Spuren Dunkler Materie - mit Fragezeichen

Fast ein Viertel der Masse des Universums wird von Dunkler Materie gebildet - von der es bisher aber außer ihrer Gravitationswirkung keinen Nachweis gibt. Das Experiment "Pamela" liefert nun neue Daten

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Wenn es eine offensichtliche Diskrepanz dazwischen gibt, was Forscher beobachten, und dem, was sie berechnen, dann gibt es dafür zwei mögliche Reaktionen: Man nimmt an, dass die Theorie, die hinter den Berechnungen steht, nicht stimmt. Oder man glaubt, wohl nicht genau genug hingesehen zu haben, und versucht, die fehlenden Beobachtungen nachzuholen. Das Verhalten unseres Universums ist so ein Fall: es dehnt sich in einer Art und Weise aus, die sich aus der beobachteten Masse nicht erklären lässt. Nun könnte man annehmen, dass eben unser Verständnis der Gravitation ungenügend ist - dumm nur, dass sich damit schon eine Menge erklären lässt. Also nutzt man doch lieber Ausweg zwei.

Schuld daran, dass wir bisher nicht genau hinsehen konnten, sollen die speziellen Eigenschaften der Hilfskonstrukte sein, die man als „Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“ bezeichnet. Dunkle Materie müsste demzufolge etwa 23 Prozent des Universums ausmachen, Dunkle Energie sogar 73 Prozent - und nur der klägliche Rest von vier Prozent wäre normale, baryonische Materie, wie wir sie seit langem kennen. Dass von ihrem dunklen Äquivalent nichts zu bemerken ist, liegt daran, dass es mit der normalen Materie sehr, sehr selten wechselwirkt. Sag niemals nie - bei der ungeheuren Größe des Weltalls muss es natürlich trotzdem jede Menge Wechselwirkungen Dunkler und baryonischer Materie geben.

Anzeichen davon hat jetzt ein internationales Forscherteam im Rahmen des Pamela-Experiments (Payload for Antimatter Matter Exploration and Light-nuclei Astrophysics) gefunden. Nachdem das Wissenschaftsmagazin Nature schon im vergangenen Jahr Hinweise darauf veröffentlicht hatte, hat das Paper der beteiligten Forscher nun den Peer-Review-Prozess durchlaufen und ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift abgedruckt.

Start des Satelliten Resurs-DK1 mit dem PAMELA-Experiment im kasachischen Raumfahrtzentrum Baikonur am 15. Juni 2006 (Foto: PAMELA Collaboration)

Pamela (siehe PAMELA auf der Suche nach Dunkler Materie) sucht dabei nach dem kleinen Anteil von Antimaterie-Teilchen in der kosmischen Strahlung. Dafür sind im Prinzip zwei Quellen denkbar: Zum einen können Positronen oder Antiprotonen durch Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit dem interstellaren Medium entstehen - diese Mechanismen fassen die Forscher zu Sekundärquellen zusammen. Zum anderen können Positronen auch primäre Produkte astrophysikalischer Objekte wie etwa von Pulsaren oder Mikroquasaren darstellen oder durch die Annihilation Dunkler Materie geboren worden sein.

Der Pamela-Detektor hat nun über einen Zeitraum von etwa 500 Tagen das Verhältnis von Elektronen- und Positronen-Fluss in seiner Erdumlaufbahn gemessen. Eine Milliarde Ereignisse wurden dabei registriert, darunter fanden sich Spuren von über 150.000 Elektronen und 9430 Positronen im Energiebereich zwischen 1,5 und 100 GeV. Bei Energien unter 10 GeV ist der Positronen-Anteil niedriger als erwartet, was die Forscher vor allem dem Einfluss des Sonnenwinds zuschreiben.

Hingegen zeigte sich, dass der Anteil der Positronen im Bereich ab 10 GeV signifikant mit der Energie wächst. Dieses Ergebnis passt nicht zu der Annahme, dass die detektierten Positronen aus einer sekundären Quelle stammen - in diesem Fall müsste der Positronen-Anteil mit der Energie abnehmen, während das Elektronenspektrum immer härter wird. Mit diesen Daten können die Wissenschaftler noch nicht entscheiden, was in der Realität die Quelle der Positronen sind - die Magnetosphäre eines Pulsars kommt ebenso in Frage wie annihilierte Dunkle Materie.

Schematische Darstellung des PAMELA-Detektors (Foto: PAMELA Collaboration)

Wenn man allerdings annimmt, dass Dunkle Materie mindestens teilweise zum Positronenfluss beträgt, dann verrät das etwas über die Quelle selbst, also die Dunkle Materie. Diese muss sich zum Beispiel einem Zerfall in vor allem leptonische Endzustände unterwerfen. Zudem kommen nur schwere WIMPs in Frage, die nicht homogen im Universum verteilt sein dürften. Noch mehr ließe sich verraten, könnte man das Positronen-Spektrum oberhalb von 100 GeV bestimmen - Pamela wird sich deshalb nun verstärkt diesem Bereich widmen. Zur Unterscheidung von Pulsaren und Dunkler Materie als Positronenquelle hofft man auf Daten des FERMI-Satelliten, der das kosmische Gamma-Spektrum untersucht. Pulsare und Dunkle Materie sind nämlich unterschiedlich im Weltall verteilt, was auch das Gammaspektrum beeinflussen müsste.