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Baden-Württemberg wird als erstes deutsches Bundesland die sogenannte elektronische Fußfessel als Alternative zu einer Haftstrafe einführen.

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Ausdrücklich sieht der Entwurf auch „Bewegungsprofile“ vor – obwohl das technisch kaum möglich und rechtlich umstritten ist.

Die elektronische Fußfessel kommt!

Das wusste Bild im Februar zu berichten.

Das Leben geht mit der Fußfessel geregelt weiter – es darf sogar gearbeitet werden!

Bild

Die Schlagzeile klingt knallig, ist aber nicht ganz richtig. In Wirklichkeit ist die elektronische Fußfessel schon längst in Deutschland angekommen. Bereits seit 2000 wird die Funküberwachung in der hessischen Bewährungshilfe eingesetzt, seit zwei Jahren können Richter im ganzen Bundesland Straftäter dazu verurteilen. Oft sind das jugendliche Mehrfachtäter, sogenannte „Wackelkandidaten“, denen die Behörden kaum zutrauen, dass sie künftig straffrei zu bleiben. Durch die Überwachung können die Behörden und Sozialarbeiter besser kontrollieren, ob sie sich an ihre Bewährungsauflagen halten.

Screenshot: www.elmotech.com

Allerdings gibt es bei vielen hessischen Richtern Vorbehalte, die Fallzahlen steigen deshalb nur langsam. Mittlerweile sind dort 75 Fußfesseln im Einsatz. Geliefert werden die Geräte von der israelischen Firma Elmotech. Baden-Württemberg will nun weitergehen und als erstes deutsches Bundesland die Funkfesseln als eigenständige Strafe einführen.

Die Landtagsfraktionen von SPD und GRÜNEN und viele Bewährungshelfer sind gegen das Pilotprojekt, jedenfalls in der vorliegenden Form. Auch die württembergische Neue Richervereinigung, ein Zusammenschluss von Richtern und Staatsanwälten, kritisiert den Gesetzesentwurf. Aber FDP und CDU haben eine deutliche Mehrheit, an der Zustimmung des Landtags besteht kein Zweifel, Zunächst sollen 75 Geräte angeschafft werden. Nach vier Jahren wird das Projekt bewertet und gegebenenfalls ausgeweitet werden.

Maschinerie der Selbstdisziplinierung

Bald werden in Deutschland also 150 elektronische Fußfesseln eingesetzt werden. Das ist im Vergleich zu anderen westlichen Ländern wenig. Es wird geschätzt, dass in den USA etwa 200 000 Funkfesseln im Einsatz sind. In Großbritannien trugen sie im Jahr 2007 insgesamt 60 000 Menschen, viele davon allerdings nur für wenige Tage. Diese elektronische Fußfessel hat etwas Futuristisches: Sie verbindet den menschlichen Körper und die Maschinerie. Sie weckt Ängste vor Manipulation und grenzenloser Transparenz. Die computergestützte Funküberwachung fasziniert und inspiriert zahllose Romanautoren, Filmemacher und Sozialphilosophen. Ob Minority Report oder Michel Foucault, Big Brother oder Zygmunt Bauman, zur elektronischen Fußfessel fällt jedem etwas ein.

Die Wirklichkeit ist viel banaler. „Besser als Knast, glaub mir, Mann! Alles ist besser als Knast!“ Paul, ein Frankfurter Ende Zwanzig, trägt die Funkfesseln, seit er vor drei Wochen aus dem Gefängnis entlassen wurde. Nun wird von ihm erwartet, dass er jeden Tag spätestens um 22 Uhr in seiner Wohnung ist und dort bis zum nächsten Morgen auch bleibt. Sich daran zu halten, erfordert eine Menge Selbstdisziplin, erzählt er.

„Ich hab sechs Jahre gesessen, ich will auch mal was erleben. Aber die Fußfessel bringt mich immer wieder runter. Wenn ich nicht nach Hause gehe, dann rufen die mich an und fragen, was los ist und wo ich bin.“ Stören tut ihn das klobige schwarze Band um sein Fußgelenk, wenn er nach dem Training im Fitness-Studio in die Sauna geht: „Dann fragen mich die Leute manchmal, was ich da am Bein habe. Das ist peinlich. Man will ja nicht jedem erzählen, dass man gesessen hat!“

