Obama und Iran: Wird das Eis brechen?

Ahmadinedschads "Kartoffelpolitik" nach innen und Hinhaltetaktik nach außen

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Nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt beweist Barack Obama, dass er zu den US-Präsidenten gehört, die ihren Wahlversprechen Taten folgen lassen. In drei wichtigen Konfliktzonen des Südens hat die neue US-Administration eine offensive Diplomatie eingeschlagen. Von 140.000 US-Soldaten im Irak werden im August 2010 nur noch 50.000 übrigbleiben. Sehr schnell organisierten die USA im März eine internationale Afghanistan-Konferenz in Den Haag, zu der ca. 70 Staaten, darunter die Islamische Republik Iran, eingeladen wurden.

Die Bekämpfung der Taliban steht auf der Agenda von Obamas Außenpolitik weit oben, wofür er die US-Truppen in Afghanistan vorläufig um 17.000 Mann aufstockte. Die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo Bay innerhalb eines Jahres hat der US-Präsident bereits Ende Januar angeordnet.

Die neue Administration und der Iran

Sehr zentral in der US-Außenpolitik wird die neue Haltung zum Iran sein. Die beiden Staaten haben seit 1980 keine diplomatischen Beziehungen mehr und zählen gegenseitig zu den erbittertsten Feinden. Der neue Irankurs des Weißen Hauses wurde durch eine Videobotschaft Obamas am 20. März deutlich. Zum ersten Mal überhaupt gratulierte ein US-Präsident zum persischen Neujahrsfest. In dieser Botschaft, die sowohl an die iranische Führung wie auch an das iranische Volk gerichtet war, streckte der US-Präsident die Hand zu einem „Neubeginn“ aus. Kurz danach erfolgte die offizielle Einladung zur Afghanistan-Konferenz seitens der US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton.

Es scheint so, als ob erste Konturen des Iran-Kurses der neuen Administration erkennbar geworden sind. Die Bush-Administration hatte die Aussetzung des iranischen Atomprogramms zur Voraussetzung für direkte Verhandlungen deklariert. Nun wollen die USA nach Ankündigung der US-Außenministerin Clinton ohne Vorbedingung an den „Fünf-plus-eins- Verhandlungen“ (die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) mit Iran teilnehmen. Die Vereinigten Staaten gingen noch einen Schritt weiter.

Nach einem Bericht der New York Times wollen die USA dem Iran die Urananreicherung während der Dauer eventueller Verhandlungen zugestehen. Irans Nuklearaktivitäten müssten jedoch unter strenger der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verlaufen. „They sense that Obama is serious in trying a new track”, kommentierte Abbas Milani, der Direktor des Zentrums für Iranstudien an der Stanford-Universität.

Irans Antwort, wie gehabt

Teherans Reaktion auf Obamas Neujahrsgruß kam von höchster Stelle. Die Antwort des obersten religiösen Führers Ayatollah Ali Khamenei bestand aus den Phrasen, die die iranische Führung seit vier Jahren verwendet. Amerika müsse seine Iran- und Nahostpolitik in Taten und nicht in Worten ändern. Sie müssten ihre blinde Unterstützung Israels beenden und aufhören, Iran des Terrorismus und des Strebens nach Atomwaffen zu bezichtigen. „Die Islamische Republik sieht keine Änderung der US-Politik gegenüber dem Iran.“ Iran schickte jedoch seinen stellvertretenden Außenminister Mohammad Mehdi Akhondzadeh zur internationalen Afghanistan-Konferenz in Den Haag. Präsident Ahmadinedschad begrüßte die Ankündigung der USA, direkt und ohne Vorbedingung mit Iran verhandeln zu wollen. Es sei jedoch zu früh, Obamas Hand zu schütteln.

Ahmadinedschads Presseberater Ali Akbar Javanfekr schrieb am 31. März einen Artikel in der Los Angeles Times, in dem er die bekannten berechtigten und unberechtigten Kritikpunkte Irans an den USA wiederholte. Die Beziehungen zu den USA sind die heikelsten für den Iran und die bisherige, 30 Jahre währende Krise hat dem Land Schäden in astronomischer Höhe beschert.

Die iranische Seite verwickelt sich insbesondere seit dem Amtsantritt Präsident Ahmadinedschads in Widersprüche und es sieht so aus, dass das konservative Establishment an der Wiederaufnahme der Beziehungen gar nicht interessiert ist. Immerhin war Irans Außenpolitik der letzten dreißig Jahre auf die zwei Mottos „Tod Amerika“ und „Tod Israel“ gegründet. Eine fundamentale Änderung der Politik gegenüber den USA bedarf ebenfalls einer konstitutiven Kursänderung im Innern. Genau das ist das Dilemma der iranischen Führung.

