Zopa – „Zone of Possible Agreement“, das „Gebiet für eine mögliche Übereinkunft”. Das ist eine ziemlich umständliche Bezeichnung für ein Unternehmen, das auf einem evolutionären Geschäftsmodell basiert. Nämlich dem Ziel, das Internet als Schnittstelle für die Vermittlung von privaten Krediten zu nutzen.

Vereinfacht ausgedrückt funktioniert das so: Wildfremde Menschen legen kleinere Geldbeträge in einen gemeinsamen virtuellen Kredittopf, aus dem sich ein einzelner Empfänger die gesamte Einlage ausleiht. Unternehmen gehören eigentlich nicht zur Zielgruppe derartiger Plattformen, die sich auch in Deutschland zunehmender Popularität erfreuen.

Wie kann man jedoch von vorne herein ausschließen, dass es auch unter den Anbietern von Social Banking viele kleine Piranhas gibt, die die harmlosen Zierfische ausnehmen? Der Berliner Anbieter Smava gilt bislang als einer der wenigen Online-Kreditvermittler von privat zu privat mit einem soliden Geschäftsgebaren, inklusive einer Einlagensicherung bei der BIW-Bank.

Das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen wurde sogar mehrfach von der Stiftung Warentest - als einziger Anbieter – mit dem Etikett „seriös“ eingestuft. Doch reicht das aus, um eine größere Zahl an kritischen Kunden anzulocken? Wohl nicht ganz. Der große Run auf Smava in Deutschland blieb bislang aus, trotz steigender Kundenzahlen und Umsatzvolumina.

Neues Potential wittern die Gründer von Smava derzeit vor allem bei unternehmerischen Tätigkeiten. Etwa im Bereich von Mikrokrediten für kleine Selbständige, Freiberufler oder Start ups. Der Phantasie der Anleger oder Kreditnehmer wären prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Was der Gesetzgeber erlaubt, steht zwar auf einem anderen Blatt. Aber da die Finanzwelt sich ohnehin im Umbruch befindet, haben auch neue Geschäftsmodelle eine deutlich größere Chance.

Kommt die ganz andere Privatbank?

Im Prinzip könnte nämlich eine öffentliche und mit transparenten Regeln agierende Internetgemeinschaft das Risikomanagement nicht nur von Krediten übernehmen, sondern auch das Platzieren eines vorhandenen Geldvermögens, bis hin zu Unternehmenskrediten und neuen Beteiligungsmodellen in der Wirtschaft.

Natürlich lässt sich das Modell des Social Bankings im Bereich der privaten Kreditvergabe (Peer-to-Peer) aufgrund von rechtlichen Vorgaben (Zulassungsfragen) nicht so ohne weiteres auf die moderne Geschäftswelt übertragen, um etwa den etablierten Banken in großem Stile Marktanteile abzutrotzen. Nicht jeder Mensch kann und darf schließlich - im Gegensatz zum deutschen Vereinswesen –gemeinsam mit anderen natürlichen Personen quasi ad hoc gleich eine eigene Bank gründen.

Setzen indes windige Kapitalmarktstrategen das Vertrauen der Anleger weiter aufs Spiel, könnten sich diese ihrer kollektiven Machtstellung stärker bewusst werden und den etablierten Marktteilnehmern ihr Vertrauen entziehen. Zumindest theoretisch wären somit auch andere Szenarien für das Social Banking möglich, analog zur Peer-to-Peer-Kreditvergabe.

Partizipationsmodelle jenseits von Kleinkrediten

Beim Social Lending funktioniert das Beteiligungsmodell, das sich durchaus auch auf andere Bereiche übertragen ließe, wie folgt: Kommt eine stattliche Anzahl von Verleihern bei der „möglichen Übereinkunft“ zusammen, z.B. etwa 50 Personen, freut sich der private Empfänger im Idealfall über einen relativ niedrigen Zinssatz für sein geborgtes Geld, und die Geber werden für ihre Bemühungen mit einem angemessenen Zinssatz belohnt, wenn die Summe an diese zurückfließt.

