Schluss mit Fitness: Wir fressen einfach zu viel!

Nicht die mangelnde Bewegung, sondern die vermehrte Kalorienaufnahme ist schuld an der Epidemie der Fettleibigkeit, sagen australische Wissenschaftler

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Warum werden die Menschen nicht nur dicker, sondern breitet sich eine Epidemie der Fettleibigkeit aus? Normalerweise geht man davon aus, dass die Menschen mehr Kalorien zu sich nehmen, wozu vor allem auch Fast Food, Fertiggerichte sowie Chips und Co. beitragen, aber dass sie sich auch weniger als früher bewegen. Das Auto und die Medien lassen den "homo sedens" entstehen, der mit kalorienreicher Ernährung gewissermaßen aufquillt – und das schon ab der Kindheit und mit der Aussicht, dass die bislang steigende Lebenserwartung möglicherweise durch die moderne Lebensweise wieder zu sinken beginnen könnte. Die Menschen müssten also gesünder und weniger essen, sich aber auch mehr bewegen, um ihr Gewicht zu halten. Also quält man sich auch deswegen mit Joggen oder in Fitness-Studios ab.

Australische Wissenschaftler unter der Leitung von Boyd Swinburn, Direktor des World Health Organization Collaborating Centre for Obesity Prevention an der Deakin University, wollen nun herausgefunden haben, dass in den USA der Anstieg der Fettleibigkeit seit den 70er Jahren fast ausschließlich der größeren Kalorienaufnahme geschuldet sei. Für ihre Studie, die auf dem European Congress on Obesity vorgestellt wurde, haben die Wissenschaftler überprüft, wie viele Kalorien 1400 Erwachsene und 963 Kinder normalerweise unter "free-living conditions" verbrennen. Das klingt seltsam und scheint zu suggerieren, dass die Menschen oft auch als Gefangene leben. Gemeint ist einfach, der Kalorienverbrauch unter Alltagsbedingungen.

Aus diesen Zahlen wurde dann errechnet, wie viele Kalorien Erwachsene bzw. Kinder benötigen, um ein normales Gewicht zu halten oder normal zu wachsen. Das wurde schließlich mit dem verglichen, was US-Amerikaner tatsächlich zu sich nehmen, was man aus den Zahlen zu erschließen suchte, wie viele Lebensmittel vom Beginn der 70er Jahre bis in die ersten Jahre der neuen Jahrhunderts produziert und importiert wurden. Davon wurde abgezogen, was exportiert, weggeworfen, als Tierfutter oder zu anderen Zwecken verwendet wurde. Daraus versuchten die Forscher vorherzusagen, wie viel Gewicht die Amerikaner allein durch Nahrungsaufnahme gewonnen haben müssten, was sie dann mit Daten aus einer repräsentativen nationalen Untersuchung verglichen, bei der das Gewicht der Menschen in der Zeitspanne gemessen wurde.

Nach den Ergebnissen spielt offenbar die körperliche Betätigung praktisch keine Rolle, fett wird man danach vor allem dadurch, was und wie viel man zu sich nimmt. Eigentlich hätten die erwachsenen Menschen sogar um fast 11 kg zunehmen müssen, in Wirklichkeit waren es aber "nur" 8,6 kg. Nach Swinburn ist die Gewichtszunahme damit zwar durch die vermehrte Kalorienzufuhr erklärt, aber es spielen eine Reihe von Faktoren herein, die das verhindert haben. Das könnte beispielsweise vermehrte körperliche Aktivität sein.

Um zum durchschnittlichen Körpergewicht der 70er Jahre zurückzukehren, müssten die Erwachsenen täglich 500 Kalorien weniger zu sich nehmen, was einem großen Hamburger entspreche. Kinder müssten 350 Kalorien einsparen, beispielsweise eine Limonade weniger trinken oder eine kleine Portion Pommes Frites weniger essen. Das könnten schon Opfer sein, übler wäre freilich, wenn dies durch körperliche Aktivität zustande kommen soll. Kinder müssten 150 Minuten, Erwachsene 110 Minuten täglich mehr gehen. Man wird also kombinieren, vor allem aber weniger Kalorien zu sich nehmen müssen. Alles andere wäre unrealistisch. Die Rezession hilft bislang auch nicht, da die Lebensmittelpreise nicht steigen, sondern eher sinken. Und in der Rezession dürfte es auch besonders schwer fallen, weniger Kalorien zu sich zu nehmen, da dies die Unzufriedenheit verstärkt. Hat man doch auch herausgefunden, dass Limos und Fastfood Kinder glücklicher machen.

Diät fördert also nicht nur die Depression, sondern könnte auch zu sozialen Unruhen führen. Auch aus diesem Grund könnte die Epidemie der Fettleibigkeit die Gesellschaften stabilisieren. Dicke Menschen sind schließlich für Revolten kaum geeignet, weil zu behäbig – und sie kommen womöglich ähnlich den Rauchern den Gesellschaften letztlich auch günstiger, weil sie früher sterben. Die gesund Lebenden sind nämlich am teuersten (Raucher und Dicke kommen dem Gesundheitssystem billiger).