Der gestikulierende Mann mit dem Hut

LucasArts bringt "Indiana Jones und der Stab der Könige" für Wii, PS2, PSP und DS

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Seitdem der erste Indiana-Jones-Film Anfang der achtziger Jahre in die Kinos kam, verkauft sich die Marke auch in zahlreichen Videospielen mit sehr unterschiedlicher Qualität immer wieder gut. Für das neue Action-Adventure Indiana Jones und der Stab der Könige nennt LucasArts – nachdem sie die ursprünglich zusätzlich geplanten Versionen für PS3 und XBox 360 eingestellt haben – die Wii als wichtigste Zielplattform, die auch als Grundlage für diesen Text dient. Außerdem erscheint das Spiel noch für PS2 und die beiden Handheld Konsolen PSP und DS.

Videospielfiguren haben menschlichen Schauspielern gegenüber den Vorteil, dass sie keinem Alterungsprozess unterworfen sind. Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, der vierte Film der Serie, musste sich im letzten Jahr dem gereiften Hauptdarsteller Harrison Ford anpassen und die Handlung in die späten Fünfzigerjahre verlegen. LucasArts jüngstes Konsolenspiel „Indiana Jones und der Stab der Könige“, das in Deutschland von Activision vertrieben wird, spielt dagegen im Jahr 1939 und damit ein Jahr nach der Geschichte des 1989 gedrehten dritten Films Indiana Jones und der letzte Kreuzzug.

Die Geschichte des Spiels ist originär: Dr. Henry Jones Junior begibt sich auf die Suche nach dem Stab des Moses. Seine Gegenspieler sind die Nazis, die das religiöse Artefakt für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Die Reise führt ihn über den ganzen Globus, in glitzernde Städte, Tempelruinen und fallenbehaftete Höhlen. Die Geschichte steht somit in bester Tradition des ersten und dritten Indiana-Jones-Films: Ein biblischer Schatz, die bösen Deutschen und abenteuerliche Settings. Auch das Ungeziefer darf nicht fehlen, diesmal in Spinnenform.

Das Spiel beginnt sehr ähnlich wie der erste Film Jäger des verlorenen Schatzes mit dem Betreten einer Höhle, aus der Dr. Jones eine kleine Statue bergen will. Die Gestensteuerung der Wii kommt gleich in der Anfangsszene zum Einsatz: Indy zündet nach der entsprechenden Bewegung des Spielers mit der Wii Mote eine Fackel an, die er anschließend in ein großes Spinnennetz schwingt, das in Flammen aufgeht und den Höhleneingang frei gibt.

In der Höhle darf der Spieler zum ersten Mal den virtuellen Archäologen durch eine ausholende Bewegung der Wii Mote dazu bewegen seine Peitsche zu schwingen und ihm später durch schnelle Bewegungen von Nunchuk und Mote zum fluchtartigen Rennen verhelfen. Das Intro ist hinsichtlich der Steuerung sehr vielversprechend und die Spielfigur reagiert gut auf die Bewegung des Spielers.

Leider verändert sich dieses Bild bereits bei den ersten Kämpfen, die der Flucht aus der Höhle folgen. Schnell wird klar, dass in diesem Spiel nahezu jede Aktion abgesehen von der normalen Bewegung über Gesten erfolgt. Nunchuk und Mote werden zu den verlängerten Fäusten des Helden. Was zu Beginn spaßig ist, erweist sich nach einigen Konfrontationen als ermüdend und untauglich für interessante Kämpfe. Das mit Filmlizenzen erfahrene Entwicklerstudio Artificial Mind and Movement (A2M) hat es mit dem Einsatz der Gestensteuerung schlicht übertrieben. Wenn Indy durch schnelle Vorwärts- und darauf folgende ruckartige Rückwärtsbewegung der Mote bei gedrücktem B-Knopf im Kampf seine Peitsche schwingt und einen Gegner einholt, motiviert die Steuerung via Gesten. Dass jeder einzelne von hunderten Faustschlägen im Spiel das Zappeln mit den Händen bedeutet, ist aber eher Bewegungstherapie als Spielspaß.

Dabei könnten die Kämpfe wirklich interessant sein, da Indiana vieles aus seiner Umgebung verwenden kann und beispielsweise Billardkugeln wirft oder mit seiner Peitsche ein Bücherregal auf einen Gegner fallen lässt. Umgekehrt nutzen auch die Angreifer die herumliegenden Gegenstände und müssen via Peitschenhieb entwaffnet werden. Trotzdem wiederholen sich ständig Standardsituationen mit immer gleich agierenden Gegnern. Im Detail hat A2M zwar gute Ideen eingebaut, aber in der letztendlichen Umsetzung viel Potenzial verschenkt.