Was will der Iran?

Für die Beantwortung dieser Frage ist es sinnvoll, Javanfekrs Artikel in der Los Angeles Times aufzugreifen. Javanfekr beginnt mit der Verwicklung der CIA in den Sturz des weltlich-demokratischen Premiers Mohammad Mossadegh 1953. Das ist zwar wahr, doch im Iran weiß jeder, wie Mossadegh von den Mullahs und ihrem zivilen Anhang verachtet und gehasst wird. In Teheran sind Straßen nach Khalid el-Islambuli, dem Mörder des ägyptischen Präsidenten Mohammad Anwar as-Sadat, und dem Hisbollah-Terroristen Emad-Moghnie benannt, nur keine einzige Gasse nach dem von Millionen Iranern als Nationalheld verehrten Demokraten Mossadegh.

Er ist der einzige Regierungschef in der neuzeitlichen iranischen Geschichte, der über vierzig Jahre nach seinem Tod noch verehrt wird. Seine jungen Getreuen wurden kurz nach der Revolution aus allen Positionen vertreiben, teils ins Gefängnis gesteckt, gefoltert und sogar brutal ermordet. Javanfekr fährt mit dem Vorwurf der massiven Unterstützung des Saddam-Regimes durch Amerika während des achtjährigen Iran-Irak-Krieges (1980-88) fort. Knapp ein Jahr zuvor hatten radikale iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzt und 52 US-Diplomaten 444 Tage lang als Geiseln gefangen gehalten.

Seit jenem November 1979 ertönt überall in den Moscheen und bei Freitagsgebeten der Ruf „Tod Amerika“. Parallel versuchte Ayatollah Khomeini, die iranische Revolution in die Nachbarländer zu exportieren, was auch ein Grund für den Ausbruch des Krieges mit Saddams Irak war. Die westliche Unterstützung Saddam Husseins ist ebenfalls eine Tatsache. Man stelle sich jedoch noch ein paar Staaten vom Schlage der Islamischen Republik in der Region vor. Es ging damals darum, der Expansion des Khomeiniismus Einhalt zu gebieten.

Die damalige Führung in Teheran hat selber durch die völlig unnötige Fortdauer des Krieges, die auf zwei Jahre hätte beschränkt sein können, eine ganze Generation und Ressourcen in Milliardenhöhe vernichtet. Javanfekr kritisiert die USA, dass sie drei Jahrzehnte lang Iran boykottiert und seinen technologischen Fortschritt maßgeblich behindert hätten. Als ob man die Geiselnahme und täglichen Todesdrohungen nun auch noch mit Bonbons honorieren müsste.

Für die Verwicklung in den Umsturz von 1953 haben Bill Clinton und Außenministerin Madeleine Albright 2000 ihr tiefes Bedauern ausgedrückt. Noch heute verlangen iranische Offizielle, wie auch Ahmadinedschad vor einem Monat, eine offizielle Entschuldigung.

Irans Gelder auf US-Banken, die 1980 auf Anordnung Präsident Carters gesperrt wurden, belaufen sich auf ca. 10 Mrd. US-Dollar. Der Iran hat allein in den letzten vier Jahren knapp 300 Milliarden US-Dollar aus dem Erdölerlös erzielt. Die 10 Mrd. US-Dollar können also keine grundlegende Forderung bei Verhandlungen sein. An die Seriosität der Forderung, Amerika müsse sich aus dem Persischen Golf zurückziehen, die immer wider aus Teheran ertönt, glauben selbst die betroffenen Personen nicht.

Der berechtigte Einwand des Iran während der vergangenen Jahre bestand in der Ignorierung des Landes im regionalen Konfliktmanagement. Mit der offiziellen Einladung des Iran zur Afghanistan-Konferenz signalisierte Obama auch diesbezüglich eine Politikänderung. In Wahrheit gibt es keine konkreten realistischen Forderungen seitens des Iran.

Iran versus internationale Ordnung

Verhandlungen erfolgen im Rahmen gewisser Spielregeln, die von den Verhandlungsparteien akzeptiert werden. Dazu gehört, dass im Rahmen der Vereinten Nationen einige Staaten eine historisch bedingte Sonderstellung haben, die sich im Vetorecht im Sicherheitsrat äußert. Stillschweigend wird auch die nicht in Institutionen Rolle der USA als einziger Supermacht akzeptiert, unabhängig von der Frage, ob dies gerecht oder ungerecht sei. Der Iran akzeptiert jedoch die bestehende Ordnung seit dem Sieg der iranischen Revolution 1979 nicht.