Bild: Elmotech

In Hessen erstellen Richter und Bewährungshelfer einen Wochenplan, in dem festgelegt wird, wann der Verurteilte in seiner Wohnung sein muss. Stimmt dieser zu – und das ist die Regel, denn die Alternative heißt Gefängnis! –, wird ihm noch im Gerichtsgebäude ein Plastikband angelegt. In diesem Band ist eine Funkzelle, die ständig Kontakt zu einem Empfangsgerät in seiner Wohnung hält. Entfernt sich der Proband zu weit von dem Gerät, bricht die Funkverbindung ab. Die Reichweite lässt sich genau festlegen. Verlässt die überwachte Person die Wohnung, registriert ein Zentralrechner in der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) in Hünfeld diesen Verstoß. Daraufhin erhält ein Bewährungshelfer in Frankfurt eine SMS, die ihm mitteilt, welcher Proband gerade gegen seinen Hausarrest verstößt. Dort ist eine Rufbereitschaft rund die Uhr besetzt.

„Wir sind erster Linie ein pädagogisches Projekt“, sagt die Frankfurter Bewährungshelferin Rita Amthor. Sie interessiert nicht nur, ob die Probanden rechtzeitig nach Hause kommen. Mindestens so wichtig ist ihr, dass sie pünktlich ihre Wohnung verlassen, um zur Arbeit oder zur Schule zu gehen.

Wir wollen Struktur in den Tag bringen und soziales Verhalten trainieren. Ich bin auf diese Art ganz nah dran an den Probanden; man könnte auch sagen, ich bin am anderen Ende von der Fessel.

Rita Amthor

Die elektronische Fußfessel soll disziplinieren. Mit ihrer Hilfe setzen die Justizbehörden durch, dass sich die Teilnehmer an den Wochenplan wirklich halten. Dazu gehört, dass Bewährungshelfer und Verurteilte in wesentlich engerem Kontakt stehen als sonst üblich. Aber damit die Funküberwachung pädagogisch wirkt – also Verhalten steuert beziehungsweise verändert –, muss eine ziemlich banale, aber absolut notwendige Voraussetzung erfüllt sein: Die Überwachten müssen mitmachen. Obwohl der Wochenplan von außen aufgezwungen wird, muss der so Bestrafte sich selbst kontrollieren, das bedeutet: die Konsequenzen eines Regelverstoßes innerlich vorwegnehmen und sich „beherrschen“.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich der disziplinierende Effekt der Funküberwachung mit der Zeit abnutzt – beziehungsweise dass die permanente Kontrolle eine so große Frustration erzeugt, dass er ins Gegenteil umschlägt. Deshalb dauern die Maßnahmen in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr. Langfristige Untersuchungen über Rückfallquoten, die den elektronisch überwachten Hausarrest mit Gefängnisstrafen vergleichen, gibt es kaum. Immerhin lassen sich mit der Funküberwachung einige negative Folgen von Haftstrafen vermeiden: Die Verurteilten verlieren nicht ihre Wohnung, bleiben in Kontakt mit Verwandten und Freunden und können weiterhin ihrer Ausbildung oder Arbeit nachgehen.

Funküberwachung im Ländle – alle Fragen offen

In einer Presseerklärung des baden-württembergischen Justizministeriums heißt es:

Zu Beginn der elektronischen Aufsicht wird ein Vollzugsprogramm und der vorgesehene Tages- oder Wochenablauf festgelegt. (...) Der Vollzugsplan kann neben Arbeit, Ausbildung, Freizeit und Sport die Teilnahme an Einzel- oder Gruppentherapien sowie Erziehungs- und Schulungsprogrammen vorsehen. Zudem sind Weisungen möglich, wo sich der Gefangene aufhalten muss, ob er sich in ärztliche Betreuung zu begeben hat oder ob er auf Alkohol oder andere Drogen verzichten muss.

BW-Justizministerium

Gedacht ist die Maßnahme für zwei Gruppen von Straftätern: Einerseits sollen manche früher aus dem Gefängnis entlassen werden. „Mit dem elektronisch überwachten Hausarrest können wir Gefangene mit Freigängerstatus Schritt für Schritt wieder an ihre bevorstehende Freiheit gewöhnen“, sagt der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll. Andererseits sollen sogenannte „Ersatzfreiheitsstrafen“ vermieden werden. Sie wird verhängt, wenn die Angeklagten ihre Geldstrafen nicht bezahlen (können). Diese „Haft als Ersatzstrafe“ trifft vor allem Suchtkranke und extrem Marginalisierte.

