Die PARTEI scheitert am Bundeswahlleiter

Kanzlerkandidatin Samira El Quassil. Bild: parteifilm.de

Martin Sonneborns Aktionskunstwerk wird im September voraussichtlich nicht auf dem Stimmzettel stehen

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Ende letzter Woche entschied der neue Bundeswahlleiter Roderich Egeler, dass von den 60 Parteien, die sich für eine Teilnahme an der Bundestagswahl im September 2009 beworben hatten, lediglich 29 antreten dürfen. Unter den Gescheiterten befindet sich auch Martin Sonneborns "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" (PARTEI), die bereits an mehreren Abstimmungen teilnahm und durch ihre Wahlkämpfe mit Kandidaten wie Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Moritz Reichelt für viel Aufmerksamkeit sorgte.

In der mündlichen Begründung hieß es, dass es der PARTEI an "Ernsthaftigkeit" und an "Organisationsstrukturen" fehle. Sonneborn kündigte darauf hin an, "definitiv dagegen Einspruch einzulegen" und begründete dies mit den mittlerweile angeblich über 8000 Mitgliedern der Gruppierung. PARTEI-Justiziar Tim C. Werner wurde noch etwas deutlicher und meinte: "Ich werde jedes verdammte Rechtsmittel einlegen, das Wahlgesetz, Grundgesetz und europäische Menschenrechtskonvention hergeben!"

Mit dem 2004 im Umfeld der Satirezeitschrift Titanic gegründeten Aktionskunstwerk wurden ungeschriebene Regeln in Politik und Medien festgestellt, ausprobiert und ausgereizt, was die PARTEI, ähnlich wie die Serie Seinfeld, zu einer sehr lehrreichen Sache machte.

Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren verkaufte die PARTEI unter anderem die ihr zur Verfügung gestellten Zeitfenster im Fernsehen als kaum zu übersehende Schleichwerbung für einen Billigflieger, der bald darauf seinen Namen änderte.

Die Kanzlerkandidatin kürte man bereits damals mittels einer Castingshow, die man im Fernsehen ausstrahlen ließ. Das gegen Angela Merkel gerichtete Wahlkampfmotto lautete dem entsprechend konsequent: "Frau - ja, aber schöner!" Für die diesjährige Wahl castete eine vierköpfige Jury auf einer öffentlichen Veranstaltung in Hamburg aus "insgesamt 17 der schönsten und begabtesten Frauen Deutschlands" das Busenwunder Samira El Ouassil.

Mit anderen Wahlslogans orientierte man sich in den vorherigen Wahlen auch aus Kostengründen an echten nichtssagend-austauschbaren Volksparteiparolen wie "Besser für unser Land" und "Deutschland braucht den Wechsel". So konnten Praktikanten aus teuren Großplakaten der Konkurrenz "mit einem gutsitzenden PARTEI-Logo [...] aus einem CDU-Plakat in sekundenschnelle eine kostenfreie PARTEI-Werbung machen."1 Bei der Hamburger Senatswahl verwendete man neben Heinz Strunks sinnfreiem "Hamburg. Stadt im Norden" auch den Slogan "CDU-Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist schwul!", den man nach Drohungen von Seiten der Christdemokraten in "Schwule Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist in der CDU!" abänderte.

Daneben suchte die PARTEI im Straßenwahlkampf einen Dialog mit dem Bürger, den Sonneborn in seinem Anfang des Jahres veröffentlichten Buch "Wie man in Deutschland eine Partei gründet und die Macht übernimmt" exemplarisch wie folgt schildert:

