Frankreich: Der Krieg der Köpfe

Erzieher, Lehrkräfte und Wissenschaftler kämpfen gegen die umfassende Bildungsreform der konservativ-wirtschaftsliberalen Regierung, die vom Kindergarten bis zur Hochschule reicht

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Seit nunmehr drei Monaten dauert er an, der Bildungsstreik in Frankreich. Bewegung herrscht seit längerem vor allem an den Universitäten: begonnen von Hochschullehrern, fortgesetzt von Studierenden, mitgetragen von Verwaltungs- und technischem Personal. Nichtsdestotrotz hat die Regierung, die von Anfang an beinahe durchgängig und konsequent auf eine Strategie des „Aussitzens“ baute, am Mittwoch vergangener Woche das besonders umstrittene Dekret zur Regelung der Arbeitszeit in Forschung und Lehre im Kabinett verabschiedet.

Während die Frühjahrs- oder Osterferien an den Hochschulen soeben zu Ende gingen und manche Universitäten wie Paris-IV bereits in Vollversammlungen für die Fortsetzung des Streiks votierten, stellt sich nun vielerorts die Frage, ob das Semester überhaupt zu retten sei. Unsicher bleibt, ob Prüfungen hinausgeschoben, später nachgeholt werden sollen oder ob das Jahr mit verminderten Anforderungen und Leistungskontrollen gewertet werden muss. Praktiken des Improvisierens, die, kämen sie zum Tragen, zum ersten Mal seit dem Mai/Juni 1968 griffen.

Die Notenmaschine

Unterdessen drohen Hochschullehrer mit einem Notenboykott sowie einem Boykott ihrer Teilnahme an Abitur-Jurys – respektive damit, allen Studierenden dieselbe Note zu erteilen. „Das scheint die finsterste Drohung zu sein, über die wir verfügen“, konstatierte eine Hochschullehrerin am vergangenen Wochenende in einer Sendung des alternativen Rundfunksenders ‚Radio Fréquences Paris Plurielles (FPP):

Dass an manchen Universitäten seit Monaten kein Unterricht stattfindet, schien der Regierung und den Bildungsbehörden egal zu sein, man sa? das aus. Aber dass wir die Notengebung und damit die Auswahlmechanismen für das nächsthöhere Jahr (oder den Arbeitsmarkt) ‚sabotieren’, das wird uns nicht verziehen! Diese Drohung sitzt! Alles deutet darauf hin, dass aus Sicht der Staatsmacht also nicht unser Unterricht interessant ist, sondern dass wir allein als Notenmaschine betrachtet werden, um Auswahlfilter für die Hierarchien des Arbeitsmarkts zur Verfügung zu stellen...

Der bildungspolitische Blog des Wochenmagazins ‚Nouvel Observateur’ spricht von einem „chaotischen (Schul-) Jahresende für manche Studierende.“ Aber nicht nur an den Hochschulen brodelt es: Auch an Ober-, Mittel- und Grundschulen herrscht Bewegung. Und am Dienstag vergangener Woche wurde, mit dem massiven Streik von Ärztinnen, Ärzten, Krankenhauspersonal, eine zweite „Konfliktfront “ in den öffentlichen Diensten eröffnet.

Auch bei ihnen geht es um ganz ähnliche Themen, wie seitens der streikenden Klinikärzte offensiv betont wird: Ausrichtung der Verwaltung der Krankenhäuser auf betriebswirtschaftliche Nutz- und „Rentabilitäts“kriterien, Akquirieren von Drittelmitteln, Abschaffung der bisher noch mehr oder minder vorhandenen kollegialen Leitungsstrukturen zugunsten eines – wie ein Unternehmeschef amtierenden – quasi allmächtigen Direktors oder (an Universitäten:) „Präsidenten“.

In den staatlichen Krankenhäusern wird offenkundig ein ganz ähnlicher Kurs verfolgt wie in den öffentlichen Schulen. Während sich vergangene Woche erstmals Krankenhausdirektoren, aus offenkundigem Eigeninteresse, zugunsten der „Reform“ öffentlich zu Wort meldeten, wächst der Widerstand, von Krankenschwestern bis hinein in Kreise konservativer KrankenhausärztInnen. Die beiden Demonstrationen, jene von Krankenhaus- und jene von Hochschulbeschäftigten, fusionierten am frühen Dienstag Nachmittag in Paris zu einer einzigen.

