Markenrechtsansprüche bis in die Mülltonne

Die französische Designerfirma Louis Vuitton rückte dem Roten Kreuz wegen angeblicher Piraterie auf den Pelz

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In Altkleiderläden gemeinnütziger Organisationen lassen sich oft hochwertige und formschöne Produkte für wenig Geld erstehen. Meinen Regenschirm etwa kaufte ich vor 10 Jahren bei der Heilsarmee in Williamsburg. Er kostete zwei Dollar und hält bis jetzt - was sehr viel länger ist, als alle Schirme vor ihm, die teilweise schon bei leichten Windstößen aus dem Leim gingen. Zudem verringert sein ungewöhnliches Design das Risiko, dass man ihn irgendwo vergisst.

Auch in Deutschland gibt es solche Läden. Sie verkaufen gespendete Kleidung, Haushaltswaren und manchmal auch Möbel. Eines dieser Geschäfte betreibt das Rote Kreuz in Marburg. In ihm entdeckte ein "Testkäufer" eine für drei Euro angebotene Handtasche, die angeblich einem Louis Vuitton Modell so ähnlich sah, dass die Firma über einen Anwalt eine Markenrechtsverletzung geltend machte und dafür eine Honorarerstattung in Höhe von 2000 Euro verlangte. Außerdem sollten zusätzlich 600 Euro für den "Testkauf" bezahlt werden.

Erst nachdem der DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Rudolf Kittel den Fall öffentlich machte, versuchte die Pariser Modefirma ein PR-Debakel abzuwenden, indem sie bekannt gab, auf die Eintreibung der Summe "verzichten" zu wollen und eine Versteigerung zu Gunsten des Roten Kreuzes zu veranstalten. Sonst allerdings gibt man sich bedeckt und möchte weder Auskunft zu Markenrechtsfragen noch dazu geben, ob die "Testkäufer" der Firma vorgegebene Quoten haben und wie sie entlohnt werden.

Kittel allerdings sieht den Fall mit dem "Verzicht" der Modefirma keinesfalls als erledigt an. Denn zum einen steht noch eine Unterlassungserklärung im Raum, die das Rote Kreuz im Falle des unabsichtlichen Anbietens anderer von Loius Vuitton als "geistiges Eigentum" beanspruchter Textilien zu horrenden Strafzahlungen verpflichten würde. Zum anderen ist seiner Ansicht nach nicht die Firma Louis Vuitton das eigentliche Problem, sondern die mögliche Markenrechtsausdehnung "bis in die Mülltonne". Seiner Ansicht nach sehen sich Hilfswerke einem unkalkulierbaren rechtlichen Risiko ausgesetzt, weil sie unmöglich wissen könnten auf welche der gespendeten Gebrauchtwaren eine Firma eventuell "geistige Eigentumsrechte" beansprucht.

Deshalb sieht der BRK-Mitarbeiter die Politik am Zug. Die aber arbeitet derzeit eifrig in die entgegengesetzte Richtung. So verkündete Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erst am 18. Juni stolz, dass man mit zwei neuen Gesetzen die Genfer Akte ratifizieren und den "internationalen Designschutz" ausweiten wolle.

Vor drei Jahren versuchte das Rote Kreuz selbst, durch eine exzessive Interpretation dieses Designschutzes Spieleherstellern die Verwendung des von der Organisation benutzten Symbols zu verbieten - nicht als Werbesymbol auf der Packung, sondern als Kennzeichnung von "Health Packs" in den Spielen selbst. Kurz darauf machte der Pharmakonzern Johnson & Johnson "geistige Eigentumsrechte" an dem seit 1863 benutzten Symbol geltend und verklagte das Rote Kreuz vor einem New Yorker Gericht auf Unterlassung der Verwendung zu Marketingzwecken, Vernichtung damit gekennzeichneter Waren und Zahlung einer Entschädigung. Nachdem die Organisation Gegenansprüche geltend machte, einigte man sich 2008 auf einen Waffenstillstand.