Große Lüge Heimlichkeit

Warum die Idee einer geheimen Sperrliste eine gefährliche Illusion ist

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"Geheimnisse zu bewahren ist so gar nicht mein Ding." sagt die Protagonistin einer neuen Teenieserie und plaudert munter Gerüchte und anderes aus, was nicht immer für die Öffentlichkeit gedacht ist. Diese Weisheit sollte die Politik bei ihrer Diskussion um die Internetsperren gegen Kinderpornographie bedenken.

URL statt Gerüchte

In der Serie "Gossip Girl" (eine hübsch gemeine Mischung aus "Beverly Hills 90210" und "Gefährliche Liebschaften") wird neben der Tatsache, dass (fast) jeder reich und gelangweilt ist, schnell eines klar: in dem verschworenen Zirkel bleibt nichts lange geheim. Was auch immer Nachrichtenwert hat, wird in kürzester Zeit weitergegeben.

Dass es mit den Listen, die die gesperrten "Kinderpornographieseiten" enthalten, nicht anders sein wird, haben Kritiker schon lange angemerkt. Erfahrungen aus anderen Ländern beweisen, dass die Listen ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden. Obgleich argumentiert wird, dass diejenigen, die diese Liste nicht geheimhalten, ebenso gesperrt werden, ist es illusorisch zu glauben, dass irgendetwas, was einmal im Netz war, sich durch repressive Maßnahmen wieder löschen lässt.

Doch selbst, wenn die Listen selbst nicht weitergereicht werden, so bringt eine Aussage in der Stellungnahme des Branchenverbandes Bitkom zu den "Netzsperren gegen Kinderpornographie" einen bisher vernachlässigten Aspekt in den Fokus.

Außerdem muss zumindest in der Begründung klargestellt werden, dass eine etwaige Ermittlung von Listenbestandteilen durch systematische Abfragen und Abgleich mit der Stopp-Seite nicht in den Verantwortungsbereich der Provider fällt, da dieser Gefahr bei der gesetzlich festgelegten Methodik der Einbindung einer Stopp-Seite faktisch nicht begegnet werden kann, weshalb zu befürchten steht, dass auf diesen Weg zumindest Teile der Liste bekannt werden. Anders ausgedrückt: Da die Rückübermittlung einer Stoppseite per Definition öffentlich ist, schließen sich Stoppseitenbetrieb und Geheimhaltung der Liste faktisch gegenseitig aus.

Unheimliche Listen

Die Politik, allen voran Frau von der Leyen, wird nicht müde zu erzählen, dass es sich bei den "Pädokriminellen" um eine Art verschworene Gruppe handelt, die, zum Teil "technisch versiert" (was bedeutet, dass sie in der Lage sind, die Sperren zu umgehen), Kinderpornographie produziert, verbreitet und konsumiert. So dies tatsächlich der Realität entspricht, stellt sich die Frage, wieso innerhalb dieses verschworenen Zirkels nicht auch die Adressen, die auf der Liste stehen, weitergegeben werden sollten. Dafür bedarf es nicht der kompletten Liste, dafür bedarf es lediglich einer Art Puzzletätigkeit. Je mehr Leute also auf Stopschilder stoßen und die Adressen weitergeben, desto mehr wird sich das Bild der Liste vervollständigen und letztendlich, sollte sie tatsächlich nur Kinderpornoseiten beinhalten, zu einer Art "Schaufensterbummelliste" für die an Kinderpornographie interessierten Personen werden. Da die Strafverfolger damit beschäftigt sind, die Listen zu pflegen, zu aktualisieren und weiterzugeben, werden so Kräfte gebunden, die zur Verfolgung von Kinderpornographieproduzenten beispielsweise fehlen. Somit erweist sich die Idee, dass die Netzsperren in irgendeiner Form sinnvoll sein können, als Phantasterei, sie wirken im Gegenteil kontraproduktiv und sind letztendlich in vielerlei Hinsicht "un"heimlich.