Die Backware als Bombe

Die Computerspiel-Figur "Bomberman" beschäftigt derzeit die Bochumer Justizbehörden und die Grünen-Chefin Claudia Roth

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Der ehemalige FDP- und Grünen-Politiker Martin Budich steht übermorgen in Bochum vor Gericht, weil er auf seiner Webseite zu Gewalttaten gegen Nazis aufgerufen haben soll. Dabei wird auch die als zentral empfundene Frage erörtert, ob eine Torte ein explosiver Gegenstand ist.

Ob er die Computerspiel-Figur Bomberman kenne? „Ich bitte um Verzeihung“, sagt Martin Budich, „aber ich bin 58 Jahre alt und habe weder Kinder noch meinerseits eine Neigung zu Ballerspielen.“ Doch besagter „Bomberman“ könnte dem linken Politaktivisten nun zum Verhängnis werden. Am kommenden Donnerstag muss Budich sich vor dem Amtsgericht Bochum verantworten, weil er zu Gewalttaten gegen Nazis aufgerufen haben soll.

Martin Budich ist bekannt im Ruhrpott. Lange Jahre saß er im Vorstand der Bochumer Grünen, bevor er die Partei wegen ihrer Pro-Haltung zum Kosovo-Krieg verließ. In den Achtziger Jahren stand Budich dem NRW-Landesverband der Deutschen Jungdemokraten (DJD) vor. Die damalige FDP-Parteijugend war undogmatisch links und spaltete sich 1982 (nach dem von den Liberalen betriebenen Ende der sozial-liberalen Bundesregierung) von ihrer Mutterpartei ab. Budich gilt als einer der Strippenzieher der Abspaltung. Und nun soll der Bochumer, der sich einst mit FDP-Granden wie Otto Graf Lambsdorff auf Vorstandssitzungen verbal befehdete, ein schnöder Zur-Gewalt-Aufrufer sein?

Grundlage für die entsprechende Anklage und den daraus resultierenden Prozess ist ein Artikel auf der von Budich betriebenen Webseite bo-alternativ.de. Unter der Überschrift Dem Nazi-Aufmarsch entgegen treten beschrieb Budich die geplanten Aktionen gegen einen Bochumer Aufmarsch der NPD am 25. Oktober letzten Jahres. Der Artikel ist mit zwei Plakaten bebildert – darunter auch das Demonstrationsplakat autonomer Antifaschisten. Das wiederum zeigt die Figur „Bomberman“, die auf den ersten, vielleicht auch auf den zweiten Blick eine Torte in der Hand trägt.

Das inkriminierte Plakat mit dem Kuchen oder der Bombe

„Kein Zuckerschlecken für Nazis“ lautet die dazugehörige Antifa-Botschaft. Die Nazis sollten, legal und von der Staatsmacht beschützt, unter einem durchaus martialischeren Motto marschieren: „Deutsche, wehrt Euch!“ Eine Parole, die im Dritten Reich um den Satz „Kauft nicht bei Juden!“ ergänzt wurde. Der weitere Verlauf der Geschichte darf wohl als bekannt voraus gesetzt werden.

Kein Zuckerschlecken für Nazis? „Es war mir wichtig“, sagt Budich, „die Breite der Gegenaktivitäten zu dokumentieren.“ Budich habe zu Gewalttaten aufgerufen, meint hingegen die Bochumer Staatsanwaltschaft. Ihre Argumentation: Was die Comic-Figur da auf Händen trage, sei keine Torte mit Kerze. Sondern eine Bombe nebst Lunte.

Im Zusammenhang mit dem Titel des Artikels stelle die Darstellung daher einen Aufruf dar, den NPD-Aufmarsch gewaltsam zu verhindern. Konkret rufe Budich dazu auf, verbotene Gegenstände mit sich zu führen (und zwar ohne behördliche Ermächtigung!), um sie zu Vergehen der gefährlichen Körperverletzung zu nutzen.

Auch haben die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen offenbar ergeben, dass auf der Anti-NPD-Demonstration eine aggressive Stimmung geherrscht habe. Die führte die Behörde auf die Veröffentlichung des Plakats auf Budichs Webseite zurück. Gerade bei letzterem Vorwurf muss Budich schmunzeln: Er sei verantwortlich für die Aggressivität autonomer Nazi-Gegner?

Mein Einfluss auf die Antifas ist eher gering, die sind einfach ein ganz anderes politisches Spektrum. Und außerdem habe ich noch nie eine Antifa-Demo erlebt, wo gesagt wurde: Ach, die Nazis sind aber nett!

Martin Budich

Er erscheine, glaubt Budich, als „eine geeignete Zielperson“, wenn es darum ginge, „eine öffentlichkeitswirksame Einschüchterung zu zelebrieren“. In dasselbe Horn bläst gegenüber Telepolis die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth:

Mit dem Verfahren gegen Martin Budich schüchtert die Bochumer Staatsanwaltschaft ausgerechnet engagierte Menschen vor Ort ein und spielt damit letztlich den Rechtsextremen in die Hände.

Claudia Roth

Als „engagierter Mensch“ kann Budich durchaus durchgehen: Er pinkelt der Obrigkeit mitunter heftig an‘s Bein. Wie in jungen Jahren. Insbesondere auf seiner Webseite bo-alternativ.de. Die spiegelt bestens informiert das mainstreamige wie das linke Geschehen in der Ruhrgebietsstadt wider – von der Debatte um die kommunale Baumschutzsatzung über „RWE-Atompläne“ und die Veranstaltungen der Cubahilfe bis hin zu peinlichen Gerichtspleiten der örtlichen Arbeitsagentur.

Die Webseite brachte Budich schon einmal eine Verurteilung ein: Bereits im Jahr 2003 hatte er ein Antifa-Plakat dokumentiert, das eine Comicfigur zeigte. Die gezeichnete Dame namens „Emily“ hielt eine Steinschleuder in der Hand. Unzweideutig. Das „Emily“-Bildchen wurde, man ahnt es schon, von Staatsanwaltschaft und Gericht als Aufruf zu Straftaten gewertet. Entsprechend verweist Gerichtssprecher Volker Talarowski darauf, „dass der Angeklagte bereits wegen ähnlicher Taten rechtskräftig verurteilt wurde“.

In der „Torten-Affäre“, befindet hingegen Claudia Roth, wandele die Bochumer Staatsanwaltschaft auf einem „gefährlichen Irrweg“. Statt Budich „zu jagen, sollte die Staatsanwaltschaft die fest etablierten rechten Strukturen in Bochum und Umgebung genauer unter die Lupe nehmen“.

Im Bochumer Ortsteil Wattenscheid sitzt die NRW-Zentrale der NPD. Hohe Kader der Landespartei wurden immer wieder verurteilt, teils wegen Gewalttaten wie dem brutalen Überfall auf hochbetagte Besucher einer KZ-Gedenkstätte. Mitunter können die Neo-Nazis in Bochum aber auch "in strafbarer Weise Volksverhetzung begehen", ohne mit einer Auflösung ihrer Versammlung rechnen zu müssen. So auch am 25. Oktober letzten Jahres, wie der Amtsrichter Ralf Feldmann beklagt – übrigens ziemlich exklusiv auf bo-alternativ.de.