Das Unternehmen Zopa erhält so etwa für die eigene Vermittlungstätigkeit analog zur klassischen Bank einen Provisionsanteil, den sich in diesem Fall Käufer bzw. Anbieter vom vereinbarten Kreditvolumen teilen. Der Grundgedanke, eine persönlich motivierte Kreditentscheidung über das Internet zu koordinieren, ist durchaus mit einem gewissen Sex Appeal versehen und birgt ein hohes Potenzial für das virale Community Marketing.

Geber und Nehmer sind immerhin transparent und kennen sich „vom Sehen“ aus den hinterlegten Persönlichkeitsprofilen. Auch die Zielgruppe bzw. die soziale Mixtur ist breit gefächert. Sie reicht vom durchschnittlichen Konsumkredit für den Gebrauchtwagen, über das Darlehen für den Ausbau des kleinen Schrebergartens, bis hin zum Startkapital für ein Catering-Business.

Oftmals ist es eine akute Notlage, die Menschen nach Verbündeten auf Internet-Plattformen wie Zopa oder Prosper, dem amerikanischen Pendant, vorstellig werden lässt. Etwas plakativ und fälschlicherweise wird dieser Trend gelegentlich als „eBay des Geldes“ etikettiert, was allerdings nur bedingt richtig ist.

Als wesentliche Gemeinsamkeit mit eBay gibt es nur ein einziges Merkmal. Wie der führende Betreiber von Online-Auktionen, balanciert und bringen Zopa & Co. die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer zusammen und steuern somit Angebot und Nachfrage. Nur geschieht dies bei Zopa eben mit dem Unterschied, dass keine Warengeschäfte, sondern ausschließlich Kredite zwischen Privatpersonen vermittelt werden, noch dazu innerhalb eines rechtlich wesentlich komplexeren Rahmens.

Zudem vermitteln die Betreiber auf der Plattform im Gegensatz zu privaten Tauschbörsen keinen Vertragsabschluß zwischen zwei „natürlichen“ Personen, einen Geber und einen Empfänger, sondern zwischen einer Einzelperson und einem „Pool von Gebern“. Die jeweiligen Kreditgeber vermerken schließlich auf Zopa, welchen Betrag sie wie lange und zu welchem Zinssatz verleihen möchten.

Kreditnehmer können die angebotenen Zinssätze akzeptieren oder selbst einen Satz vorschlagen. Potenzielle Gläubiger und Schuldner sollen sich auf diesem Verhandlungsprinzip schrittweise annähern bis zum Vertragsschluss. Das eigene Verleihprinzip bezeichnet Zopa als „peer-to-peer lending“, was sich in etwa mit „Geldverleih unter Gleichrangigen“ übersetzen lässt.

Das System rund ums Social Banking profitiert derzeit natürlich mehr als noch vor zwei bis drei Jahren von der großen Unzufriedenheit vieler Kunden mit den etablierten Banken. Allerdings nicht in dem Ausmaß, wie dies viele vielleicht erwartet hätten. Noch also greift der Marketingslogan nicht ganz, sich mit dem Charakter einer menschenfreundlichen Alternative zu den klassischen Instituten zu präsentieren - trotz zahlreicher Testimonals von zufriedenen Kunden, die dem Ganzen eine seriöse Außendarstellung verleihen.

Nicht immer können auch die Plattformbetreiber selbst den Anspruch einer menschenfreundlichen Alternative einlösen. Nimmt man etwa das amerikanische Pendant von Zopa - Prosper - genauer unter die Lupe, so fällt auf, dass die Zinssätze bei den Vergabeprozeduren für die meist in privaten Notfallsituationen gewährten Darlehen fast durchgängig im zweistelligen Prozentbereich liegen. Also keineswegs unter denen eines traditionellen Bankhauses, sondern eher auf dem Niveau von überteuerten Dispozinsen beim überzogenen Privatkonto.

Wie risikoreich gehen die Betreiber vor?

