Armes Deutschland

Nach dem Armutsatlas liegen die deutschen Speckgürtel im Süden, im Osten ist die Armutsgefährdung am höchsten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Süden geht es den Menschen relativ gut. In den Speckvierteln von Bayern und Baden-Württemberg sind, so der regionale Armutsatlas des Paritätischen Gesamtverbands, nur 11 bzw. 10 Prozent armutsgefährdet. Am stärksten davon betroffen sind die 18-25-Jährigen sowie die Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau (ab 25 Jahre), mit Migrationshintergrund oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Es gibt aber nicht nur das Gefälle Nord/Süd, sondern die größte Kluft herrscht zwischen den alten und den neuen Bundesländern.

Die auf der Grundlage von Daten des Mikrozensus für das Jahr 2007 vom Statistischen Bundesamt erstellten Berechnungen zeigen, dass in den neuen Bundesländern fast jeder Fünfte (19,5%), in den alten Bundesländern "nur" jeder achte armutsgefährdet ist (12,9%), in Mecklenburg-Vorpommern ist fast ein Viertel (24,3%) und in Sachsen-Anhalt ein Fünftel (21,5%) vom Risiko der Armut bedroht. In Gesamtdeutschland liegt die Quote bei 14,3 Prozent. Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60% des mittleren Einkommens (Median) der Bevölkerung auskommen müssen.

Bezieht man den Landesmedian freilich ein, so gleichen sich die teils enormen Unterschiede etwas aus, da Armut in Bayern regional anders aussieht als in Mecklenburg-Vorpommern. Gemessen am Bundesmedian sind etwa in Bayern 11 Prozent, am Landesmedian schon 13,6 Prozent armutsgefährdet. Gemessen am regionalen Median liegen sogar westliche Bundesländer an der Spitze: Hamburg mit 16,8 befindet sich an erster Stelle, gefolgt von Bremen 15,2 Prozent und Hessen 14,9 Prozent.

Die Armutsgefährdungsschwelle liegt für Einpersonenhaushalte bei 791 Euro und für Haushalte mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern bei 1.661 Euro in den westlichen Bundesländern (ohne Berlin), in den östlichen bei 679 bzw. 1.425 Euro. Während in Baden-Württemberg ein Alleinstehender mit einem Einkommen unter 831 Euro als armutsgefährdet betrachtet wird, ist er dies in Sachsen-Anhalt mit einem Einkommen unter 655 Euro.

Eine Auffälligkeit ist, dass es in den neuen Bundesländern nur den Rentnern im Vergleich zu denen der alten Bundesländer besser zu gehen scheint. Hier liegt die Altersgruppe der ab 65-Jährigen mit 9,3% unter der Quote von 11,9% im Westen. Ansonsten sind wenig überraschend Arbeitslose und Alleinerziehende mit ihren Kindern am stärksten von Armut bedroht bzw. arm. Auch hier finden sich ähnliche Unterschiede. So sind in Baden-Württemberg 40,3% der Arbeitslosen 2007 von Armut bedroht, in Sachsen-Anhalt 66 Prozent.

Nach der Einkommensreichtumsquote, also dem Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen mehr als 200% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt, liegen aber nicht Baden-Württemberg und Bayern vorne, sondern Hamburg und Hessen.

"Wir haben uns viel zu lange durch bundesweite Durchschnittsquoten blenden lassen", sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Verbands. „Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor. Wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweist wie die reichste, hat das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun."