Wirksam Beine machen

Was bringt Menschen dazu, sich mehr zu bewegen?

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Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich vom Leben zum Tode zu befördern – und die wenigsten haben mit unmittelbarer Gewalteinwirkung zu tun. Man kann zum Beispiel Zigaretten konsumieren – und als einer von deutlich über fünf Millionen Menschen jährlich und weltweit an den Folgen zugrunde gehen. An der erworbenen Immunschwächekrankheit AIDS sterben pro Jahr um die zwei Millionen Menschen. Fast genauso viele Opfer ergibt aber auch eine Todesart, für die man gar nichts tun muss – genau genommen auch nichts tun darf.

Den Folgen von mangelnder körperlicher Bewegung schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr rund 1,9 Millionen Tote zu. Natürlich sterben die wenigsten davon direkt an Bewegungsarmut – vielmehr sind Diabetes und Herzkrankheiten mittelbare Todesursachen. Das macht es allerdings umso schwerer, die potenziellen Opfer zur Gesundheitsvorsorge zu bewegen – es gibt eben keine 1:1-Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheit. Wenn selbst Raucher genügend Beispiele anderer Raucher aufführen können, die glücklich ihr 90. Lebensjahr durchraucht haben, fällt es konsequenten Bewegungsmuffeln umso leichter, anderen und sich selbst ähnliche Ausreden zu konstruieren. Dabei wirken sich die Konsequenzen mangelnder Aktivität nicht nur auf die Betroffenen aus, sondern auch auf das Gesundheitssystem und damit auf die Gesellschaft im Ganzen.

Deshalb ist es natürlich nicht nur sozial gedacht, wenn die für das Gesundheitssystem Verantwortlichen einen gesunden Lebensstil propagieren. Es geht hier um Geld, um viel Geld – und wie immer, wenn es um Geld geht, ist Effizienz ein Thema. Wie kann man Menschen mit dem geringst möglichen Einsatz dazu bewegen, sich selbst und der Gemeinschaft etwas Gutes zu tun und zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder regelmäßig die Treppe statt des Aufzugs zu benutzen? Ein australisches Forscherteam hat diese Frage im eigenen Land untersucht. Die im offenen Fachmagazin PLoS Medicine veröffentlichten Antworten sind aber so verallgemeinerbar, dass es sich lohnt, sie hier zu diskutieren.

Die Forscher haben in ihrer Arbeit sechs konkrete Maßnahmen unter die Lupe genommen, mit denen man in Down Under Menschen Beine machen will. Zum einen probiert man dort, die Betroffenen zu Sportärzten zu schicken, die ihnen eine bestimmte Aktivität „verschreiben“. Ganz klar die am wenigsten effiziente Maßnahme. Als Maßstab verwenden die Forscher hier die Kosten für ein so genanntes DALY, ein „Disability-Adjusted Life Year“, ein zusätzliches Lebensjahr also, das der Betroffene durch präventive Maßnahmen ohne Einschränkungen (und damit ohne Kosten für das Gesundheitssystem) verbringen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Arzt-Überweisung weniger als 50.000 australische Dollar pro DALY kostet, geben die Forscher mit 0 an.

Effizienter ist es da schon, wenn der Hausarzt, so es Gelegenheit und Zeit gestatten, entsprechende Bewegungstipps gibt. Diese Intervention ist natürlich vom Zeitbudget des Arztes abhängig, ist dann aber recht kostengünstig. Auf der Effizienzskala folgt dann eine australische Besonderheit, das TravelSmart-Programm. Damit versucht man, Haushalten mit speziell zugeschnittenen Informationen den Verzicht aufs Auto nahezulegen. Ganz oben auf der Kosten-Nutzen-Hitliste stehen aber zwei andere Maßnahmen: Zum einen mehrwöchige Kampagnen in traditionellen Medien, die mit Community-Events kombiniert werden.

Zum anderen jedoch erweist sich die simple Verteilung von Schrittmessern, Pedometern, als erstaunlich effizient: Mit einem Einsatz von gut 50 australischen Dollar gelang es im praktischen Versuch, die körperliche Aktivität der Zielgruppe (Menschen ab 15 Jahren) pro Woche um 574 Minuten zu steigern – die Medienkampagne kam nur auf 148 Minuten, kostete dafür aber pro Kopf auch nur 13 australische Dollar. Die Forscher empfehlen das Pedometer-Programm deshalb auch unbedingt zur Weiterverwendung – diese Maßnahme allein könne schon zu substanziellen Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen führen.