Seit drei Monaten andauernder Hochschulstreik

Der Bildungsstreik an den Hochschulen hält seit dem o2. Februar ohne Unterbrechung an, mit starken örtlichen Ungleichzeitigkeiten zwischen verschiedenen Universitäten. Erreichen konnte er bislang zumindest einen zweijährigen Stopp bei den Stellenstreichungen von Assistenten- und Forscherposten für junge Wissenschaftlerinnen oder Doktoranden. Nicht verhindern konnte er den sonstigen Stellenabbau, den der Streik zwar bekämpfte, der aber voraussichtlich dennoch im laufenden Jahr 1.390 Posten treffen wird. Vor dem Streik war der Abbau von insgesamt 3.000 Arbeitsplätzen, „wissenschaftlichen“ ebenso wie „technischen“, geplant gewesen.

Seit Wochen und Monaten gehen Hochschullehrer/innen gemeinsam mit Studierenden auf die Strasse. Alle acht Tage findet eine grössere Demonstration statt. Aber sie suchen auch nach möglichst originellen Protestformen und Happenings, um zu verhindern, dass ihr Schwung erlahmt und ihr Protest sich abnutzt. Öffentliche Vorlesungen auf dem Asphalt, Happenings auf Brücken und Plätzen, Lesungen eines Romans - ‚La Princesse de Clèves’ -, den Präsident Nicolas Sarkozy in der Öffentlichkeit als Beispiel nutzlosen Bildungsstoffs, den man auch einsparen könnte, bezeichnet hatte - in den Pariser Straßenbahnen, ein „öffentlicher Prozess“ gegen Hochschulministerin Valérie Pécresse… Nicht unbedingt gut für das Image der Ministerin, die derzeit auch als Spitzenkandidatin der konservativen Regierungspartei UMP im Raum Paris zur Europaparlamentswahl antritt.

Nicht nur bei von Entlassungswellen bedrohten Fabrikarbeitern, die in diesen Tagen gerne auch einmal den oder anderen Werksdirektor für 24 oder 48 Stunden einsperren (siehe Revolution liegt in der Luft), wird derzeit protestiert. Auch unter Hochschullehrern und bei Studierenden glimmt das Feuer des Protests.

„Wir erlernen eine ganz neue Materie: Streik“

Unter den Hochschullehrerinnen und -lehrern traten seit Anfang Februar 2009 auch Gruppen in den Streik, die seit Jahrzehnten – wenn je überhaupt – an keinem Ausstand beteiligt waren. Beispielsweise das Lehrpersonal der Universität Lyon-III: Diese eher rechtslastige Fakultät, an der unter anderem Jura und Geschichtswissenschaft unterrichtet wird, entstand im Mai 1968 aus einer Abtrennung des streikgegnerischen Teils der Hochschullehrerschaft von der bestreikten Universität Lyon-II. Noch nie hatte hier ein Arbeitskampf stattgefunden. Bis im Februar dieses Jahres. Auch wenn unter anderem rechte und rechtsextreme Studierendenverbände schäumten und dagegen zu mobilisieren versuchten, schloss sich ein Teil des Lehrpersonals – selbst in Jura – einem landesweiten Streik der Hochschullehrer an.

Vor allem die rechte Studierendenorganisation UNI, die der Regierungspartei UMP nahe steht, mobilisiert unterdessen gegen den Streik (gegen den unter Hochschullehrern wie unter den Studierenden). Als am ersten Märzwochenende ein „Jugendkongress“ der UMP im nordfranzösischen Arras stattfand, ließen die Jungkarrieristen der Regierungspartei sich dabei filmen, wie sie Streiktransparente an der örtlichen Universitäten abrissen. Oder eher, wie sie sie minutenlang abzureißen versuchten - denn die Bourgeoissöhnchen stellten sich dabei derart dämlich an, dass ihr Video auf rechtsextremen Webpages gepostet wurde, um die bürgerlichen Rechten lächerlich zu machen.

Toulouse faschistische Schlägerkommandos gegen Streikende

Nach dem Motto „Das wäre uns nicht passiert“, denn die Rechtsextremen wären gleich mit Eisenstangen angerückt. Im Gegensatz zum Studierendenstreik von Anfang 2006 - gegen die Aushebelung des Kündigungsschutzes in Gestalt des „Ersteinstellungsvertrags“ CPE -, als tatsächlich an Hochschulen wie in Toulouse faschistische Schlägerkommandos gegen Streikende vorgingen, kamen Letztere bislang aber nicht zum Einsatz.