Das ist das eigentliche Problem des Iran, so der prominente iranische Journalist Abbas Abdi, einer der Anführer der Besetzung der US-Botschaft von 1979. Die USA und der Iran haben auf regionaler und globaler Ebene einige Streitpunkte, die allesamt die regionale und internationale Sicherheit tangieren. Es sind die Existenzberechtigung des Staates Israel, der Irak, Afghanistan, das Nuklearprogramm und (weniger) die Menschenrechte. Der Gottesstaat blickt mit islamistisch-ideologischer Brille auf diese Konflikte. Die Welt erkennt Israel in den Grenzen von 1949 an, Iran negiert Israel gänzlich.

Der UN-Sicherheitsrat gilt als höchstes Entscheidungsgremium der Weltpolitik. Dessen Resolutionen zum iranischen Nuklearprogramm bezeichnet Ahmadinedschad als „ein Stück wertloses Papier“. Der Sicherheitsrat bezichtigt die Hamas und die Hisbollah in einigen Resolutionen des Terrorismus. Teheran unterstützt sie mit Geld und Waffen. Die UN-Menschenrechtskommission verurteilt den Iran wegen schwerer Menschenrechtsverstöße gegen seine Bürger. Die Antwort ist die Zunahme der Hinrichtungen auch bei Minderjährigen. Der Internationale Gerichtshof erlässt Haftbefehl wegen Völkermordes gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir. Am darauf folgenden Tag reist Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani nach Khartum, um ihm demonstrativ die iranische Solidarität zu versichern. Irans Sportler scheiden aus internationalen Wettbewerben aus, weil sie auf Anordnung von oben nicht gegen israelische Sportler (früher auch amerikanische) antreten. Interessant ist, dass sie den eigentlichen Grund durch Krankmeldungen verschleiern, denn ansonsten würde das gesamte Sportlerkontingent gesperrt werden.

Die Respektierung der internationalen Ordnung würde einen radikalen Wandel in Irans Außenpolitik bedeuten. Khamenei selbst hat Mitte April die Unannehmbarkeit der bestehenden „unfairen internationalen Ordnung“ für den Iran bekräftigt. Da Ayatollah Khamenei in seiner Antwort an Obama Irans Außenpolitik zur Gänze verteidigt hat, ist somit ein Kurswandel, zumindest mit dem Duo Khamenei/Ahmadinedschad, nicht zu erwarten.

Die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA bedeutet auch Abkehr von früheren radikalen Positionen, die allerdings nicht spurlos an der iranischen Gesellschaft vorbei gehen kann. Das kann das Fundament des Regimes treffen und das Regime vor große Herausforderungen stellen. Das bedeutet jedoch keinen starren Stillstand und absolute Transformationsresistenz des Regimes. Den hartnäckigen Nuklearkurs Ahmadinedschads unterstützt Ayatollah Khamenei bisher unbestritten. Er hatte aber auch die Entscheidung der Khatami-Regierung, das Atomprogramm temporär zu stoppen, im November 2004 nicht verhindert. Obgleich laut Verfassung die Richtlinien der Außenpolitik vom Religionsführer festgelegt werden, sind Irans Präsidenten deswegen nicht macht- und einflusslos.

Spannende und entscheidende Wahlen

Im Iran finden am 12. Juni die 10. Präsidentschaftswahlen statt. Bisher steht die Kandidatur von zwei Reformkandidaten, Ex-Premier Mirhossein Mousavi und Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karubi fest. Es wird erwartet, dass Ahmadinedschad bald seine Kandidatur offiziell bekannt gibt. Der frühere, sehr kritische Parlamentsabgeordnete Akbar Alami brachte sich als absoluter Außenseiter selbst ins Rennen. Mousavi und Karubi hatten in den unrühmlichen 80er Jahren Schlüsselpositionen inne. In jener Zeit sind sehr viele Menschenrechtsverstöße begangen worden, denen Tausende zum Opfer fielen.

Mousavi zog sich 1989 nach der Abschaffung des Amtes des Ministerpräsidenten aus der aktiven Politik zurück, Karubi wurde Reformer und gründete die „Partei des Nationalen Vertrauens“. Mousavis Kandidatur bewirkte, dass sich Ex-Präsident Khatami zurückzog. Die 10. Präsidentschaftswahlen sind insofern hoch interessant, weil sich die beiden Kandidaten innenpolitische Positionen bezogen haben, die bisher als Tabu angesehen wurden.