Soviel ist klar. Oder so wenig. Das Justizministerium bleibt äußerst vage, wenn es um die geplante „elektronische Aufsicht“ geht. Die Gefangenen sollen sich „in der Regel“ mit 20 Euro pro Tag an den Kosten ihrer Überwachung beteiligen – aber natürlich hat niemand, der seine Geldstrafe nicht bezahlen kann und deshalb in Haft muss, 600 Euro im Monat zur Verfügung. Laut Minister Goll sollen die Geräte geleast werden – aber man wisse noch nicht, von welchem Hersteller. Sobald das Gesetz vom Landtag verabschiedet ist, wird es eine öffentliche Ausschreibung geben. Nach Vorstellungen des Justizministeriums sollen sozialpädagogische Einrichtungen und Firmen mit der technischen Expertise Bietergemeinschaften bilden; die Technik und die Betreuung der Überwachten sollen von nur einem Anbieter betreut werden – aber wie die Privaten mit den staatlichen Behörden zusammenarbeiten sollen, ist völlig unklar.

In einer Stellungnahme des Ministeriums heißt es:

Während der gesamten Dauer der elektronischen Aufsicht ist den Anweisungen der Mitarbeiter der für die elektronische Aufsicht zuständigen Stelle Folge zu leisten.

BW-Justizministerium

Die Neue Richtervereinigung kommentiert:

Angesichts der ambivalenten Natur der neuen Überwachungsmethode und der geplanten Ermöglichung von Bewegungsprofilen des Überwachten ist es inakzeptabel, welche Freiräume der Gesetzentwurf den Anwendern lässt. (...) Zum anderen betrifft es die Zuständigkeit für die Durchführung der elektronischen Überwachung. Gem. S. 23 der Gesetzesbegründung wurde "im Entwurf bewusst offen definiert", wer die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle sei. Tatsächlich ist dieser Punkt im Gesetzentwurf überhaupt nicht geregelt. Nur in der Begründung des Entwurfs und lediglich als Beispiel werden eine Dienststelle der Justizvollzugsanstalt oder eine private Organisation genannt. Die Vergabe an private Dritte sei möglich, "weil die elektronische Aufsicht keinen Grundrechtseingriff darstellt".

Neue Richtervereinigung

Der Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg hat bereits öffentlich klar gemacht, dass er an dem Projekt kein Interesse hat. „Wir werden uns nicht bewerben“, sagt Geschäftsführerin Hilde Höll. Der Verband befürchtet, dass das Geld, das für die Überwachungstechnik ausgegeben wird, später bei der pädagogischen Betreuung eingespart wird. Höll zweifelt grundsätzlich am Sinn der elektronischen Fußfessel: „Es gibt sinnvolle Alternativen.“

Die Bewährungs- und Gerichtshilfe ist in Baden-Württemberg seit Anfang 2007 privatisiert und wird von der österreichischen Firma Neustart betrieben. „Das prinzipielle Interesse, sich an einer entsprechenden Ausschreibung zu beteiligen, ist vorhanden“, sagt Neustart-Sprecherin Dorit Bruckdorfer. Gerüchten zufolge hält die Firma aber die für den Modellversuch vorgesehenen 85 000 Euro für nicht ausreichend.

Senkt die Funküberwachung Kosten in der Strafjustiz?

Justizpolitikern aller Nationen gefällt an der elektronischen Fußfessel vor allem, dass sie vergleichsweise billig ist – jedenfalls verglichen mit einem Tag in Haft. Eben diese Rechnung machte auch Justizminister Goll im November 2008 auf, als er die Pläne seines Ministeriums vorstellte. Einen Straftäter für einen Tag einzusperren, koste in Baden-Württemberg 85 Euro. Ihn mit einer elektronischen Fußfessel zu überwachen, sei auf jeden Fall billiger.

Aber die offizielle Kostenrechnung wird von Sozialarbeitern und Justizbeamten bezweifelt. Die Neue Richtervereinigung moniert, dass die vorgesehene Betreuungsdichte viel zu gering sei.

Das electronic monitoring ist nach allen Untersuchungen und Erfahrungen eine für die Betroffenen einschneidende Maßnahme, die einer umfassenden psycho-sozialen Begleitung bedarf. Ohne diese ist in den Fällen des Hausarrestes weder ein Wochenplan zu erstellen, der die Aussicht hat, eingehalten zu werden, noch angemessen auf Verletzungen der darin vorgesehenen strikten Uhrzeiten zu reagieren.