Der Hochschulkonflikt ist nicht zu Ende, obwohl das umstrittene Regierungsdekret zur Arbeitszeit der Hochschullehrer – das im Februar vorübergehend auf Eis gelegt worden – bei der Kabinettssitzung am 22. April nun doch definitiv verabschiedet worden ist. Trotz geringfügiger Überarbeitungen, die Kritiker als „pure Kosmetik“ betrachten, wurde die grundsätzliche Struktur und Philosophie der „Reform“ der Hochschullehre beibehalten. Opponenten sprechen von einer "Provokation".

Hochschul-Ministerin Valérie Pécresse führte zuvor – seit dem vorläufigen Rückzug des Dekrets im Februar 2009, um es zu „überarbeiten“ – zeitweilig Verhandlungen mit von ihr ausgewählten Gesprächspartnern durch, die jedoch durch die größte Gewerkschaft der Hochschullehrer – den SNESup-FSU– als „pure Farce“ betrachtet werden.

Allerdings ergab der Ausstand an den Hochschulen, vor diesem Hintergrund, daraufhin ein sehr uneinheitliches Bild. So wurden an einem Teil der Hochschulen die Vorlesungen quasi wie im „Normalbetrieb“ wieder aufgenommen. An anderen Universitäten fällt ein Teil der Veranstaltungen aus, während andere stattfinden. Andernorts wiederum, etwa an den außerhalb der Ballungszentren gelegenen Hochschulen in den Pariser Vorstädten wie Paris-13 in Villetaneuse, bleiben die Studierenden zu Hause: Da sie selbst oft weit von der Hochschule entfernt in anderen Trabantenstädten wohnen und keine bequeme Verkehrsanbindung besteht, bleiben sie in ihrer Mehrzahl der Hochschule fern, so lange der „Normalbetrieb“ nicht wieder begonnen hat. Auch die Teilnahme an den Protestaktionen fällt von Stadt, oder von Universität zu Universität, sehr unterschiedlich aus.

Worum geht es im Kern?

Die ganze Auseinandersetzung ist eine Folge des „Gesetzes über die Autonomie der Universitäten", das im August 2007 verabschiedet worden ist. Damals kämpften die Studierenden den ganzen Herbst 2007 gegen dieses Gesetz - also für seine Rücknahme - an, aber vergeblich. Denn die Bewegung lief sich tot, da die Studierenden allein blieben und nicht auf die „Konvergenz“ mit anderen Streiks und Kämpfen bauen konnten. Die Regierung setzte auf die Karte „Aussitzen“.

Als eine der Folgeerscheinungen dieses Gesetzes - demzufolge die Hochschulen finanzpolitisch autonom sein müssen, sich wie Unternehmen verhalten und selbst (unter anderem auch über Drittmittel aus der Privatwirtschaft) finanzieren können sollen - erhält der Universitäts-Präsident de facto Vollmachten ähnlich denen eines Unternehmenschefs.

Das wird nun auch auf die Anstellungsbedingungen der Hochschullehrer/innen heruntergebrochen: Die Universitätspräsidenten sollen entscheiden können, wie sie die Arbeitszeiten der Hochschullehrer/innen zwischen Lehre (Unterricht + Vorbereitung, Klausurenkorrigieren) einerseits und Forschung andererseits aufteilen. Bislang galt theoretisch das Prinzip "halbe - halbe". Es stimmt, dass in der Praxis nicht wirklich kontrolliert wurde, ob die Lehrenden auch in diesem Ausmass Forschung betreiben, wissenschaftliche Artikel publizieren und Ähnliches - oder nicht. Manche taten dies sogar über das theoretisch geltende Arbeitsmasse hinaus. Andere wiederum weit weniger, oder auch gar nicht - das gilt vor allem für jene, die einen lukrativen Posten in der Privatwirtschaft "nebenher laufen" hatten.

Erhöhung der Arbeitszeit für Professoren

Dieser reale Zu- oder Missstand wird nun zum Vorwand genommen, um den Hochschulpräsidenten die Machtbefugnis zu erteilen, die Arbeitszeiten „ihrer" Lehrkräfte anders einzuteilen. Dabei soll der Hochschulpräsident die Arbeitszeit, die für Unterricht aufgewendet wird, individuell (theoretisch pro Lehrkraft, je nach Ergebnissen ihrer Forschungsarbeit: wie viele Artikel wurden veröffentlicht, an wie vielen Seminaren wurde teilgenommen) auf bis zu 300 % der bisherigen Zeitbemessung hoch setzen können.

