Beim Lügen ertappt

Die Energie- und Klimawochenschau: Industrielobbyisten machen wider besseren Wissens Stimmung gegen Klimaschutz

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US-amerikanische Industrie-Lobbyisten haben viele Jahre lang wider besseren Wissens die Gefahren der Treibhausgasemissionen geleugnet. Das geht aus einem Memo hervor, das die New York Times veröffentlicht hat. Das Dokument stellt die Zusammenfassung des Kenntnisstands der Klimawissenschaften da, die 1995 von einem Angestellten von Mobil für die Global Climate Coalition erstellt worden ist.

Die Gruppe, der seinerzeit Interessenverbände der Öl-, Auto- und Kohleindustrie sowie einzelne Konzerne wie etwa Exxon angehörten, war in den 1990er Jahren maßgeblich an der systematischen Irreführung der US-amerikanischen Öffentlichkeit beteiligt. Ihre Lobbyvertreter nahmen zudem Einfluss auf die UN-Klimaverhandlungen, wo sie vor allem die arabischen erdölproduzierenden Staaten unterstützten. Eines ihrer Argumente, mit denen sie unter anderem auch die US-Parlamentarier intensiv bearbeitete war, dass die Rolle der Treibhausgase nicht gut verstanden sei und dass Wissenschaftler unterschiedliche Meinungen darüber haben.

Das ist natürlich Unsinn, denn die Strahlungseigenschaften von Spurengasen wie Kohlendioxid, Methan oder Ozon sind schon seit etwas mehr als 100 Jahren vollständig erfasst, wie auch das besagte Memo betont. Gleich auf der ersten Seite heißt es in der Zusammenfassung:

The scientific basis for the Greenhouse Effect and the potential impact of human emissions of greenhouse gases such as CO2 on climate is well established and cannot be denied.

Interessantes findet sich in dem Memo auch hinsichtlich der seinerzeit bei einigen gegen den Strom schwimmenden Wissenschaftlern sehr beliebten Sonnenflecken-Theorien, die inzwischen längst ausführlich widerlegt wurden. Aber schon 1995 stellte der wissenschaftliche Berater der Industrielobbyisten fest, dass

weder die solare Variabilität (gemeint sind regelmäßige Schwankungen der Sonnenstrahlung aufgrund des Auftretens von Sonnenflecken) noch Anomalien in den Temperaturzeitreihen einen Mechanismus anbieten, der den wesentlich größeren Temperaturanstieg ausgleichen würde, der auftreten dürfte, wenn die Treibhausgaskonzentration verdoppelt oder sogar vervierfacht wird.

Mittlerweile hat sich das Bündnis aufgelöst, nachdem sich ab 2000 immer mehr Mitglieder verabschiedet haben. Viele der von den Lobbyisten in die Welt gesetzten Argumentationsmuster haben allerdings längst ein Eigenleben entwickelt, wie man an Meinungsumfragen in den USA sehen kann. Obwohl das Land vom Klimawandel mit schweren Dürren im mittleren Westen und in Kalifornien sowie Landverlusten entlang der Südost- und Ostküste vermutlich überdurchschnittlich hart betroffen sein wird, bleiben viele US-Bürger skeptisch. 41 Prozent meinen, die Medien würden die Gefahren übertreiben.

Teils heiter, teils wolkig

Während die Bürger wöchentlich mit neuen ökonomischen Horrorszenarien malträtiert werden, sind die Nachrichten aus dem Sektor erneuerbaren Energieträger zumindest gemischt, wobei das nervöse Auf und Ab der Aktienkurse wahrscheinlich noch der unzuverlässigste Indikator ist. Zuletzt hat sich der internationale Index für Wind & Co., Renixx, wieder etwas erholt, aber ob das nachhaltig ist, steht in den Sternen.

Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland steht unterdessen die Solarbranche vor einer Pleitenwelle. Überkapazitäten aufgrund sinkender Nachfrage bereiten vielen Betrieben Kopfschmerzen, und mancher werde wohl in den nächsten Monaten das Handtuch werfen müssen. 150 Hersteller weltweit seien zu viel.

Aktuell drückt der harte Wettbewerb auf die Preise. Statt drei Euro pro Watt Spitzenleistung, wie noch vor einigen Monaten, koste eine Kleinanlage derzeit nur noch 2,65 Euro pro Watt. Solarworld-Chef Frank Asbeck geht im Gespräch mit der Zeitung davon aus, dass 2012 oder 2013 Sonnstrom von Dachanlagen mit den Haushaltstarifen konkurrieren könne. Für die Beschäftigen in den Herstellerbetrieben ist das vermutlich wenig Trost. Auf sie kommen unsichere Zeiten zu.

Unerfreuliches für die Arbeiter gibt es auch vom Weltmarktführer der Windenergieanlagen zu berichten. Der dänische Konzern Vestas hat angekündigt, 1.900 seiner 21.300 Mitarbeiter vor die Tür setzen zu wollen. Betroffen sind vor allem Standorte in Dänemark und Großbritannien. Aber ein Ausdruck der Krise ist das eigentlich nicht; das Geschäft brummt und der Gewinn wächst. Vestas jüngster Geschäftsbericht weist für das erste Quartal 2009 Einnahmen von über einer Milliarde Euro und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) von 76 Milliarden Euro aus. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung von 126 Prozent. Nach Steuern blieben davon noch 56 Millionen Euro über. Die Kapitalrendite wurde von 4,9 auf Prozent 6,9 gesteigert, fürs ganze Jahr hofft man auf elf bis zwölf Prozent. Mit 490 Turbinen, die eine Leistung von 885 Megawatt haben, stieg die Produktion im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr gemessen an den Stückzahlen um 21 Prozent und an der Leistung um 29 Prozent.