Beide Reformkandidaten versuchen in ihren Programmen, sowohl die wirtschaftliche als auch die gesellschaftliche Freiheit voranzubringen. Zuvor hatten Khatami und Ahmadinedschad einseitige Wahlkampfprogramme (Khatami Freiheiten und Ahmadinedschad Wirtschaft) zu verwirklichen gesucht und scheiterten. Mousavi und Karubi scheinen in einen Wettbewerb um die Gunst der Wähler eingestiegen zu sein, und zwar in drei Bereichen, in die sich zuvor selbst eingefleischte Reformer nicht wagten:

  1. Die Sittenpolizei soll aus dem Verkehr gezogen werden und die sogenannten „Sicherheitskonzepte zum Schutz der Gesellschaft und Bürger“ sollen ad acta gelegt werden. Dieses Wahlversprechen ist dermaßen attraktiv, dass die Kandidaten allein deswegen gewählt werden könnten. Die Bassidschi und die Sittenwächter schikanieren besonders „schlecht verschleierte“ Frauen und Jugendliche. Ein erheblicher Teil der Nichtwähler stammt aus diesen Gruppen. Die Reformkandidaten sind auf die Stimmen der bisherigen Nichtwähler angewiesen.
  2. Mit der Forderung nach freiem Informationszufluss durch Lockerung der Pressezensur und Genehmigung privater Funk- und Fernsehkanäle, stecken sie ihren Finger in eine Wunde. Denn der beste Freund der grassierenden Korruption ist die mangelnde Informationsfreiheit.
  3. Durch Verfassungsänderung soll die Macht der nicht gewählten Instanzen beschnitten werden. Damit nehmen beide die uneingeschränkte Macht des Wächterrates, der Parlamentsgesetze beliebig annullieren und Kandidaten bei Wahlen nach eigenem Ermessen ausschließen kann, ins Visier.

In den Programmen der beiden sind von Rechten der Minderheiten bis hin zur Verbesserung der Umwelt viele Punkte enthalten. Nach den ersten freien Präsidentschaftswahlen vom Januar 1980 ist es das erste Mal, dass Wahlprogramme tatsächlich denen von demokratischen Parteien ähneln. Dabei ist Karubis Wahlprogramm radikaler reformistisch als Mousavis. Es umfasst drei Hauptbereiche, die Planung und Management, Transparenz der Verwendung der Erdölerlöse und Schaffung und Ausbau der Bürgerrechte einschließen.

Für beide ist der Holocaust eine historische Realität. Sie wollen Abenteurertum auf dem internationalen Parkett vermeiden und für außenpolitische Entspannung sorgen. Mousavi lehnt eine Aussetzung des Atomprogramms strikt ab, will jedoch in strenger internationaler Kooperation die Friedfertigkeit des Nuklearprogramms sicherstellen und internationale Ängste beseitigen.

Mousavi wird von den beiden größten Reformparteien, der „Partizipationspartei“ und den „Mudschahidin der Islamischen Revolution“, der Rafsandschani nahe stehenden „Partei der Diener des Aufbaus“ sowie auch der großen „Gemeinschaft der kämpfenden Geistlichen“, deren Generalsekretär Karubi war, unterstützt. Führende reformistische Geistliche, darunter Ex-Präsident Khatami, stehen ebenfalls zu ihm. Karubi hat hingegen sehr viele prominente und erfahrene Reformer in seinem Wahlkampfteam. Da Mousavi von organisierten Reformkräften unterstützt wird, werden seine Chancen höher geschätzt.

Etwa acht Wochen vor der Wahl ist der Wahlausgang keineswegs sicher. Auch das macht den Unterschied der Islamischen Republik zu vielen islamisch-arabischen Staaten aus. Anderes als den Reformern stehen Ahmadinedschad mächtige Foren und sehr gut funktionierende Organisationen zur Verfügung. Nach offiziellen Angaben gehören mehr als 10 Millionen, meistens nicht aktive Freiwillige, dem Bassidschi-Korps an. Hinzu kommen etwa 130.000 Revolutionsgardisten, mehrere religiöse Zentren und Schulen. Auch die konservative „Gesellschaft der kämpfenden Geistlichen“ steht hinter Ahmadinedschad.

Es scheint so, als ob auch Ayatollah Khamenei weiterhin stillschweigend Ahmadinedschad stützt. Das staatliche Fernsehen und die konservativen Gremien wie der Wächterrat stehen ebenfalls auf Ahmadinedschads Seite. Der Präsident, der dem Volk nicht erklären kann, was er in den letzten vier Jahren mit 300 Mrd. US-Dollar Erdölerlös angerichtet hat, betreibt populistische Aktionen. Er nimmt sehr viele Beschwerden auf seinen berühmten Provinzreisen an, verteilt unerlaubt Bargeld und Säcke mit Kartoffeln unter das Volk. Der Glaube, Stimmen für einen Sack Kartoffeln kaufen zu können, sei eine Beleidigung der Wähler, warf Mousavi ein. Der Auftritt von Überraschungskandidaten in letzter Stunde vor der Wahl ist nicht ausgeschlossen.