Die Maßgabe, dass die Erhöhung der Arbeitszeit sich nach der „Qualität der Forschung" der einzelnen Lehrkräfte richten solle, ist dabei pure Augenwischerei. Real wird sie sich danach richten, wie viel Geld die einzelnen Universitäten haben, um wie viel Personal einzustellen. Als Richtwert dürfte dabei in der Praxis folgende Formel gelten: „Je ärmer die Uni = je größerer Mangel an Lehrpersonal = desto stärkere Erhöhung der Unterrichtszeiten". Dies könnte sich als eine Art Teufelskreis erweisen...

Nunmehr ist auch die Studierendenbewegung, angefacht durch den Streik der Hochschullehrer im Februar dieses Jahres als „Initialzündung“, wieder erwacht. Die basisdemokratische Selbstorganisation in Gestalt der „nationalen Koordination der Studierenden“ (CNE) hat sich an mehreren Wochenende, zuletzt Ende März in Strasbourg, versammelt. Sie rief dort zur Ausweitung und unmittelbaren „Radikalisierung des Universitätsstreiks“ auf und warnte die Regierung vor der „Illusion“, sie könnte den aktuellen Hochschul- und Studierendenstreik „aussitzen und sich totlaufen lassen“ (‚ laisser pourir '), was man im Französischen allgemein auch ‚stratégie du pourrissement' (von pourrir = faulen, verwesen) nennt.

Hohe Posten und führende Positionen für konservative und rechte Elitisten

Aber nicht nur im Hochschulbereich gibt es derzeit massive Proteste im Bildungswesen. Letztere durchziehen vielmehr die gesamte „Kette“ des Bildungssystems, von Vor- und Grundschulen bis hin zum Universitätssektor. Dabei geht es nicht allein um den durch die Regierung geplanten Stellenabbau im öffentlichen Bildungswesen: 11.500 Lehrer/innen/posten wurden im laufenden Schuljahr 2008/09 vernichtet, weitere 13.000 sollen es im kommenden Schuljahr 2009/2010 werden.

Besonders umstritten ist ferner auch die Politik der Stellenbesetzung an der Spitze des Schulbehörden, die seit 2002 durch die seitdem einander abwechselnden konservativen Regierungen – zunächst unter Präsident Jacques Chirac, später unter seinem Amtsnachfolger Nicolas Sarkozy – verfolgt wird: Hohe Posten und führende Positionen der Schuldiensthierarchie werden mit Herrschaften besetzt, die aus der Grauzone zwischen Konservativen und Rechtsextremen kommen. Also aus jenem Milieu, wo das „zu egalitäre“ und „zu sehr vermasste“ öffentliche Schulwesen explizit in Frage gestellt.

Der ‚Club de l’Horloge’

Beispielsweise aus dem 1974 gegründeten ‚Club de l’Horloge’, der in den letzten 35 Jahren politische Figuren des konservativen Lagers wie auch der extremen Rechten (Yvan Blot, Jean-Yves Le Gallou, Henry de Lesquen) hervorgebracht hat. Der ‚Club de l’Horloge’ predigte und predigt offen eine Ideologie der „angeborenen und natürlichen Ungleichheit“, aufgrund derer jegliche auf Chancengleichheit ausgerichtete Bildungspolitik „ideologischer Verblendung“ entspringe und bestenfalls vergebliche Mühe sei, und der Elitezüchtung.

In den ersten sieben Monaten der konservativen Regierung von Jean-Pierre Raffarin (die im Mai 2002 aus der Wahlniederlage des „linken“ Premierministers Lionel Jospin bei der Präsidentschaftswahl hervorging) , bis Dezember 2002, wurden 14 von insgesamt 30 Präsidenten der französischen Schulbezirke ausgewechselt. An die Spitze des einflussreichen Schulbezirks von Paris wurde so der aktive Privatschullobbyist Maurice Quénet ernannt, und den Vorsitz jenes von Amiens übernahm Michel Leroy. Alle beide waren zuvor Sekretäre des ‚Club de l’Horloge’ gewesen.

