Ärzte und Psychologen als Folterknechte

Bei der Ausarbeitung und Umsetzung der "innovativen Verhörtechniken" der CIA waren auch Psychologen und Ärzte aktiv beteiligt

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Auch wenn US-Präsident Obama immerhin den Schneid besaß – oder sich auch nur verpflichtet fühlte -, einige der Rechtsgutachten zu veröffentlichen, in denen dienstwillige Juristen Folter so lange umdefinieren, bis sie annehmbar erscheint (Schmerz und Lüge), wurde zu Recht scharfe Kritik laut, dass er weder gegen die Verantwortlichen noch gegen die Ausführenden vorgehen will. Obama berief sich auf "nationale Sicherheit, die offenbar alles erlaubt und auch beim neuen Präsidenten zu einem probaten Mittel zu werden scheint, Rechtsstaat und Menschenrechte auszusetzen. Und er meinte, es sei "Zeit zum Nachdenken, nicht zur Vergeltung". Inwiefern nachgedacht wird, machte er aber nicht deutlich.

Wie sich nun herausstellt, scheinen die "harten Verhörmethoden", wie man gerne die Folter umschrieb, teils auch gegen den Widerstand der ausführenden Geheimdienstmitarbeiter von oben durchgesetzt worden zu sein. Wie New York Times berichtet, wurde etwa der besonders brutal gefolterte Abu Subaida auf Anweisung von hohen CIA-Mitarbeitern in der Zentrale mit allen von den Rechtsverdrehern zugelassenen Mitteln traktiert, obgleich diejenigen, die ihn verhört hatten, sagten, er habe bereits alles, was er wisse, gesagt.

Die CIA-Führung habe sich dagegen auf eine Beurteilung gestützt, die die Bedeutung von Subaida weit überschätzte. Die Folter hat schließlich zu keinen weiteren Ergebnissen geführt, CIA-Mitarbeiter, die eigentlich ein hartes Vorgehen befürwortet hatten, sollen nach einem Informanten der NYT gesagt haben, sie seien aufgrund "des Ausmaßes des menschlichen Leids und der Demütigung" traumatisiert worden. Wie immer in solchen Skandalen haben alle nur gemacht, was ihnen befohlen wurde und was rechtmäßig gewesen sei.

Zwar war auch schon lange bekannt, dass Ärzte und Psychologen bei der Folter behilflich waren (Abu Ghraib, die Folter und die Mitverantwortung der Ärzte, Das Pentagon und die Folter). Das wurde jetzt erneut bestätigt. Das unter Bush und Cheney aufgebaute Folter- und Unrechtssystem übte sicher erheblichen Druck auf alle in der Befehlskette aus, erschreckend ist allerdings doch immer wieder, wie die Menschen – bis hinauf in die intellektuelle "Elite" (Die intellektuellen Wegbereiter von Folter und Willkürjustiz) - fügen, Gutachten zur Rechtfertigung des Unrechts verfassen, Befehle befolgen und "kreativ" wie gerade Ärzte und Psychologen Ratschläge anbieten, um die Folter zu verstärken und die Opfer psychisch und physisch zu brechen (Ein System der Folter in Guantanamo).

Deutlich wurde dies auch wieder im Fall von Subaida, der nach seiner Übergabe an die CIA nur noch Kontakt mit einem CIA-Agenten hatte, der ihn verhörte, und einem Psychologen. Hervorgetan hatte sich aber offenbar besonders der Psychologe, wie die Washington Post aufgrund der veröffentlichten Dokumente schreibt, der nun ein Versuchsobjekt gefunden zu haben schien. Er bot – in Zusammenarbeit mit anderen - Ideen, Methoden und Rechtfertigungen an, um den Mann zu unterwerfen, woraus die zehn "harten Verhörmethoden" – auch "einzigartig und innovativ" genannt - entstanden: extremer Schlafentzug, Schlagen, Knallen gegen eine Wand, Waterboarding, Aussetzen an Insekten, um Angst zu erzeugen, Einsperren in enge Käfige, Nacktheit, um das Selbstwertgefühl zu untergraben, Diät, die furchtbar schmeckt, laute Musik ("Dieser Geheimdienst foltert nicht"). Die Zwecke heiligen die Mittel – und natürlich alles im Dienste von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat. Und weil der Psychologe diese Maßnahmen befürwortete und versicherte, dass dadurch keine schweren körperlichen oder psychischen Leiden verursacht würden, fanden auch die Juristen nichts dabei. Die Experten arbeiten sich zu und stützen einander.

Die Rolle der Ärzte und Psychologen, die meist von der CIA angestellt worden waren, ist wohl besonders verurteilenswert, weil sie sich nicht primär um das Wohlergehen der Menschen sorgten, sondern manche auch sicherstellten, dass sie die Verhöre überstanden, um sie fortzusetzen. Zudem sollte ihre Präsenz beweisen, dass nicht gefoltert wurde, wie US-Präsident immer wieder beteuerte. Es kommt halt auf das Verständnis von Folter an – und wer sie ausführt.

Frank Donaghue von den Ärzten für Menschenrechte hat das medizinische Personal, das an den Folterverhören der CIA beteiligt war, das Gesetz gebrochen und die "grundlegenden ethischen Traditionen der Medizin und Psychologie" verletzt. Wer an Folter beteiligt war, müsse seine Lizenz verlieren und sollte nie mehr wieder praktizieren dürfen. Auch die Vereinigung der amerikanischen Psychologen hat die Teilnahme von Mitglieder am CIA-Programm verurteilt, scheint aber nicht Willens zu sein, diese auszuschließen. Andere Berufsverbände schließen ebenfalls Teilnahme an Folter aus (US-Armee nutzt Psychologen beim Verhör).

Dass nun nach dem Willen des Weißen Hauses niemand damit rechnen muss, wegen der Anordnung, der Legitimierung, der Unterstützung und der Ausübung von Folter mit Konsequenzen rechnen zu müssen, ist ein Armutszeugnis und verspricht nichts Gutes für die Zukunft. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, sagt, damit verstoße die US-Regierung auch gegen das Völkerrecht:

Die USA haben sich - wie alle anderen Vertragsstaaten der UN-Konvention gegen die Folter - verpflichtet, Folterungen strafrechtlich zu untersuchen und alle Personen vor Gericht zu stellen, bei denen sich die Beweise als stichhaltig erweisen. Das wäre dasselbe in Österreich: Wir könnten nicht einfach ohne Verletzung dieser Konvention sagen, "aber für bestimmte Folterungen wollen wir eine Ausnahme machen, da gibt es keine strafrechtliche Verfolgung".