Wie Banken "positive" Quartalergebnisse herbeirechnen

Verluste werden in die Zukunft ausgelagert und ein Gewinn über neue Bilanzierungsregeln herbeigerechnet

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Die Börsianer jubilieren wieder und der US-Präsident Barack Obama macht Zeichen aus, dass das Tal der Tränen durchschritten sein könnte. Unter den "Hoffnungsschimmern" dürfte Obama auch die Quartalsergebnisse von US-Banken wie Goldmann Sachs, JP Morgan und Wells Fargo im Blick gehabt haben. Sie haben alle nun schnell "positive" Quartalsergebnisse vermeldet. Goldmann Sachs soll zum Beispiel mitten in der tiefen Rezession 1,66 Milliarden US-Dollar an Gewinn gemacht haben, doppelt so viel als erwartet worden war.

Doch schaut man sich den angeblichen Gewinn etwas genauer an, dann bleibt im Fall von Goldmann Sachs eigentlich nichts übrig. So wurden Verluste von einer Milliarde Dollar, die in dem Institut im Dezember angefallen sind, schlicht in keinen Quartalsbericht aufgenommen. Der Trick liegt darin, dass die Berichtsperiode umgestellt wurde. Endete das vierte Quartal wie gewöhnlich im November, begann der neue Berichtszeitraum im Januar, womit der Dezemberverlust in einer Berichtslücke verschwunden ist.

Neben weiteren diversen Sonderfaktoren, wie die supergünstigen Refinanzierungsmöglichkeiten über die US-Notenbank (FED), lassen auch andere Faktoren an der Nachhaltigkeit der angeblich guten Ergebnisse zweifeln. So weisen die Banken nun positive Ergebnisse aus, weil sie die kürzlich gelockerten Bilanzierungsregeln nutzen, um die Ergebnisse in die Gewinnzone zu rechnen. Nach den neuen Regeln müssen faule Wertpapiere nicht mehr zum aktuellen Marktpreis bilanziert und abgeschrieben werden. Die Spielräume werden großzügig genutzt, um hohe Verluste aus den "Unwertpapieren" weit in die Zukunft zu verschieben. Das Prinzip Hoffnung auf bessere Zeiten regiert. Das kommt Obamas psychologischem Feldzug entgegen, weil es die negative Abwärtsspirale aus schlechten Nachrichten, Wertverlusten, Notverkäufen und neuen Abschreibungen scheinbar durchbricht.

An den realen Gegebenheiten ändert sich aber nichts. Erinnert sich noch jemand daran, dass anfänglich in der Finanzkrise allseits Transparenz gefordert wurde, um wieder Vertrauen in die Finanzmärkte zu schaffen. Die lückenlose Aufdeckung aller Risiken wurde verlangt. Doch wird mit den freizügigen Regelungen zur Bilanzierung nun ganz bewusst zur Nebelkerze gegriffen. Zwei Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise wissen wir nicht, welche Unsummen an faulen Wertpapieren und Krediten noch immer in den Bankbilanzen versteckt sind. Zur Krisenbewältigung werden also verstärkt auf die Mittel zurückgegriffen, die erst zu der Krise geführt haben, sprechen einige es sogar offen aus. Sie behaupten, es bestünde keine Alternative und fordern weitere ökonomische Untaten.

Man darf auf die Berichte in den folgenden Quartalen gespannt sein. Im Fall der Deutschen Bank ging die Nummer mit den gelockerten Bilanzierungsregeln ziemlich schnell nach hinten los. So konnte im dritten Quartal 2008 die deutsche Großbank nach der Lockerung der Regeln noch einen "Gewinn" von gut 400 Millionen Euro vermelden, der nach den alten Bilanzierungsregeln ein Verlust von fast einer Milliarde Euro gewesen wäre. Wie wenig nachhaltig die geschönten Zahlen waren, zeigte sich dann im vierten Quartal, als trotz neuer Bilanzierungsregeln ein Verlust von 4,8 Milliarden ausgewiesen werden musste.

Ob es sich also bei solch aufgehübschten Zahlen um Lichter am Ende des Tunnels handelt, darf bezweifelt werden. Jedenfalls können, weil Vergleichbarkeit kaum gegeben ist, solche Zahlen nicht benutzt werden, um ein Ende der Bankenkrise herbeizufabulieren. Derlei Lichter könnten sich schnell als die Lampen eines entgegenkommenden Zugs auf Kollisionskurs entpuppen, wie andere Zahlen nahe legen.

Fakt ist, dass inzwischen in den USA die Ausfallquote bei den Kreditkartenschulden dramatisch in die Höhe schnellt. Nach den geplatzten Hypothekenkrediten platzt nun die nächste Blase (US-Kreditkarten auf Subprime-Kurs?). Im ersten Quartal belief sich die Ausfallrate schon auf fast 8 %. Im vierten Quartal 2008 waren es gut 5,5 % und im Jahresdurchschnitt knapp 4,4 %. Bei den Kreditkarten verlor JP Morgan im ersten Quartal allein 547 Millionen Dollar. Wie gefährlich die Bank mit dem angeblichen so tollen Gewinn im ersten Quartal von 2,14 Milliarden Dollar die Lage in dem Bereich einschätzt, zeigt sich daran, dass sie die Risikovorsorge in der Kreditkartensparte von 4,2 gleich auf 28 Milliarden aufgebläht hat.

Die rasant steigende Arbeitslosigkeit in den USA, die im März erneut eine neue Rekordmarke erklommen hat, spielt hier eine große Rolle. Sie wächst monatlich um 600.000 bis 700.000 Personen und ist auf dem höchsten Stand seit 25 Jahren. Auch der schwere Rückschlag bei den Einzelhandelsumsätzen weist nicht auf die erhoffte Konjunkturerholung hin. Nach zwei Monaten mit leicht steigenden Umsätzen, brachen die Umsätze der US-Einzelhändler im März um 1,1 % ein. Erwartet worden war allseits ein erneuter geringer Anstieg um 0,3 %.

Anders als Obama vorzugaukeln versucht, dürfte der Abschwung der US-Wirtschaft tatsächlich sogar weiter an Fahrt aufgenommen haben. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA schon im vierten Quartal bereits um 6,3 % schrumpfte, rechnet zum Beispiel Richard Fisher, Präsident der Distriktnotenbank Dallas, im ersten Quartal 2009 mit einem "schwindelerregenden Rückgang" der Wirtschaftsleistung. Dass auch die USA nun in die gefährliche Stag-Deflation abrutschen, ist ebenfalls kein gutes Zeichen. Wie in Japan und Spanien ist die Jahresteuerung zurückgekehrt, in den USA sank der Verbraucherpreisindex im März auf Jahressicht um 0,4 %.