Gut funktioniert die Steuerung in Schießereien: Der Spieler zielt wie bei ähnlichen Spielen mit der Wii Mote direkt auf den Bildschirm und lädt durch eine kurze Bewegung nach. Die technische Umsetzung ist tadellos, allerdings verhalten sich die gegnerischen Schützen zu dumm: Sie wechseln stets zwischen denselben Deckungen und greifen überwiegend in immer gleichen Rhythmen an, sodass sich der Spieler wie an der Schießbude fühlt. Mit am interessantesten ist eine Verfolgungsjagd in einer San Francisco Cable Car, bei der Indy zumindest beide Straßenseiten im Auge behalten und verhindern muss, dass die verfolgenden Autos zu nahe kommen.

Außer Kämpfen gibt es noch vereinzelte Rätsel, die aber schon aufgrund des geringen Aktionsbereiches und der vorhandenen Gegenstände sehr offensichtliche Lösungen haben. Die eigentliche Herausforderung ist oft viel mehr den Hotspot für die Aktion zu finden: Steht Indiana Jones an der richtigen Stelle, erscheint ein Icon, das mögliche Aktionen anzeigt. Oft ist zwar deutlich erkennbar, dass er beispielsweise etwas mit der Peitsche treffen soll, aber nicht, wie er dafür stehen muss. Szenen, in denen der Held klettert, sind von der Steuerung her klobig, verglichen mit der Eleganz, in der sich eine Lara Croft durch Tomb Raider oder ein Nathan Drake in Uncharted bewegt. Dass der Spieler immer wieder das Abbrechen eines Vorsprungs durch dieselben hektischen Bewegungen kontern muss, wird auf Dauer eher lästig als spannend.

Das Spiel ist in sechs große Levels unterteilt, die den besuchten Orten entsprechen. Jeder Level besitzt diverse Checkpoints, an denen das Spiel automatisch speichert und die Lebensenergie des Helden auffüllt. Stirbt dieser, beginnt er, nachdem er in einer dramatischen Geste seinen gefallen Hut aufhebt, am letzten Checkpoint. Davon gibt es zwar reichlich, aber der Spieler kann Tutorials und Zwischensequenzen, die teils direkt nach Checkpoints kommen, nicht überspringen. Das bedeutet, dass er dieselben Dialoge nach jedem Dahinscheiden über sich ergehen lassen muss, statt in Aktion zu gehen.

Die Levels bieten ein gewisses Maß an Abwechslung und individuelle Herausforderungen. So muss der im Himalaya frierende Indy rechtzeitig einen neuen Unterstand finden und dort ein Feuer anzünden, da seine Lebensenergie im Schneesturm stetig abnimmt. Zudem gibt es einige wenige vom Standardrepertoire abweichende Szenen wie die Flucht auf einem Elefanten durch die Straßen Istanbuls oder eine Flussfahrt im Moses-Körbchen. Trotz allem bestimmen Standardsituationen den Großteil des Spiels.

Grafisch ist das Spiel gehobenes Mittelmaß. Manche Objekte wirken grob gerendert, aber die Animationen und Effekte sind gut bis sehr gut. Die größte Stärke neben der guten Story, die ein besseres Filmdrehbuch ergeben hätte als das zu „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, ist der Sound. Sowohl die Effekte als auch die Musik sind äußerst gelungen und eine passende Untermalung, auch wenn an manchen Stellen unvermittelt die Musik verstummt und eine unpassende Stille aufkommen lässt.

„Indiana Jones und der Stab der Könige“ hat viele Bestandteile eines guten Spiels, aber leider mangelt es an der gelungenen Umsetzung. Die einzelnen Sequenzen wirken – trotz der guten Hintergrundgeschichte – immer wieder wie eine Aneinanderreihung von Minispielen. Oft fühlen sich die Checkpoints, die jeweils eine Szene abschließen, tatsächlich nach Abhaken an. Das gilt besonders nach überflüssig nervigen Szenen wie derjenigen, in der Indy mit einem an einem Kran hängenden Klavier deutsche Soldaten stoppen muss. In den Kämpfen sind die Gegner einander zu ähnlich, zu vorhersehbar und ob eine Schießerei im Schnee des Himalayas oder in einer Feuerwerksfabrik in San Francisco stattfindet, macht spielerisch keinen Unterschied, wodurch der Großteil der Szenen repetitiv wirkt.

Ein echtes Highlight findet sich unter den ansonsten eher müden Extras: Dort schaltet der Spieler den Klassiker Indiana Jones And the Fate of Atlantis frei. Das Point-And-Click-Adventure aus dem Jahr 1992 hat ebenfalls eine originäre Geschichte, die zwar nicht biblisch, aber mit dem Inselreich Atlantis nicht weniger mythisch ist. Damals fiel es vor allem durch zwei Besonderheiten auf: Zum einen gehört es zu den wenigen LucasArts-Adventures, in denen die Figur sterben kann, zum anderen gibt es drei alternative Wege, den Mittelteil zu spielen. Darüber hinaus hat es für damalige Verhältnisse eine sehr gute, durchgängige Sprachausgabe. In jedem Fall gehört es zu den besten Indiana-Jones-Spielen überhaupt, was die Mittelmäßigkeit des aktuellen Titels zusätzlich betont.