1,13 Billionen Euro Neuverschuldung bis 2013

Könnte ein Umbau der Rentenversicherung nach Schweizer Vorbild die Haushaltsprobleme lösen?

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Das Forschungsinstitut Whatiseconomy errechnete für Deutschland bis 2013 ein Neuschuldenrisiko in Höhe von 1,13 Billionen Euro. Diese Summe ergibt sich aus geschätzten 200 Milliarden Euro SoFFin-Bankengarantien, 60 Milliarden mehr an Zuschüssen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, 316,3 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen, bereits beschlossene oder geplante Steuererleichterungen in Höhe von 50 Milliarden Euro, Risiken aus den Verbindlichkeiten der Landesbanken in Höhe von 400 Milliarden Euro sowie Bürgschaftsrisiken aus dem "Wirtschaftsfonds Deutschland" und weitere Konjunkturprogrammaufwendungen in Höhe von 105 Milliarden Euro.

Dass in dieser Rechnung auch Belastungen für Länder- und Gemeindehaushalte berücksichtigt wurden, war dem Projektleiter Alexander Dill zufolge deshalb notwendig, weil sich die Bereiche nicht trennen ließen, was sich beispielsweise bei der BayernLB und der HSH zeige, die SoFFin-Mittel beanspruchten. Auch die zur Sicherung von Kommunalschuldverschreibungen zum Bundesrisiko gemachte Hypo Real Estate belegt seiner Ansicht nach, wie untrennbar verwoben die Haushaltsrisiken für die einzelnen Finger der öffentlichen Hand mittlerweile sind.

Selbst wenn die Neuverschuldung nur bei einer Billion Euro liegen würde und der Zinssatz bei niedrigen drei Prozent bliebe, läge die daraus resultierende Zinsbelastung bei jährlich 30 Milliarden Euro pro Jahr. Angesichts dieser von ihm und dem Finanzberater Martin Bremer errechneten Zahlen rät Dill zu einem grundlegenden Umbau des Rentenversicherungssystems nach Schweizer Vorbild. Mit solch einer Reform könnten Bund und Länder seinen Berechnungen nach jährlich 45,03 Milliarden Euro einsparen.

Auf diesem Feld Einsparungen zu erzielen ist Dill zufolge unter anderem deshalb am sinnvollsten, weil der Zuschuss des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung mit 78,3 Milliarden Euro und 27,6 Prozent der Gesamtausgaben der größte Einzelposten im Jahresetat 2008 war. Und weil derzeit sowohl die Einzahlungspflichten als auch die Bezugshöhe einige Bevölkerungsgruppen klar bevorzugen, sieht Dill diesen Staatszuschuss nicht als im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegende Zahlung, sondern als Subvention von Partikularinteressen. Eine Subvention, die sich der Deutsche Staat seinem Urteil nach nicht mehr leisten kann.

Neben den Beziehern von Einkommen aus Vermögen sind in Deutschland auch 4,1 Millionen Selbständige und 1,9 Millionen Beamte von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Anders in der Schweiz: Nachdem diese vor neun Jahren das Berufsbeamtentum abschaffte, zahlen dort alle Arbeitnehmer in die Rentenkasse ein. Auch Selbständige, die in Deutschland während ihres Berufslebens oft gut verdienen, aber als Altersarme der Staatskasse zur Last fallen, müssen sich in der Schweiz mit neuneinhalb Prozent ihres Bruttoeinkommens an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen - laut Dill "ohne dafür proportional mehr Leistung erwarten zu können." Dies, und das Fehlen einer Beitragsbemessungsgrenze für angestellte Besserverdiener, führt dazu, dass die AHV praktisch ohne Zuschüsse auskommt.

Bisher macht keine der politischen Parteien Anstalten, über einen Umbau des Rentenrechts nach dem eidgenössischen Modell nachzudenken. Stattdessen spricht man - offenbar auch angesichts des nahenden Wahltermins - über Steuersenkungen und neue Konjunkturpakete. Allerdings gibt es auch eine mit steigenden Haushaltsdefiziten immer wahrscheinlicher werdende Alternative zu Steuererhöhungen oder Änderungen bei der Altenversorgung - eine Inflation, die Staatsschulden zwar relativ schnell beseitigen würde, aber nicht nur für Rentner verheerende Folgen hätte.