Neue Richtervereinigung

Die Tagessätze für den elektronisch überwachten Hausarrest schwanken zwischen 70 Euro (Schweden 1994) und 14 Euro (Portugal 2002) – ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Systeme nicht nur technisch, sondern vor allem organisatorisch unterscheiden. Grundsätzlich ist der Kostenvorteil der elektronischen Überwachung umso größer, je mehr Menschen die Fußfesseln tragen: Mit jedem weiteren Modell sinken die Grenzkosten. So belief sich der Preis in Hessen im Jahr 2003 auf 48 Euro pro Tag und Gefesselten, als nur 15 Personen teilnahmen. Heute sind es nach Aussagen von Bewährungshelfern nur noch etwa 35 Euro.

Es ist kein Zufall, dass sich die Funküberwachung am stärksten in Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien verbreitete, wo die Zahl der Strafgefangenen in den vergangenen 20 Jahren regelrecht explodierte. Mit ihr wollten die Justizpolitiker die Überfüllung in den Gefängnissen mildern – was aber nirgendwo gelang. Hinter der Bezeichnung „elektronische Fußfessel“ verbergen sich ganz verschiedene Strafen und Maßnahmen. Während in Schweden beispielsweise restriktive Auflagen mit einem engen Kontakt zwischen Sozialarbeitern und Verurteilten kombiniert, geht es in Großbritannien vor allem, mit der Funküberwachung Gefängniszellen frei zu machen.

Schon seit 1989 experimentiert man dort mit dem sogenannten electronic monitoring. Aber weil Sparen immer im Vordergrund stand, wurde die Funküberwachung zu einem ziemlichen Fiasko, wie etwa in einem Bericht der BBC vor zwei Jahren deutlich wurde. Zwei private Firmen, Serco und G4S, kümmern sich um die Technik. Die Zeit, die zwischen der Verurteilung und dem Anlegen der Funkbändern vergeht – teilweise handelt es sich um Wochen – nutzen viele, um ihre Wohnung zu wechseln oder zumindest für die Techniker nicht mehr erreichbar zu sein. Weil sowohl die Gerichte als auch die Einrichtungen der Bewährungshilfe überlastet sind, haben Verstöße oft erst nach Wochen oder Monaten Konsequenzen.

„Das gegenwärtige System stellt nicht sicher, dass die Auflagen auch wirklich eingehalten werden.“ So Andrew Bridges, Chef der staatlichen Aufsichtsbehörde für die Bewährungshilfe im Herbst vergangenen Jahres. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass die Verurteilten sich bis zu 12 Stunden außerhalb ihrer Wohnung aufhalten konnten, bevor die Betreiberfirmen reagierten. In dem Abschlussbericht heißt es:

In der Praxis wurden den Straftätern ein gewisser "Spielraum" eingeräumt, bevor es als Verstoß gewertet wurde. Aber ihnen wurde nicht gesagt, wie viel Spielraum sie hatten, und folglich schöpften viele ihn bis zum Ende aus.

Andrew Bridges

Selbstverständlich hat sich das mittlerweile unter den Briten herumgesprochen, und die staatliche Funküberwachung hat einiges von ihrer einschüchternden Wirkung verloren. Das bestätigt auch Dick Whitfield, der im englischen Regierungsbezirk Kent die Einführung der elektronischen Fußfessel organisiert hat. Nach seiner Pensionierung hat er ein Buch darüber geschrieben.

Wenn eine Fehlermeldung kommt, müssen Menschen die Kontrollen durchführen. Mitten in der Nacht müssen sie losgehen und feststellen, wo die Verurteilten sich wirklich aufhalten, sie kennen die Gegend nicht, oft sind das soziale Brennpunkte. Man muss die elektronische Überwachung gezielt einsetzen. Wir haben in Großbritannien über 700 Millionen für die Funküberwachung ausgegeben, und ich fürchte, dass viel davon einfach verschwendet ist.

Dick Whitfield

Für viele der Schwierigkeiten ist die unklare Arbeitsteilung zwischen Behörden und Privatfirmen verantwortlich. Aber gerade auf ihr beruhen die Rationalisierungseffekte. Die Technisierung und (Teil-)Automatisierung der staatlichen Kontrolle soll Kosten senken, und zwar in erster Linie Lohnkosten. Das gilt fast überall, wo die Justiz die computergestützte Funküberwachung einführte. Schließlich ließe sich jede Auflage auch ganz ohne Computer und Funkfrequenzen durchsetzen. Bewährungshelfer könnten mit Stichproben kontrollieren, ob die Verurteilten sich zu Hause aufhalten, sie beispielsweise auf ihrer Festnetznummer anrufen oder persönlich vorbeikommen. Aber die Digitalisierung des Prozesses ermöglicht mehr Kontrolle mit weniger Aufwand.

Tagging, tracking oder beides?