Der Vestas-Bericht weist daraufhin, dass sich in den letzten sechs Monaten der Auftragseingang aufgrund der Finanzmarktkrise deutlich verlangsamt habe. Viele Kunden seien nicht in der Lage gewesen, geplante Investitionen zu finanzieren, da sich die Kreditkosten erhöht hätten oder die Banken kein Kapital verleihen würden. Einige vormals sehr aktive Banken hätten sich gänzlich aus dem Geschäft zurückgezogen. Andererseits würden sich die verschiedenen Regierungsprogramme langsam bemerkbar machen. Der Markt beginne sich zu verbessern, insbesondere in den USA und Großbritannien. Neue Banken würden als Finanziers auftreten. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Preise für Windanlagen nicht weiter steigen, weil die Rohstoffe wieder günstiger werden. Umfangreiche Investitionen der Zulieferer hätten dafür gesorgt, dass es in der nächsten Zeit keine Lieferengpässe bei den verschiedenen Komponenten geben wird. Die Vorratshaltung könne daher abgebaut und somit Kosten vermieden werden.

Wachstum in Lateinamerika

Positive Stimmung herrscht auch in Lateinamerika, wo trotz Krise weiter in die Modernisierung der Energieinfrastruktur investiert wird. Davon profitieren auch die erneuerbaren Energieträger, wie die in Uruguay erscheinende Zeitung El Pais berichtet. Ende letzten Jahres hat der argentinische Konzern Impsa im Nordosten Brasiliens ein Werk eingeweiht, das künftig 300 Windenergieanlagen pro Jahr mit einer Leistung von 1,5 bis 2,1 MW liefern wird. Gemessen an den europäischen Kapazitäten ist das noch wenig, aber ein wichtiger Anfang, zumal auch der indische Hersteller Suzlon in Brasilien eine Produktion hochzieht. Suzlon ist hierzulande durch die Übernahme von Repower bekannt geworden.

Bisher sind in Lateinamerika erst 769 MW an Wind-Leistung installiert, doch in diesem Jahr geht die Lateinamerikanische Windenergieassoziation nach dem Bericht von El Pais davon aus, dass 1200 MW hinzukommen werden. Für das nächste Jahr würden noch einmal 1000 MW erwartet. Allein in Brasilien seien Projekte vorbereitet, die etwa 2.400 MW an Leistung haben könnten. Demnächst sollen die Lizenzen versteigert werden. Nur in Argentinien kommt der Ausbau der Windenergie trotz des enormen Potenzials nicht recht voran. Im Süden des Landes, in Patagonien, gibt es Standorte, an denen die Windbedingungen zu den besten der Welt gehören. Mit 60 Prozent Volllastbetrieb im Jahr kann dort gerechnet werden. Niedrige Strompreise verhindern allerdings zur Zeit einen wirtschaftlichen Anreiz für den Bau von Windparks, und eine staatliches Förderprogramm ist nicht in Sicht.

Preisverfall

Inzwischen hat es sich zum Glück etwas herum gesprochen, dass nicht überall, wo Bio drauf steht auch Bio drin ist. Umweltschützer und Globalisierungskritiker meinen daher schon seit längerem, dass man Pflanzen Kraftstoff wie Diesel aus Palm-, Soja oder Rapsöl lieber Agrar- statt Biosprit nennen sollte. Letzte Woche hat die zunehmende Kritik immerhin dazu geführt, dass der Bundestag, wie berichtet, die Ziele für die Beimischungsquote deutlich herabgesetzt hat. Jetzt soll sie von 2010 bis 2014 nur noch 6,25 statt 7,75 Prozent betragen.

Auch andernorts gibt es erheblichen Widerstand gegen Agrarsprit. An der Elfenbeinküste verzichtete der dortige führende Palmöl-Hersteller auf die Entwicklung einer weiteren Plantage in einem sumpfigen Wald im Süden des Landes. Das Projekt hätte in der Nachbarschaft eines Schutzgebietes gelegen, was Umweltschützer auf den Plan gerufen hatte. Nach dem gleichen Bericht hatte sich zuvor schon Unilever aus Palmöl-Projekten an der Elfenbeinküste zurückgezogen. Der Grund habe unter anderem in Umweltschutzbedenken gelegen.

Eine Rolle könnte allerdings auch der erhebliche Preisverfall der letzten Monate gespielt haben. Palmöl aus Malaysia, hatte im März letzten Jahres mit 1146 US-Dollar pro Tonne seinen historischen Höchststand erreicht. Fast die ganze erste Jahreshälfte hatte der Preis bei über 1000 US$ pro Tonne gelegen, ist aber dann erheblich gefallen. Im letzten Quartal 2008 lag er unter 500 US$/Tonne, derzeit wird die Tonne Palmöl für 557 US$ gehandelt.