Mehr Privatschulen für die Banlieues

Der Masterplan der Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy läuft unter anderem offen darauf hinaus, katholische Privatschulen sollten die Lücken auffüllen, die durch die zunehmende Bildungsmisere im öffentlichen Sektor entstehen. Dies geht u.a. aus Präsident Sarkozys ‚Lettre de Mission’ (vom Mai 2007) an seinen Bildungsminister Xavier Darcos, der dessen Aufgabenstellung definiert, hervor. Darin wird der Minister aufgefordert, überall, aber besonders in den sozial benachteiligten Trabantenstädten (banlieues), die Ansiedlung von Privatschulen zu begünstigen. Diese werden, seiner Philosophie zufolge, schon für das fehlende Bildungsangebot sorgen.

Die Wochenendbeilage der liberalen Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’ - ‚Le Monde 2’ - machte Ende März mit einer Titelstory über „Die resistenten Lehrer“ auf. Darin ging es um inzwischen über 2.000 Grundschullehrer, aber auch Schuldirektoren, die aufgrund ihrer erklärten Weigerung, die neuen Lehrprogramme anzuwenden, unter dem Druck ihrer Hierarchie stehen und mit disziplinarischen Strafen bedroht werden. Letztere reichen von der Einbehaltung eines Teils ihres Gehalts über unangekündigte Kontrollen der Schulbehörden in ihrem Unterricht bis zur offenen Drohung, „unfolgsame“ DirektorInnen ihres Amts zu entheben.

Im Hintergrund ihrer Weigerung, mit den „neuen Programmen“ zu arbeiten, steht besonders die aktuell durchgeführte Abschaffung von 3.000 Stellen für spezialisierte Lehrkräfte – die so genannten RASED -, die speziell dafür eingestellt waren, sich um lernschwache SchülerInnen zu kümmern und ihnen während und neben der Unterrichtszeit besondere pädagogische Unterstützung zukommen zu lassen. Nach dem Willen der Regierung sollen diese spezialisierten Lehrkräfte wegfallen, und die ausfallende Unterstützung soll durch die „normalen“ Klassen- und FachlehrerInnen ausserhalb der Unterrichtszeiten übernommen werden. Dies bedeutet: in den Mittagspausen oder nach Unterrichtsschluss am späteren Nachmittag – als zu Zeiten, wo die SchülerInnen die schlechteste Konzentration aufweisen dürften.

Effiziente Nutzung von Personal

Und dies, während aufgrund der aktuell ebenfalls durchgeführten Konzentration des Unterrichts an den Grundschulen von bislang fünf auf vier Wochentage, bei gleich bleibender Stoffmenge, die verbleibenden Unterrichtstage ohnehin für die Kleinen schon überlastet werden. Hauptsache aber, das Ziel des Einsparens von Personal und seiner möglichst „effizienten“ Nutzung kann gewahrt bleiben...

Die Reform der Kindergärten

Betroffen von der Dampfwalze der „Reformen“ sind, nicht zuletzt, auch die Kindergärten. Frankreich weist dabei bis heute ein spezifisches System auf, das sich als „Vorschule“ (ihr Name lautet ‚école maternelle’) bezeichnen lässt: Diese ist zwar nicht obligatorisch, vermittelt den Kindern aber bereits im Alter von 2 bis 6 Jahren wichtige Kenntnisse (einfache Zahlen- und Schreibkenntnisse) und liefert, vor allem, einen Rahmen für die Sozialisierung mit Gleichaltrigen und Erwachsenen. Ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Bildungsminister Xavier Darcos aber äußerte in den vergangenen beiden Jahren offen seine Geringschätzung, indem er betonte, man sehe es auf Seiten der Regierung nicht ein, dass man „Lehrkräfte mit Hochschulausbildung dafür bezahle, dass sie Windeln wechseln und während des Mittagsschläfchens aufpassen“.

Auch dies wurde seitens der betreffenden Lehrkräfte und Erzieher als Frontalangriff und Schlag ins Gesicht empfunden, zumal es mitnichten ihre Aufgabe – im Umgang mit Kindern im Alter zwischen 2 und 6 – beschreibt. Als konkrete Auswirkung seiner Konzeption plant Minister Darcos nun, die erste Jahrgangsstufe der Vorschule – die so genannte ‚petite section’, für Zwei- und Dreijährige – vollständig abzuschaffen und durch so genannte ‚Jardins d’éveil’ (ungefähr: „Wachgärten“) zu ersetzen. Der springende Punkt: Letztere werden nicht mehr als schulisches Angebot durch die öffentliche Hand betrachtet. Ihre Nutzung wäre kostenpflichtig, im Gegensatz zu den bestehenden Vorschulen.