Unglaubliche Zustände in Atomendlagern

Asse säuft ab und neue strahlende Laugensümpfe wurden gefunden, Notabschaltung von Krümmel führte zum Blackout in Gorleben

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Bei einem Kontrollgang wurde am Montag in dem maroden Salzbergwerk in mehr als 900 Metern Tiefe an zwei Stellen erneut radioaktiv kontaminierte Lauge gefunden. Es handelt sich um Lösungen, die mit Cäsium 137 sowie mit Tritium verseucht sind. Zudem fließen täglich 12 Kubikmeter Wasser in das absaufende und einstürzende "Versuchsendlager", das die Atomkraftwerksbetreiber als billiges Endlager benutzt haben, in das aber auch Giftmüll eingelagert wurde (Wer zahlt für Sanierung von Asse II?). Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, stellt nun die Sicherheit des Atommülllagers Asse infrage. Doch auch in Gorleben ist ein Skandal bekannt geworden, denn die Notabschaltung des Atomkraftwerks Krümmel führte zum dreitägigen Blackout im geplanten Endlager.

Schon vor einem Jahr wurde über die Asse als Supergau in der Endlagerfrage gesprochen (Supergau der Endlagerfrage). Doch offensichtlich ist auch ein Supergau noch steigerbar, wenn man sich die Entwicklungen in dem "Versuchsendlager" anschaut. In den letzten Monaten sind immer wieder obskure Funde gemacht worden: Von hochradiaktivem Müll, über Giftmüll bis zu Tierkadavern wurde alles Mögliche in dem einstürzenden niedersächsischen Salzbergwerk versenkt.

In dem maroden Salzstock ist erneut an zwei Stellen radioaktive Lauge entdeckt worden. Das teilte das BfS auf seiner Internetseite mit:

Bei einem Kontrollgang der Schachtanlage Asse II ist an der tiefsten Stelle des Schachtes 2 in 950 m Tiefe eine Ansammlung von neuen Salzlösungen festgestellt worden. Eine weitere Stelle wurde auf der 925-m-Sohle gefunden.

BfS

Festgestellt wurden in den Lösungen Werte für Cäsium 137 von 121 Bq pro Liter und für Tritium von 27 000 Bq/Liter, heißt es in der Erklärung des Bundesamts. Wieder einmal lässt das BfS verlauten, eine Gefährdung des Betriebspersonals und der Umgebung sei ausgeschlossen. Die im Salzbergwerk bei Wolfenbüttel gemessenen Werte lägen unterhalb der Freigrenzen der Strahlenschutzverordnung. Das BfS hat nach eigenen Angaben Strahlenschutzmaßnahmen veranlasst.

Der BfS-Präsident Wolfram König hat allerdings in einem Interview im Deutschlandfunk den Zustand des Lagers als "unzumutbar" bezeichnet. Er zweifelt auch die Sicherheit an, weshalb er die "sichere Schließung" anmahnte. "Täglich dringt 12 Kubikmeter Grundwasser in das Bergwerk ein und das ist die eigentliche große Gefährdungssituation und wir können nicht sagen, wie lange die Standsicherheit für dieses Bergwerk noch gegeben ist." Man müsse auf "Überraschungen" vorbereitet sein.

Die radioaktiv verseuchten Laugen stammten daher, dass der frühere Betreiber, das Helmholtz-Zentrum, neben den 126.000 Fässern Atommüll auch Abfälle aus dem Betrieb ohne Genehmigung in anderen Bereichen eingelagert habe. Darunter seien auch die kontaminierten Laugen. Man müsse im "Bergwerk an verschiedenen Stellen auch mit Kontaminationen rechnen". Der Berg drücke diese wieder heraus, erklärte König. "Es ist nicht möglich, so etwas zu verhindern", bekräftigt er.