"Es geht um die Zertrümmerung der Frauenkirche. Wir möchten die abreißen und mit den Steinen die Mauer zwischen Ost und West wieder errichten."
Verstört starrt die Dame aus ihrem Pelz. "Sagen Sie mal, kommen Sie von einem anderen Stern?"
"Äh, nein, aus Frankfurt", entgegnet Hintner, und ich präzisiere: "Aus dem richtigen Frankfurt, vom Main, nicht aus dem Zonen-Frankfurt an der Polengrenze."
"Das kann ich mir denken", zischt es jetzt verbiestert zurück, "aber ihr seid auch nichts Besseres wie wir! Und wir haben gekämpft für unsere Frauenkirche, und keiner aus dem Westen darf ..."
Auch bei mir ist der Schnaps jetzt angekommen, spielerisch greife ich zum Hammer und visiere ein Gipsmodell der Frauenkirche an: "Wollen wir mal? Nur daß man mal sieht, wie gut die wieder aussehen könnte ..."
"Näää, nisch!" kreischt es auf einmal in reinstem Sächsisch, "nisch uff die Girsche! Ümm Goddes will'n!"
Während die Dresdnerin hysterisch mit den Armen fuchtelt und mit überschnappender Stimme insistiert: "Nisch uff die Girsche!", schlage ich dem Voodoo-Kirchlein genüßlich einen Turm ab. Zum Glück erwacht der männliche Dresdner aus seiner Starre und zieht die Widerstrebende weg, bevor es zu einer unschönen Herzattacke kommen kann."2

2007 gelang es Sonneborn, sich mit einer ganzen PARTEI-Delegation von einer georgischen Oppositionspartei einladen zu lassen und sich dort für den Bruch des Hitler-Stalin-Pakts zu entschuldigen. Der ehemalige Titanic-Chefredakteur hatte bereits vor der PARTEI-Gründung mittels Telefonstreichen Jugoslawien den Krieg erklärt und Österreich im Zuge der Haider-Hysterie von der Expo 2000 ausgeladen. Keine sehr schwierigen Unterfangen, wie Sonneborn im nachhinein befand:

Wer hätte gedacht, dass Außenpolitik so einfach geht! Die Sprache der Diplomaten ist gar nicht so kompliziert, es gilt lediglich, schön vage um den heißen Brei herumzureden, einfache Sachverhalte zwei bis dreimal zu erklären und dabei immer höflich zu bleiben.

Auch mit den traditionellen Begleiterscheinungen von Parteien ging man entsprechend um: Man engagierte die Jeansboys von der Turbojugend als "Saalschutz" und gründete eine nach Tom Hintner, dem "legendären ersten Generalsekretär der Partei", benannte Hintner-Jugend sowie diverse PARTEI-Hochschulorganisation. Auf dem "Nürnberger Parteitag" 2008 wurde sogar eine von Vorstandsmitglied Leonhard Fischer angeführte "Verfassungsfeindliche Plattform" (VFP) aus der Taufe gehoben, die unter anderem den ""als Angriffskrieg ausgestalteten" Anschluss Liechtensteins und die explizite Herausnahme von Johannes B. Kerner, Günter Jauch, Stefan Raab und zahlreichen weiteren Fernsehprominenten und Politikern aus dem Personenkreis fordert, dessen Menschenwürde durch das Grundgesetz geschützt wird.

Martin Sonneborn. Bild: parteifilm.de

Als die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke auf eine Parlamentarische Anfrage hin die Auskunft bekam, dass "der Bundesregierung [...] keine Erkenntnisse zu einer Verfassungsfeindlichkeit der 'Verfassungsfeindlichen Plattform' und über die PARTEI selbst vor[liegen]" zeigte sich der Bundesvorsitzende Sonneborn schwer empört, dass die Regierung sich in der Begründung dieser Antwort ganz offen auf den Wikipedia-Eintrag stützte und wies Justiziar Tim C. Werner an, "beim Bundesamt für Verfassungsschutz schriftlich die Beobachtung der Verfassungsfeindlichen Plattform anzumahnen".

Die nun erfolgte Nichtzulassung zur Bundestagswahl 2009 kommt der PARTEI insofern ungelegen, als sie möglicherweise den bereits fertigen Slogan für den am 13. August bundesweit in die Kinos kommenden "Propaganda-Dokumentarfilm" über sie selbst ändern muss. "Von Martin Sonneborn 2004 gegründet", heißt es dort, "wurde sie vom Bundeswahlleiter offiziell zugelassen und greift jetzt in Deutschland nach der Macht". Gelegen dürfte ihr die Nichtzulassung wiederum deswegen kommen, weil sie zusätzliche Aufmerksamkeit auf den Filmstart wirft.