Spenden gegen die Gema

Eine Sängerin, für deren Konzerte die Musikverwertungsgesellschaft angeblich 65.000 Euro kassierte, aber nur 5.000 auszahlte, geht in Berufung

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Barbara Clear ist eine Sängerin, die vor einigen Jahren Schlagzeilen machte, weil sie ohne die Hilfe von Medienkonzernen Hallen füllte. Nun erregte sie erneut Aufmerksamkeit und gewann auch bei Personen Sympathien, die mit ihrer Musik nichts anfangen können. Grund dafür ist eine Auseinandersetzung mit der Gema: Die Verwertungsgesellschaft kassierte nach Angaben der Sängerin zwischen 2004 und 2007 insgesamt mindestens 65.000 Euro für deren Auftritte. 29.000 Euro davon fielen für selbst veranstaltete Konzerte an, die restlichen 36.000 rechnete sie mit relativ konservativ geschätzten 200 Euro pro Fremdveranstaltung hoch.

Solche Forderungen begründet die Gema damit, dass auf Konzerten nicht nur selbst geschriebene Stücke gespielt würden und deshalb Tantiemen an die Urheber der Coverversionen abgeführt werden müssten. Dafür hat die Verwertungsgesellschaft Formulare zur genauen Listung der zum Besten gegebenen Titel. Anhand dieser Meldungen ermittelte Clear ihre zu erwartenden Rückzahlungen und kam zu dem Ergebnis, dass ihr nach Abzug der von der Verwertungsgesellschaft zusätzlich einbehaltenen Verwaltungsgebühr in Höhe von 17 Prozent eine Rückerstattung in Höhe vom ungefähr 27.000 Euro zusteht - für die Lieder, die sie selbst schrieb.

Allerdings bekam sie statt der 27.000 lediglich 5.000 Euro. Warum genau die Auszahlung in einem solchen Missverhältnis zu den Einzahlungen steht, dazu schweigt sich die Gema aus. Möglich Gründe dafür sind ein Punkteschlüssel, nach dem die Verwertungsgesellschaft Stücke und Urheber bewertet, sowie das so genannte Pro-System: Es wurde von der Gema 1998 eingeführt und besagt im Endeffekt, dass Musiker einen Großteil der auf ihren Konzerten gespielten Stücke nicht oder nicht wahrheitsgemäß angeben, weshalb man einen wesentlich größeren Teil als den eigentlich ermittelten an die Autoren bekannter Hits wie Christian Bruhn ("Heidi") ausschüttet.

Als fragwürdig gilt dieses Verfahren nicht nur deshalb, weil eine Umverteilung auf Verdacht stattfindet, sondern auch, weil in der Gema fast ausschließlich jene Großverdiener etwas zu sagen haben, die von dieser Regelung profitieren. Und das läuft bemerkenswerter Weise nicht einmal informell, sondern ist schriftlich festgelegt:

Die Verwertungsgesellschaft unterteilt ihre Mitglieder nämlich in drei Kategorien, wie im alten preußischen Ständewahlrecht: "Ordentliche" Mitglieder, die wirkliche Mitbestimmungsrechte haben, gibt es an die dreitausend. In diese Kategorie gerät man nur durch eine sehr hohe Ausschüttungssumme, für die wiederum entsprechend begünstigende Regelungen ausgesprochen förderlich sind. Alle anderen, die zahlenmäßig ungefähr das zwanzigfache ausmachen, werden als "angeschlossene" oder "außerordentliche" Mitglieder geführt und haben praktisch kaum Einfluss auf Verteilungs- und andere Regeln.

Foto: Michael Schuberthan

Die Gema meint dazu, dass all dies ihre Privatsache sei, weshalb sich Gerichte und Gesetzgeber hier nicht einzumischen hätten. Doch so einfach liegt die Sache möglicherweise nicht: Denn der aufgrund staatlicher Verleihung nach § 22 BGB rechtsfähige Verein hat ein Monopol, dass er sich nicht selbst schuf, sondern vom Gesetzgeber übertragen bekam.