Vorfälle, die zur Gefährdung der Beschäftigten und der Umgebung führen können, schloss König aber nicht aus. Er verwies auf "Störfallszenarien" zu denen auch das "unkontrollierte Absaufen" gehöre. "Derzeit, ich sag das mal salopp, fahren wir auf Kante genäht, weil wir keine Sicherheitsreserven mehr haben." Es sei ein Bergwerk für ein Endlager gewählt worden, das nicht die Vorraussetzung erfülle, die Abfälle dauerhaft von der Biosphäre abzuschotten. Ob das grundsätzlich in Salzstöcken möglich ist, wurde in dem Gespräch nicht hinterfragt. Derzeit würden drei Varianten einer Verschlusskonzeption geprüft: Die vollständige Rückholung der Abfälle, ihre Verlagerung im Bergwerk und das Verfüllen des Salzstocks mit Beton. Unter den derzeitigen Vorrausetzung sei die Standsicherung bis 2020 gegeben, doch nur, wenn es nicht zu einer Erhöhung des Wasserzuflusses komme: "Wir müssen uns eben aber auch auf Situationen einstellen, dass es tagtäglich zu einer Erhöhung dieses Zuflusses kommen kann", gab der BfS-Chef auch kein positive Prognose für die Zukunft ab.

"So steht es um unsere Sicherheit bei der Endlagerung"

Auch im geplanten Endlager für hochradioaktive Abfälle in Gorleben kam es zu einem Störfall. Der war offenbar eine Reaktion auf die letzte Schnellabschaltung im Atomkraftwerk Krümmel. Nach einem heutigen Bericht der Frankfurter Rundschau war drei Tage "Schicht im Schacht". Es habe einen elektrischen Blackout gegeben, weil die Schnellabschaltung von Krümmel zu einem jähen Spannungsabfall im Umspannwerk Lüchow führte. Das versorgt den Erkundungssalzstock mit Strom, in dem längst mit Vorbereitungen für die reale Endlagerung begonnen wurde.

Das Ergebnis, so die Zeitung: "Zwei Seilfahrtanlagen gingen außer Betrieb, weil die Steuerungselektronik beschädigt war." Dabei seien die Steuerungsdaten für die Aufzüge gelöscht worden, die Höhe des Schadens lasse sich bislang nicht beziffern. Im benachbarten Zwischenlager Gorleben sei der Strom hingegen nicht ausgefallen.

Bereits am Sonntag hatte der Umweltjournalist Gerd Rosenkranz im WDR-Presseclub auf diesen Vorfall hingewiesen. Er habe im Zug mit dem BfS-Präsidenten gesessen und König habe ihm von dem Vorgang erzählt. Nach Rosenkranz habe König dabei gesagt: "Die konnten nicht einmal mit dem Aufzug in den Schacht fahren. So steht es um unsere Sicherheit bei der Endlagerung."

Die Bürgerinitiative gegen das Endlager in Gorleben spöttelt. Der Vorfall zeige, dass sich Bahnfahren lohnt. Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erinnert an ein Gespräch in einem Intercity Anfang der 80er Jahre, als Vertreter der Genehmigungsbehörde, einem Vorläufer des BfS, lautstark über die nötige Schachtbreite für Gorleben diskutierten, um den Ausbau zum Endlager als "Erkundung" tarnen zu können.

Der BI-Sprecher Wolfgang Ehmke kritisiert erneut die Informationspolitik des Bundesamtes: "Warum macht das BfS nicht von sich aus auf diesen ernsten Zwischenfall aufmerksam?" Das Image der Atomkraftbranche sei durch Vorfälle in Krümmel nachhaltig geschädigt und "nun ist ironischerweise auch der Schwarzbau Gorleben direkt betroffen". Tatsächlich ist es mehr als peinlich, dass es in dem Salzstock offenbar keine Notstromversorgung gibt. Die BI sieht sich angesichts der Vorfälle in Krümmel, Gorleben und Asse bestärkt und mobilisiert unter "Hochspannung" für die zentrale Anti-Atom-Demonstration am 5.9. in Berlin.