Der baden-württembergische Gesetzesentwurf sieht ausdrücklich Bewegungsprofile von bestimmten Verurteilten vor, „entsprechend der individuellen Flucht- und Rückfallgefahr“: „Durch den Einsatz der GPS-Technik kann ein lückenloses Bewegungsprofil erstellt werden“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Gegebenenfalls müssten Funkzellenortung und Satellitennavigation zu diesem Zweck kombiniert werden.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert, die Fußfessel auch in anderen Bundesländern einzuführen. Verbandssprecher Bernd Carstensen: „Das wäre zum Beispiel sinnvoll, um Sexualstraftätern mit schlechter Prognose nach ihrer Entlassung zu überwachen.“ Der BDK verweist darauf, dass beispielsweise die bayrische Polizei in solchen Fällen schon „gefahrenabwehrend“ tätig ist. Im Rahmen der sogenannten „Führungsaufsicht“ benutzt sie unter anderem eine Datenbank mit der Bezeichnung HEADS („Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei Sexualstraftäter“). Nach den Vorstellungen des BDK soll diese Aufsicht künftig durch die Funküberwachung ergänzt werden.

Aber mit Ausnahme der USA kommen GPS-Bewegungsprofile bislang nirgendwo zum Einsatz. Nachträgliche Bewegungsprofile oder gar eine Ortung in Echtzeit (tracking) sind mit den bisher gebräuchlichen elektronischen Fußfesseln nicht möglich – noch nicht. In Europa nutzen zwar Polizei und Geheimdienste das tracking, aber nicht die Strafjustiz. Stattdessen handelt es sich beim elektronisch überwachten Hausarrest um tagging, um Funkidentifikation. Der Personal Identification Device (PID) in dem Plastikband ums Fußgelenk übermittelt eine individualisierte Transponderkennung an ein Empfangsgerät, die Home Monitoring Unit (HMU). Die HMU ist über das Telefonfestnetz oder über Funktelefonie mit der Zentralrechner verbunden. So lässt sich feststellen, ob sich eine Person sich an einem bestimmten Ort befindet oder nicht – aber nicht, wo sie sich stattdessen aufhält.

Tracking als Mittel zur Kontrolle von verurteilten Straftätern hat nämlich bisher die übersteigerten Erwartungen, die Anbieter und Politiker geweckt hatten, enttäuscht. An einem Versuch mit Bewegungsprofilen in Großbritannien nahmen zwischen 2004 und 2006 400 Menschen teil, aber die Schwierigkeiten waren so groß, dass es im Augenblick keine Pläne gibt, tracking einzuführen. Dick Whitfield führt den Misserfolg auf die hohen Kosten und technische Probleme zurück:

Die Kosten von Echtzeitprofilen sind so hoch, dass wir das erst gar nicht versucht haben. Bei uns registrierte der Computer nur alle 12 Stunden die aufgezeichneten Bewegungen, erst dann wurde kontrolliert, ob die Teilnehmer sich an die Bedingungen gehalten hatten. Außerdem gab es technische Probleme, mit der Signalstärke, mit den Sendern und vor allem mit der Kartographie. Also wurde das Pilotprojekt still und leise für beendet erklärt, und niemand hat im Moment vor, es wieder aufzunehmen.

Dick Whitfield

Ähnlich äußert sich die Firma Neustart über die zwei österreichischen Pilotprojekte:

Im ersten Modellversuch kam Ortung mittels Satellitennavigation zum Einsatz. Im zweiten Modellversuch wurde aufgrund technischer Probleme die auch in anderen europäischen Ländern bewährte Radio-Frequenz-Identifikation eingesetzt.

Nicht nur technisch-organisatorische Schwierigkeiten sprechen gegen die Bewegungsprofile. Offenbar ist eine lückenlose Überwachung ein wesentlich schwererer Eingriff in die Grundrechte der Verurteilten. Andererseits können mit ihrer Hilfe zwar im Nachhinein Verstöße festgestellt werden, aber keine Straftaten verhindert werden. Und solange sich die Sender mühelos vom Körper entfernen lassen, nutzen sie auch nichts gegen eine mögliche Fluchtgefahr.

Die baden-württembergischen Behörden wollen sich offenbar alle (technischen) Möglichkeiten offen halten. In einer Diskussion beim Süddeutschen Rundfunk, ausgestrahlt im März, brachte es der zuständige Ministerialrat des Justizministeriums, Rüdiger Wulf, folgendermaßen auf den Punkt: „

Wir müssen einfach Erfahrungen sammeln, die man im Ausland schon längst hat.