Der Kunde sollte also auch beim Social Banking genau hinschauen, welcher Anbieter zu welchen Konditionen was anbietet und wie die Kunden dies fortlaufend überprüfen können. Seine Berechtigung steht indes außer Frage. Geld verdient etwa das britische Unternehmen Zopa, weil Bonitätsprüfung, Kreditvermittlung und -abwicklung im Gegensatz zu herkömmlichen Kreditinstituten voll automatisiert sind und ausschließlich über das Internet erfolgen.

Den Kreditgebern verspricht Zopa eine durchschnittliche Rendite von 6,5 Prozent auf ihre Einlage. Der Marktmechanismus funktioniert so, dass der Betreiber das eigene Terrain durch eine sorgfältige Überprüfung der Kreditwürdigkeit gegen ein allzu hohes Ausfallrisiko absichert.

Allerdings verbleibt das Risiko letzten Endes immer komplett beim „Anleger“. Die Gewichtung der Risikofaktoren wird zwar durch den Umstand eingegrenzt, dass das Unternehmen den verliehenen Betrag auf mindestens 50 Kreditnehmer aufteilt, oder aber Zahlungsausfälle bereits in die zu erwartende Rendite einbezieht.

Weiter reichende Garantien gibt es beim peer-to-peer-lending aber keine, was aufgrund des sozialen Charakters der Plattform „Gemeinsam sind wir stärker“ gelegentlich übersehen wird. Trotz des auf viele Schultern verteilten Risikos ist das Geld der Anleger beim Social Lending nur unzureichend gegen den nahezu kompletten Verlust abgesichert, etwa durch eine Art Einlagensicherungsfonds.

Allerdings sind auch klassische Kreditvermittler dagegen nicht hundertprozentig gefeit. Das Konzept von Zopa sieht für die Kunden lediglich die Variante vor, bei einer Pleite durch ein Inkassounternehmen ihre Kreditverträge „abkaufen“ zu lassen. Im Internet erklärt Zopa, dass die Anleger im Schadensfall „mindestens zehn Prozent“ der verliehenen Summe zurück erhalten. Trotz dieser kleinen Garantiesumme verbleibt somit ein ausgesprochen hohes Restrisiko beim privaten Kreditverleiher.

Greift das Marktmodell von Zopa & Co.?

Obwohl Verbraucherschützer und Experten noch kein eindeutiges Urteil gefällt haben, stufen Marktforscher wie das holländische Forschungsinstitut Trendwatching.com die aufstrebende Branche der Online-Kreditvermittler als einen Beleg für die wachsende Bedeutung von autonom agierenden Internetcommunities ein, die mittlerweile einen hohen Reifegrad erreicht hätten.

Geprägt sei dieser Trend von dem Paradigmenwandel in der Welt des Internets, der dadurch gekennzeichnet sei, dass bislang passive Konsumenten sich zunehmend zu „Produzenten und Unternehmern“ weiter entwickeln, argumentieren die Marktforscher. Die spannende Frage für die künftige Gestaltung der Kreditszenerie lautet indes, ob das Modell Zopa angesichts der hohen Kreditrisiken und der nur moderaten Zins- und Kostenvorteile die bestehende Bankenlandschaft tatsächlich nachhaltig beeinflussen kann.

Einerseits sind Zopa & Co. nicht mit jenen Internet-Banken zu vergleichen, die in den neunziger Jahren gegründet wurden - und die das Kreditgewerbe in der heißen Phase der New Economy kräftig durcheinander wirbelten. Den neuen Spielern im aufstrebenden Metier des Online-Bankings gelang es vor einigen Jahren immerhin, auf der Basis niedriger Gebühren und Transaktionskosten, die nur einen Bruchteil dessen betrugen, was etablierte Banken mit einer ausgeprägten Kostenstruktur einforderten, rasch auf dem neuen Markt Fuß zu fassen. Gerade dieses Marktpotenzial dürfte durch die hierzulande bereits gut erschlossene und kostengünstige Internetinfrastruktur limitiert bzw. bis zu einem gewissen Grad ausgereizt sein.

Teil 3: Social Banking: Zündet die nächste Stufe der Internetrevolution?