War der letzte nordkoreanische Atomtest ein Bluff?

Wissenschaftler der CTBTO gehen zwar von einem Atomtest aus, seltsam aber ist, dass bislang keine Radionukleotide entdeckt wurden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nordkorea droht, eine Langstreckenrakete womöglich in Richtung Japan als Reaktion auf die Sanktionen abzufeuern, die vom Sicherheitsrat nach dem Atomtest am 25. Mai verhängt wurden. Angekündigt wurde auch ein dritter Atomtest. Zudem will das Regime alles vorhandene Plutonium für Atomwaffen verwenden und mit der Urananreicherung fortfahren.

Ort der nordkoreanischen Atomtests von 2006 und 2009. Bild: CTBTO

Gegenüber dem UN-Sicherheitsrat wird betont, man habe das Recht auf Selbstverteidigung und benötige dazu auch Atomwaffen. Der 60. Jahrestag des Beginns des Koreakriegs im nächsten Jahr wird von Nordkorea schon jetzt ebenso ausgeschlachtet wie die Ankündigung der USA, Südkorea und Japan gegen Atomwaffen mit einem Raketenschutzschild auszustatten. Das Regime wirft den USA vor, einen Krieg beginnen zu wollen, und droht als Gegenschlag mit einem Atomkrieg.

Man munkelt, dass Diktator Kim Jong-il im Mai wieder ernsthaft erkrankt war und eine harte Militärclique an die Macht drängt. Kim soll seinen drittjüngsten Sohn Jong-un zu seinem Nachfolger ernannt haben. Das könnte zu internen Konflikten führen, denn in Nordkorea wird um den Zugriff auf die Hebel der Macht gerungen, wenn Kim stirbt oder zu krank wird. Offenbar fühlte sich der 26jährige Jong-un auch innerhalb der Familie nicht sicher und soll versucht haben, einen Anschlag auf seinen ältesten Bruder Jong-nam auszuführen, der in Macau lebt. Der aber sei von chinesischen Sicherheitskräften vereitelt worden. Inzwischen wurde er zum Geheimdienstchef ernannt. Manche vermuten jedenfalls, dass die zunehmenden Provokationen Nordkoreas auch damit zu tun haben, dass sich in Hintergrund eine Machtverschiebung im Militär oder in der politischen Führung abspielt.

Diktator Kim Jong-il bei einem Besuch der Armee. Foto der Nachrichtenagentur KCNA vom 14. Juni

Was in dem Land und in seiner Machtelite vorgeht, ist meist ein Geheimnis. Mysteriös scheint aber auch der letzte Atomtest gewesen zu sein, der am 25. Mai stattgefunden hat. Dass eine unterirdische Explosion ausgelöst wurde, wurde von Seismometern auf der ganzen Welt bestätigt. Gemessen wurde ein Beben in Nordkorea mit einer Stärke von 4,5 auf der Richterskala. Allerdings hat sich herausgestellt, dass bislang von dem globalen Netzwerk an Radionukliddetektoren der CTBTO (Organisation des Vertrags über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen) keine radioaktiven Spuren wie Xenon-Isotope entdeckt wurden. Auch die südkoreanischen Detektoren und ein US-Spionageflugzeug, das in der Region geflogen ist, konnten keine Anzeichen für einen Atomtest finden, berichtet die Zeitschrift Science.

Das scheint Zweifel zu bestätigen, ob der Atomtest tatsächlich ein Beleg dafür ist, dass Nordkorea über Atomwaffen verfügt. Zwar war die Sprengkraft der Explosion mit einer Stärke von 4,5-5 auf der Richterskala ein weniger größer als die vor drei Jahren gewesen, aber das entspräche nur einer Sprengkraft von 4 kT oder weniger und sei 3-4 Mal kleiner als eine erfolgreiche Atombombe in der Stärke der Hiroshima-Bombe – 12-20 kT - sein müsste, erklärte der Geologe Jefferey Park, Direktor des Yale Institute for Biospheric Studies, im Bulletin of the Atomic Scientists. Schon beim ersten Atomwaffentest im Jahr 2006 gab es Skepsis, ob es sich tatsächlich um einen Test mit Plutonium gehandelt hat (Nordkorea und die Bombe).

Andere Wissenschaftler räumen nach Science zwar ein, dass man auch eine konventionelle Sprengung bis zu einem gewissen Grad wie eine Atombombenexplosion aussehen lassen könnte, aber das sei doch sehr unwahrscheinlich und würde, wie etwa Professor Paul Richards vom Lamont-Doherty Earth Observatory sagt, solche Mengen an Sprengstoff benötigen, dass dies kaum heimlich vorbereitet werden könne. Sollte es sich um einen Atomtest gehandelt haben, der aber als solches von den Detektoren der CTBTO nicht erfasst wurde, dann könnte es die Organisation noch schwerer haben, alle Staaten, die Atomwaffen haben, zur Ratifizierung des Atomwaffenteststopp-Vertrags zu bringen. Auf einer CTBTO-Konferenz am 12. Juni in Wien waren sich die Experten jedenfalls einig, dass man einen Bluff ausschließen könne.

Unterzeichnet wurde das Abkommen zwar bislang von 195 Staaten, aber bevor nicht die neun Staaten, die dies noch nicht gemacht haben, dieses ratifizieren, tritt es nicht in Kraft. US-Präsident Obama hat zwar angekündigt, dem Abkommen beitreten zu wollen, aber noch fehlen die USA ebenso wie Nordkorea, China, Ägypten, Indonesien, Iran, Israel, Indien und Pakistan. Auf Bedenken stößt vor allem, dass mit dem Beitritt zum Abkommen die Verpflichtung einhergeht, nach einer möglichen Vertragsverletzung vor Ort die Situation zu überprüfen.

Beim ersten Atomwaffentest Nordkoreas wurden Radionuklide innerhalb von Tagen von US-Flugzeugen erfasst. Auch die CTBTO-Detektoren spürten sie auf. Nach 12 Tagen beispielsweise von einer kanadischen Messstation. Die Xenon-Detektoren würden sehr gut und fein arbeiten, aber nach einem Monat schwindet die Möglichkeit, noch Spuren zu entdecken, da die Xenon-Isotope eine sehr kurze Halbwertszeit haben. So richtig an einen Fake will man nicht glauben. Daher vermuten Wissenschaftler, dass Nordkorea dieses mal vielleicht versucht haben könnte, das Freisetzen von Radionukleotiden zu verhindern. Vielleicht wurde der Test so tief in einem Gestein ausgeführt, das bei der Explosion schmilzt und so den Krater abdichtet, dass nichts entwichen ist. Eine größere Explosion führt zu einem stärkeren Schmelzen und zu einer besseren Abdichtung, sagt etwa Raymond Jeanloz von der University of California, Berkeley. Alle Zweifel könnten beseitigt werden, wenn man eine Vor-Ort-Untersuchung machen könnte. Aber dazu müsste Nordkorea erst einmal wie die 8 übrigen Staaten dem Abkommen beitreten, was derzeit höchst unwahrscheinlich ist.