Aufgrund mehrerer Privilegien darf die Gema von Konzertveranstaltern, Dönerbuden, Schuhgeschäften, Vereinen, Rundfunksendern und zahlreichen anderen natürlichen und juristischen Personen Gelder unter der Vermutung einziehen, dass dort Musik aufgeführt wird, an der sie von Komponisten, Textschreibern und Verlagen Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte übertragen bekam. Auch die Hersteller und Importeure von IT-Geräten, Leermedien und sogar Anrufbeantwortern werden vom Gesetzgeber gezwungen, beträchtliche Summen an die in diesem Zusammenhang als Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) auftretende Verwertungsgesellschaft zu überweisen. Solche Abgaben werden auf die Verkaufspreise aufgeschlagen und so letztendlich vom Verbraucher bezahlt.

Wer einen Teil des im Namen der Musikurheber eingezogenen Geldes haben will, der kann nicht einfach zu Jamendo oder einer anderen Teilkonkurrenzgesellschaft gehen - er muss sich an die Gema wenden. Und die verlangt erst einmal einen nicht unerheblichen Jahresmitgliedsbeitrag von ihm. Darüber hinaus muss er vertraglich Rechte an seinen Stücken abgeben - und zwar nach Vorstellung der Gema an allen und für mindestens sechs Jahre. Zudem mussten auch erfolgreiche Songschreiber mit Radio-Airplay nach einigen Jahren Mitgliedschaft feststellen, dass die Ausschüttungen niedriger oder nur unwesentlich höher waren als die Einzahlungen. Vor allem in den letzten Jahren wird das Geschäftsmodell der Gema deshalb von Musikern immer häufiger mit einem Fernsehgewinnspiel auf 9Live oder einer "Modelagentur" verglichen, die ihr Geld mit der "Abzocke" von naiven Bewerberinnen macht.

Weil sie das praktische Ergebnis der Ausschüttungsrichtlinien und Verteilungsschlüssel der Gema als ungerecht empfand, klagte Barbara Clear vor dem Landgericht München I gegen die Verwertungsgesellschaft - und verlor. In dem Urteil vom 10. Juni dieses Jahres (Az. 7 o 18297/08) zeigte sich die Siebte Zivilkammer der Auffassung, dass die Rechtsverhältnisse zwischen Veranstaltern und der Gema streng von denen der Verwertungsgesellschaft mit ihren Mitgliedern zu trennen seien. Als Grundlage für einen Zahlungsanspruch komme deshalb nur der Berechtigungsvertrag zwischen der Sängerin und der Gema in Frage, aus dem sich jedoch kein solcher ergeben würde.

Der Rechtsanwalt der Sängerin, Dr. Matthias Schaefer, sieht in dem Urteil mehrere Schwachstellen. So bewertete das Gericht seinen Angaben nach unter anderem verspätet eingereichte Meldebögen als Nichtmeldungen, was nicht einmal von der Gema behauptet wurde. Zudem müsste sich ein Berufungsgericht mit der Frage beschäftigen, inwieweit ein Vertrag, der ein solch extremes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erlaubt, nicht sittenwidrig ist. Trotzdem zögerte Barbara Clear mit dem Gang in die nächste Instanz, weil sie angesichts der Schwierigkeiten mit der finanziellen Bewältigung des Verfahrens vor dem Landgericht die "deutlich fünfstelligen" Kosten einer Prozessführung vor dem Oberlandesgericht scheute.

Am letzten Freitag durfte Dr. Schaefer dann allerdings doch noch Berufung einlegen. Nach Angaben des Managers von Barbara Clear war für diese Entscheidung auch die finanzielle und moralische Unterstützung maßgeblich, die sein Schützling in den letzten Wochen in Form einer Vielzahl von Zuschriften erhielt. Unter anderem hatte auch das von der Piratenpartei Hessen gegründete und mittlerweile an den Verein "Musikpiraten" übergebene Portal Musik Klarmachen zum Ändern zu Briefspenden aufgerufen, mit denen der Sängerin geholfen werden soll, einige offene Fragen zur Gema aufzuklären.