Wind - die Lösung all unserer Energieprobleme?

Windkraft allein könnte fünfmal mehr Energie liefern, als die Welt derzeit in jeglicher Form verbraucht. Alles, was man dazu benötigt, ist ein Propeller pro 700x400-Meter-Feld

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Auf die Nutzung der Windenergie versteht sich der Mensch schon seit dem Altertum. Der Gott des Windes blies in die Segel früher Schiffe, und er trieb Windräder an, die mechanische Energie etwa zur Bewässerung von Feldern oder zum Mahlen von Getreide erzeugten. Dass der unstete Luftzug auch zur Gewinnung elektrischen Stroms taugt, davon überzeugten sich die Ingenieure im 20. Jahrhundert – bis vor etwa 15 Jahren der große Windenergie-Boom einsetzte, der in Form riesiger Schaufelräder in ganz Deutschland kaum noch zu übersehen ist.

Allein im vergangenen Jahr sind weltweit über 27 Gigawatt neu installiert worden, der größte Teil davon in den USA, in China, Indien, Deutschland und Spanien. Diese fünf Länder liegen denn auch nach der installierten Kapazität an der Spitze. Alle derzeit laufenden Rotoren liefern zusammen etwa 120 Gigawatt, was einer jährlichen Stromerzeugung von 240 Milliarden Kilowattstunden entspricht. Der Anteil der Windkraft am gesamten Primärenergieverbrauch der Erde liegt allerdings trotzdem noch im Promillebereich – dabei hat diese Energieform durchaus das Potenzial zu mehr.

Bild: U.S. DOI

Ihre Quelle hat sie nicht, wie man früher vermutete, in den Wolken, sondern in der Sonne. Etwa ein Prozent der einfallenden Sonnenenergie wird in der Atmosphäre in kinetische Energie umgewandelt, die so lange zur Verfügung steht, bis sie durch Reibung an der Erdoberfläche schließlich in nicht nutzbare Formen übergeht. Nimmt man eine gleichmäßige Energieverteilung an, ergibt das für die Landmasse der Erde eine Energiequelle von etwa 340.000 Gigawatt – übers Jahr gerechnet, entspricht das dem 22-fachen des gesamten Primärenergieverbrauchs der Weltbevölkerung. Doch wieviel lässt sich davon tatsächlich durch den Menschen gewinnen – realistisch betrachtet?

Eine ganze Menge jedenfalls, das ergibt eine aktuelle Analyse eines internationalen Forscherteams. Die Wissenschaftler aus Großbritannien, den USA und Finnland kommen in ihrer in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) abgedruckten Arbeit sogar zu dem Schluss, dass die Kraft des Windes all unsere Energieprobleme lösen könnte. Dazu betrachten sie zwei Szenarien: zum einen ein landbasiertes Netzwerk von 2,5-Megawatt-Turbinen, zum anderen ein küstennah platziertes Netz von 3,6-Megawatt-Windenergieanlagen.

Gewisse Grenzen und beindruckende Zahlen

Dabei berücksichtigen sie natürlich, dass der Gewinnung von Windenergie gewisse Grenzen gesetzt sind. Zum ersten eignen sich nicht 100 Prozent der Erdoberfläche dafür, dort einen mehr als 100 Meter hohen Turm mit riesigem Propeller aufzustellen. Urbane Gebiete sowie Areale, die von Wald, Schnee und Eis bedeckt sind, haben die Forscher deshalb in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt. Beim seebasierten Szenario beschränken sie sich auf küstennahe Gebiete bis zu maximal 50 Seemeilen Uferabstand und mit höchstens 200 Metern Wassertiefe.

Zum zweiten ist auch die Energie-, sprich Wind-Verteilung auf der Erde nicht gleichmäßig. Daten darüber gewannen die Forscher aus dem GEOS-5-Modell der NASA, mit dem sich zeitabhängige Druck, Temperaturen und Windgeschwindigkeiten in 72 Schichten der Erdatmosphäre berechnen lassen.

Zum dritten gibt es schließlich auch technische Einschränkungen. Je dichter man die Rotoren zum Beispiel zueinander setzt, desto stärker beeinflussen sie sich gegenseitig. Bei den als Beispiel verwendeten realen 2,5-Megawatt-Turbinen ergibt sich pro Anlage eine Mindeststellfläche von 0,28 Quadratkilometer, das ist ein Rechteck mit einer Seitenlänge von 700 x 400 Metern. Auf See müssen die Grundfelder wegen der größeren Rotoren mit etwa 0,6 Quadratkilometern entsprechend größer ausfallen. Und schließlich beziehen die Forscher auch nur solche Installationen mit ein, bei denen die Anlagen wegen der örtlichen Windverhältnisse im Mittel mit wenigstens 20 Prozent ihrer Kapazität laufen würden.

Trotzdem ergeben sich in der Summe beeindruckende Zahlen. China etwa stünde allein durch Offshore-Windanlagen doppelt so viel Strom zur Verfügung, wie das Land derzeit verbraucht. Die USA könnten mit landbasierten Windkraftwerken fast 20 Mal so viel elektrische Energie erzeugen, wie das Land 2005 benötigte. Die größten Windkraftressourcen sehen die Forscher zwar in Russland und in Kanada – hier wären viele der Installationen allerdings so weit von den urbanen Zentren entfernt, dass die Entwicklung unverhältnismäßig teuer wäre.

Jahreszeiten

Der weltweite Strombedarf ließe sich allein durch solche landbasierte Windenergieanlagen decken, die mit einem mittleren Wirkungsgrad von 53 Prozent arbeiten – also an besonders begünstigten Stellen platziert sind. Gibt man sich mit einer mittleren Energieerzeugung von 36 Prozent der Nennleistung zufrieden (das entspricht dem aktuell in den USA realisierten Mittelwert), könnte man allein durch landbasierte Turbinen den weltweiten Bedarf von Energie in all seinen Formen befriedigen.

Einen Nachteil der Windenergie vergessen die Forscher in ihrer Studie nicht: eine derartige Energieversorgung wäre stark jahreszeitabhängig. Allerdings korrelieren die Monate mit hoher Windausbeute kaum mit den Zeiten hohen Energiebedarfs. Wenn Überschussenergie produziert wird, schlagen die Wissenschaftler deshalb vor, könnte man diese zur Produktion von Wasserstoff als Energieträger nutzen.