Bischof Huber: Gott ist nicht real

Es ist ein großer Schritt für die Annäherung zwischen Gläubigen und Naturalisten: Der Berliner Bischof erklärt, warum es in unserem Universum keinen Gott geben kann und Religion Privatsache ist

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bisher kaum beachtet von der Welt hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Berliner Bischof Wolfgang Huber begonnen, eine Brücke zwischen Gläubigen und Menschen mit einem naturalistischen Weltverständnis zu schlagen. In feinem Kontrast zu seinem Engagement für einen konfessionsgebundenen Religionsunterricht in Schulen wirft Huber damit ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit, zwischen mit Vernunft entscheidbaren Fragen und anderen differenzieren zu können.

Wie der ehemalige Professor für Theologie in seinem Buch "Der christliche Glaube"ausführt, ist es ein grundlegender Fehler, Gott als etwas anzusehen, das an die Bedingungen von Raum und Zeit, also der objektivierbaren Realität, gebunden ist. Hier stellt er sich unmissverständlich an die Seite anderer religionskritischer Stimmen wie der von Richard Dawkins, der ebenfalls darauf hinweist (u.a. in seinem Buch "The God Delusion", dt. "Der Gotteswahn"), dass jegliche Gottheit nicht gut mit unseren Erkenntnissen über Raum und Zeit, also das Universum, in Einklang zu bringen ist.

Den "Schöpfer" dürfe man nicht, so Huber, als "eine in der Natur wirkende Kraft" verstehen. Dadurch würde nämlich der Schöpfungsglaube zu einer wissenschaftlichen Hypothese, womit er ein ebenfalls durch Dawkins berühmt gewordenes Argument aufgreift. Dawkins zeigt in "The God Delusion" nämlich, dass ein Etwas, das die Welt geschaffen hat und in ihr wirkt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existiert. Huber bestätigt diese Sichtweise nun erstmals auch aus theologischer Perspektive.

Einer auch nur mittelbaren Gefahr der Widerlegung, sagt Huber also, dürfe sich die Religion nicht aussetzen. Weder dürfe sie "eine Form der Welterklärung" sein, die "mit wissenschaftlichen Theorien in Konkurrenz treten will", noch dürfe sie unter "die Vorherrschaft des Erfahrungswissens" fallen. Diese Kategorien einer "für jeden gültigen Bewertung", wie sie z.B. im Berliner Rahmenlehrplan für das Fach Ethik bezeichnet werden, übten eine erdrückenden "Umklammerung" auf Religion aus, aus der sie sich befreien müsse. Wenn auch Huber vor diesem letzten logischen Schritt - aus Rücksicht auf seine Gläubigengemeinde? - noch etwas zögert, ist seine Argumentation doch klar: Religion ist tnotwendigerweise Privatsache.

Naturalisten wie Dawkins werden hocherfreut sein, diese ersten Zeichen eines echten ökumenischen Geistes zu sehen. Wird doch gerade Dawkins nicht müde zu betonen, dass eine vernunftgeleitete Diskussion in den Vordergrund zu stellen sei, so es um nicht rein private Belange geht, und im Privaten ein jeder nach seiner Façon glücklich werden solle – ob mit Gottesbegriff oder ohne. Dies ist eine Ansicht, der sich alle Mitglieder einer freien Gesellschaft mit voller Überzeugung anschließen können sollten.