Mousavi bezeichnet sich als einen „prinzipientreuen Reformer“, der sich immer wieder als Getreuer des Republikgründers Ayatollah Khomeini versteht. Er hat daher ebenfalls Unterstützer aus den Reihen der Konservativen, darunter der mächtige Ex-Parlamentspräsident, Ali Akbar Nategh-Nouri. Mousavi und Karubi gehören zu der Politikergeneration, die die Älteren bzw. Altrevolutionäre und insbesondere die Exil-Iraner an die furchterregenden 80er Jahre erinnert.

Nun hat sich die Struktur der iranischen Gesellschaft radikal gewandelt. Von etwa 72 Millionen Iranern haben 50 Millionen erst nach der Revolution das Licht der Welt erblickt. Ca. 65 Millionen sind heute unter 46 Jahre alt, das heißt, dass sie 1979 nicht wahlberechtigt waren. Sie sind keine Zeugen der Gräueltaten der 80er Jahre. Sehr viel beschäftigen will man sich mit der Historie nicht, man ist stattdessen auf die Gegenwart und spürbare Veränderungen bedacht. Dies versprechen Mousavi und Karubi, wenngleich die beiden noch eine überzeugende Erklärung schuldig geblieben sind, wie sie die Herkulesaufgabe meistern wollen. Beide propagieren Inhalte, die das religiös-ideologische Denksystem der Konservativen sowie durch Vetternwirtschaft und Korruption mächtig gewordene Instanzen und Personen tangieren.

Hoffnung auf eine Annährung zwischen USA und Iran?

Scheinbar halten die Iraner weiterhin an der bisher bewährten Taktik der Flucht vor Verhandlungen fest. In der Tat erschöpfen sich Irans diplomatische Aktivitäten in relativ unbedeutenden Treffen wie in Den Haag. Auch der Iran fürchtet die Taliban und hat ein großes Interesse daran, dass diese radikal-islamistische Kraft in ihrer Nachbarschaft nicht wieder erstarkt.

In einem populistischen ungewöhnlichen Akt wies Ahmadinedschad am Rande der Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Genf sein Büro in Teheran an, den Teheraner Staatsanwalt anzuschreiben, damit er die Akte der wegen Spionageverdacht inhaftierten iranisch-amerikanischen Journalistin Roxsana Saberi gerecht und gesetzestreu behandle.

Ein Akt, mit dem Ahmadinedschad innenpolitisch vor den Wahlen wie auch außenpolitisch (wegen der US-Nationalität Saberis) punkten kann. Fest steht, dass von der amerikanischen Seite deutliche und überzeugende Signale gesendet worden sind. Fest steht auch, dass sich Irans Atomprogramm bisher durchaus im Rahmen des von ihm unterzeichneten Nichtverbreitungsabkommens bewegt. Die Verheimlichung des Projekts liegt Jahre zurück.

Doch mit einem Ahmadinedschad als Präsident wird der Iran keine vertrauensbildenden Maßnahmen schaffen können. Der Eklat während der Genfer Antirassismuskonferenz ist ein beredtes Beispiel dafür. Die Kompromisslösung könnte die beschränkte Weiterführung des Programms unter strengster Kontrolle der IAEA sein. Mousavi und Karubi wären einverstanden. Ahmadinedschad steht jedoch für rasante Urananreicherung und versprach bei der Eröffnung eines neuen Betriebs für die Produktion von Atombrennstoffen in der Provinz Isfahan die Erhöhung von derzeit 7.000 auf 50.000 Zentrifugen in den nächsten Jahren.

Ahmadinedschad wiederholte seinen berühmten Spruch: „Irans Nuklearzug hat weder Bremse noch Rückwärtsgang.“ Mit ihm wäre ein Arrangement schlecht denkbar und es würde die Wahrscheinlichkeit eines Militärangriffs seitens Israels erheblich erhöhen.

Die extrem feindliche Sichtweise der iranischen Führung hinsichtlich der USA spiegelt keineswegs die der öffentlichen Meinung wieder. Seit Obama hat dieses Zwielicht auch das Zentrum des Regimes erreicht, obwohl er kaum drei Monate im Amt ist. Man wird dennoch abwarten müssen, inwieweit Obama zu seinen Worten steht. Es steht viel auf dem Spiel und zu viel Optimismus ist fehl am Platz.